„Grunge“, man hat davon gehört. Die seltsamen Bands aus Seattle wurden damals Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger unter diesem Begriff zusammengefasst, und neben SOUNDGARDEN, PEARL JAM und NIRVANA fielen auch MUDHONEY in dieses Raster. Dabei waren und sind MUDHONEY, die sich 1988 zusammenfanden, im Grunde „nur“ eine Punkband mit sehr lauten Gitarren und einem Gefühl für den Garage-Sound der Sechziger, wie er vor allem im US-Nordwesten verbreitet war. Der Zufall wollte es, dass man sie im Kontext des Seattle-Hypes wahrnahm und sie dadurch erstaunlich erfolgreich wurden, wenn auch in geringerem Maße als ihre Seattle-Zeitgenossen. Und das verschaffte ihnen zu Zeiten, da die Majorlabel-A&Rs jede punkig-grungige Band, die nicht bei drei auf dem Baum war, signten (man könnte ja the next big thing verpassen), 1992 auch einen Deal mit Reprise/Warner, wo sie „Piece Of Cake“ (1992), „My Brother The Cow“ (1995) und „Tomorrow Hit Today“ (1998) veröffentlichen. Natürlich waren Mark Arm und Steve Turner immer irgendwie zu cool, zu undergroundig, passten nicht in den Kontext der Stadionrock-Bands, zu denen Wegbegleiter wie PEARL JAM, ALICE IN CHAINS und SOUNDGARDERN verkamen. Moderaten Erfolg hatten sie damals, aber das Grunge-Ding war spätestens 1995 durch, und so ziemlich jede „kleine“ Band, die nicht groß geworden war, wurde in der zweiten Hälfte der Neunziger von ihrem Label entsorgt, denn fast nie standen die Investitionen (Vorschüsse, Studiokosten etc.) in einem verantwortbaren Verhältnis zu den Erlösen. Das zu erkennen wäre freilich von Anfang an nicht schwer gewesen, aber hey, es waren die letzten goldenen Jahre der alten Musikindustrie und ich schätze, MUDHONEY werden zunächst auch gut profitiert haben von den damaligen Budgets. Das von Conrad Uno produzierte „Piece Of Cake“ erschien im Oktober 1992, nur ein Jahr nach dem Vorgänger, als der NIRVANA-Hype bereits seinen Höhepunkt erreicht hatte. Dass Kurt Cobain MUDHONEY als eine Band bezeichnete, die ihn maßgeblich beeinflusst habe, brachte ihnen wenig. Das allwissende Online-Kompendium Wikipedia merkt zu „Piece Of Cake“ trocken an: „Although released at the peak of grunge, a genre Mudhoney had helped create, the band and ,Piece of Cake‘ did not get any special notice, commercially or critically.“ „My Brother The Cow“, das zweite der drei MUDHONEY-Major-Alben erschien 1995, wurde 1994 zusammen mit Jack Endino produziert. Angepasster oder mainstreamiger waren sie auch hier nicht geworden, wahrscheinlich hatte das Label mittlerweile gemerkt, dass MUDHONEY nicht zum neuen Megaseller taugen, nachdem sich das Kapitel NIRVANA im Vorjahr erledigt hatte. Dass man sich die Alben heute noch so gut anhören kann, dass ihnen nichts Altbackenes anhaftet, ist wahrscheinlich der Tatsache geschuldet, dass MUDHONEY ihren Sound seit 1989 nie geändert haben und sie auch zu ihren Majorzeiten mit Produzenten arbeiteten, die nicht versuchten, ihren raunchy Rock zu glätten. Gleich bei drei Songs verneigen sich MUDHONEY hier vor Kollegen: „F.D.K.“ spielt auf „Fearless vampire killers“ der BAD BRAINS an, „1995“ auf „1969“ der STOOGES, und „Orange ball-peen hammer“ ist eine Anspielung auf CAPTAIN BEEFHEART. „Today is a good day“ ist bis heute eine wundervoll knarzige Hymne mit Mark Arms Trademark-Gesang. Jim Dickinson war dann der Produzent des im September 1998 veröffentlichten „Tomorrow Hit Today“, das das letzte Album war, auf dem Bassist Matt Lukin dabei war – er stieg bald darauf aus. Alle drei Alben wurden nun in einer Pappbox mit darin liegenden in Stecktaschen verpackten CDs neu aufgelegt, wobei das Original-Coverartwork aufgegriffen wurde. Auf allen CDs gibt es, damit sich das Format auch lohnt, überreichlich Bonusmaterial in Form etwa von Demoaufnahmen. Und als vierte CD gibt’s dann noch das Live-Album „On Tour Now“ mit dem Mitschnitt ihres Auftritts am 10.02.1993 im heimischen Seattle. Mag das Vinyl-Format auch „cooler“ sein, einen so umfassenden Rückblick bekommt man zu akzeptablen Kosten nur im CD-Format hin. Wie bei Cherry Red üblich, liegt ein Booklet mit vielen Fotos und aktuellen Linernotes bei, basierend auf einem Interview mit Mark Arm.
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