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FACE TO FACE

No Way Out But Through

Die Meister der Powerchords und mehrstimmigen Refrains sind zurück. Hätte sich jedoch die Geschichte wiederholt, wäre dieses Album von FACE TO FACE in die Hose gegangen. Hat sie aber nicht, ist es aber nicht. Wir erinnern uns: nach drei sehr guten Alben („Don’t Turn Away“, „Big Choice“, „s/t“) und einem fröhlichen Bäumchen-wechsel-dich-Spiel mit Labels hatten sich die Kalifornier zwischen 1992 und 1996 zu so was wie Everybody’s Darlings gemausert. Stellte ihre Musik doch eine nahezu perfekte Symbiose aus Ramonescore wie SCREECHING WEASEL, California Skatepunk und Greaserpunk der Marke SOCIAL DISTORTION mit einem Schippchen Emo dar, womit man szeneintern mannigfaltige Anknüpfungspunkte mit mindestens zwei Generationen Punkrocker:innen vorzuweisen hatte. Nach dem berüchtigten dritten Album schien die Luft raus zu sein. Es folgten ein Live-Album, ein Coveralbum und dann 1999 das unter Fans berüchtigte vierte Album „Ignorance Is Bliss“. Ein an Trägheit, Langatmigkeit und Uninspiriertheit leidendes Werk, das wie der verzweifelte Versuch anmutete, den fehlenden Esprit mit einem Sprung in die Kommerzialität unsichtbar zu machen. FACE TO FACE schienen erledigt zu sein. Dann kam 2000 der Befreiungsschlag mit „Reactionary“, ein Album, das alles Vorherige vergessen machte, gefolgt von vier weiteren, sehr guten Longplayern bis 2016, auf denen FACE TO FACE konstant hitsicher blieben und trotz überdeutlicher THE CLASH-Referenzen nicht zu sehr in Klischees abdrifteten. Das Tempo blieb hoch und die Melodien erzeugten Gänsehaut. Dann schrillten wieder die Alarmglocken. Hintereinander erschienen ab 2017 ein zweites Coveralbum, ein Live-Album und ein Akustikalbum. Klares Anzeichen für den kreativen Niedergang, aber nach dreißig Jahren Bandgeschichte entschuldbar. Aber – wieder falsch! Das Jahr 2021. Es hätte keinen passenderen Titel als „No Way Out But Through“ geben können, um zu zeigen, dass man sich zwischendurch mal eine kleine Atempause gönnen muss, um die nächste Hürde zu nehmen. Würde man in Unkenntnis ihrer Chronologie alle FACE TO FACE-Alben durchhören, vermutet man hier kein Spätwerk, sondern ein von jungspundlichen Einflüssen gereinigtes Album einer Band, die ihren eigenen Sound gefunden und gefestigt hat. Es hätte auch an Stelle des dritten selbstbetitelten Albums erscheinen können. Sänger und Gitarrist Trever Keith bleibt ein guter Storyteller, empfindsam, aber nicht weinerlich, kämpferisch, aber nicht aggressiv, einprägsam, aber nicht phrasenhaft. Es ergibt keinen Sinn, einzelne Songs hervorzuheben, denn spätestens im Refrain kriegt mich jedes der zwölf Stücke. Ein Album, das mich mit 16 Jahren genauso abgeholt hätte wie heute mit 46. FACE TO FACE halten sich damit in den Top 10 meiner ewigen Lieblingsbands.