AGNOSTIC FRONT

The Be Continued - The Best Of (The Early Years) CD

Ich erinnere mich noch gut, welch gemischte Gefühle AGNOSTIC FRONT 1987 mit "Liberty & Justice For ..." auslösten: Die US-Flagge und Soldaten im Cover-Artwork, der Verfassungspatriotismus, den Roger Miret und Vinnie Stigma vertraten, das martialische Auftreten der New Yorker - das passte vielen in der hiesigen Punk/Hardcore-Szene nicht und setzte die Band noch bis in die Neunziger einem Generalverdacht aus, der sich auf kulturellen Unterschieden und darauf basierendem Unverständnis für bestimmte Positionen gründete, wobei der Song "Public assistance" als stumpfes Sozialhilfeempfänger-Bashing schon, um es milde auszudrücken, starker Tobak auf "Bild"-Niveau ist.

"Power" und "Liberty & justice" sprechen dann aber wieder eine andere Sprache, ergeben und ergaben ein widersprüchliches Bild eines von Wut auf die herrschenden Verhältnisse getriebenen Sängers.

Heute scheint dieser Konflikt fast völlig vergessen, Roger Miret ist mit AF immer noch im Geschäft und zu einer Genre-Ikone geworden, sowohl was seine kompromisslose Unity-Attitüde als auch das musikalische Erbe seiner Band anbelangt, die, im New York der frühen Achtziger gegründet, den Eastcoast-Hardcore auch dank der Produktion von Don Fury maßgeblich geprägt hat - und als fast einzige der zahlreichen Bands von damals die Jahre unbeschadet überstanden hat.

Rund 20 Jahre liegen zwischen heute und den meisten Aufnahmen auf dieser CD, da macht es Sinn, all jenen, die AF erst mit ihren Platten aus den Neunzigern und den letzten paar Jahren kennen lernten, mal etwas Nachhilfe-Unterricht zu erteilen.

Bestens dafür geeignet ist dazu diese 19-Song-CD, die auf dem Dortmunder Label Streetjustice Records erschienen ist (die 1.000er Erstauflage mit einem zusätzlichen, für meinen Geschmack etwas militaristisch gestalteten Pappschuber) und auf der sich Tracks finden von "Victim In Pain" (1984), "Cause For Alarm" (1986), "Liberty & Justice For ..." (1987) sowie "One Voice" (1992).

Im Booklet gibt's Abbildungen der Plattencover, die Texte, eine Diskographie der abgedeckten Jahre sowie eine Besetzungsliste und eine Würdigung seitens Marc von ihrer langjährigen Bookingagentur M.A.D.

aus Berlin. Alles in allem eine gute Sache, nur hätte man sich schon auch die Mühe einer umfassenden History machen können, in der auf die Rolle von AF in der NYHC-Szene explizit eingegangen wird, auf die personellen Verflechtungen z.B.

mit SICK OF IT ALL, und so weiter. Trotzdem: eine solide Sache, und "Victim in pain" (der Song) ist einer der mitreißendsten Hardcore-Songs aller Zeiten, angesichts dessen man nachvollziehen kann, weshalb Don Fury bei seinem ersten Kontakt mit AF von deren bis dato in Punk-Kreisen unbekannter Härte so weggeblasen und sprachlos war.

(39:17) (09/10)