Seit nunmehr sieben Jahren geht Chuck Ragan mit gutem Beispiel voran und zeigt seinen Punkrock-Kollegen, wie man erfolgreich als Singer/Songwriter Karriere macht. Mit „Till Midnight“ erscheint nun sein viertes Soloabum, für das er sich eine Backing-Band zusammengestellt hat, die ihresgleichen sucht: Am Schlagzeug sitzt David Hildalgo Jr.
von SOCIAL DISTORTION, Todd Beene von LUCERO spielt (Lap Steel-)Gitarre und man kann sicher über Gastauftritte von Dave Hause, Jon Snodgrass und einigen anderen Kollegen Ragans freuen. Zwei altbekannte Gesichter dürfen natürlich nicht fehlen: Jon Gaunt spielt nach wie vor Geige und Joe Ginsberg, der inzwischen auch solo unterwegs ist, steht am Bass.
Kurz vor dem Aufnahmebeginn verschanzte sich die gesamte Kameraderie gemeinsam in Ragans Haus in Kalifornien, viele der neuen Songs wurden bereits live getestet – nicht zuletzt deswegen wirkt alles so perfekt aufeinander eingespielt.
Während der 2011er Vorgänger „Covering Ground“ noch eine melancholische Ode an die Rastlosigkeit des Tourlebens war, erweist sich „Till Midnight“ als rock-poppig angehauchte Gute-Laune-Platte mit gewohnt rauhem Charme.
Großes Thema: die Liebe. Klingt nicht besonders originell, ist aber in Chuck Ragans authentischer, energischer und bemerkenswert unkitschiger Art einfach nur herzerwärmend. Das Geheimnis: der HOT WATER MUSIC-Sänger verklärt die Liebe nicht zu einem pathosbehafteten Ideal, sondern behandelt sie als etwas Reales, das ständige Pflege braucht, wie etwa beim Opener „Non typical“.
„Bedroll lullaby“ kennt man in der akustischen Version schon vom 2011er Revival-Tour-Sampler, nun wird dem Song mit voller Bandbesetzung noch einmal ganz neues Leben eingehaucht. Überraschenderweise offenbart sich „Till Midnight“ als ausgereifte, energische Americana-Platte, die zugunsten mitreißender Bluegrass-Elemente größtenteils auf Balladen verzichtet.
Das sanfte „For all we care“ baut sich immer weiter auf, zur Akustikgitarre gesellen sich Klavier und Geige, bis nach fast zwei Minuten die komplette Band einsetzt und dem Song ein hymnisch anmutendes Singalong-Finale verpasst.
Zusammen mit „Wake with you“ bildet „For all we care“ den ruhigen Mittelteil des Albums. Die wahren Hits sind jedoch die tanzbaren Nummern wie „Gave my heart out“ und „Something my catch fire“, die einmal mehr zeigen, wie viel Energie in Chuck Ragan steckt und wie gekonnt er diese auch abseits des Punkrocks in packende Musik umwandeln kann.
Mit „Till Midnight“ hat Ragan einen großen Schritt nach vorne gemacht. Wo früher noch an Gospelmusik-orientierte Balladen dominierten, geht die Tendenz nun wie nie zuvor zum Bluegrass. Der Sänger zeigt neue Einflüsse und Seiten von sich, die durch die Unterstützung seiner Band perfekt präsentiert werden.
So sehr man seine schwermütigen Balladen in der Vergangenheit auch lieben gelernt hat, diese neue Seite von Chuck Ragan gefällt und macht eines immer deutlicher klar: In der Zukunft werden HOT WATER MUSIC wohl nur noch eine Nebenrolle spielen.
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