Es gibt diese Bands: Man kennt sie, man liebt sie, aber der junge Punk mit dem NOFX-T-Shirt in der Straßenbahn neben dir kennt sie nicht – noch nicht. FACE TO FACE sind eine solche Band: seit zehn Jahren unterwegs, steht das Trio aus Kalifornien in den USA auf einer Stufe mit Bands wie LAGWAGON. In Europa hingegen
genießt die Truppe immer noch den Status eines Geheimtipps. Woran das liegt und wie Trever Keith (Gitarre, Gesang), Scott Shiflett (Bass, Background Vocals) und Pete Parada (Drums) das jetzt ändern wollen, erfuhr ich von Pete.
Ihr habt gerade eure US-Tour beendet. Wie lief es?
Oh, sehr gut. Wir waren sieben Wochen lang mit MIDTOWN, THE MOVIELIFE und THRICE unterwegs. Fast alle Shows waren mit 1.200 bis 1.500 Leuten ausverkauft. Außerdem hatten wir diese Aktion laufen: Aus jeder Stadt, in der wir spielten, konnten sich junge Bands bei uns bewerben, um vor heimischen Publikum den Opener zu stellen. Die Resonanz war überwältigend. 700 Tapes aus den ganzen USA gingen bei uns ein, die wir alle durchhören mussten. Viel Arbeit, aber auch viel Spaß. Unser Sänger Trever hatte die Idee, jungen Bands damit ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Das Potential an Gruppen ohne Plattenvertrag ist wirklich erstaunlich. Viele der Kids konnten kaum glauben, dass sie im Vorprogramm einer ihrer Lieblingsbands auftreten durften. Solch eine Aktion hätten wir uns gewünscht, als es damals mit FACE TO FACE losging.
In Europa steht euer Durchbruch immer noch aus. Warum habt ihr es bislang nicht geschafft?
Weil wir nie richtig bei euch auf Tour waren. Unsere alte Plattenfirma A&M zog es vor, unsere Platten in Europa nicht zu veröffentlichen. Eine Tournee machte da natürlich nur wenig Sinn, weil uns kaum jemand kannte. Mit der neuen Plattenfirma und dem neuen Album wird sich das jetzt aber ändern. Im Februar haben wir bereits ein paar Shows in England mit ALKALINE TRIO gespielt. Jetzt im Sommer supporten wir zunächst GREEN DAY und treten dann auf diversen Festivals auf, bevor wir im August und September als Headliner unterwegs sind.
Wird denn Europa von jetzt an ein fester Bestandteil eurer Tourneen sein?
Auf jeden Fall, denn endlich macht es Sinn rüberzukommen. Wir haben sogar extra für die Kids in Europa mit ‘Everything Is Everything’ eine Art ‘Best Of’ unserer ersten fünf Alben herausgebracht, die zusätzlich eine DVD mit vier Videos von uns enthält, eine Band History, Interviews mit allen Band-mitgliedern, sowie Aufnahmen von Touren und Liveshows. Damit könnt ihr quasi nachholen, was ihr bis jetzt von uns verpasst habt. Ehrlich gesagt wissen wir gar nicht, was wir von Europa erwarten sollen. Verglichen mit Bands wie LAGWAGON sind wir natürlich Spätstarter. Wir hoffen aber, jetzt Boden gut zu machen und warten einfach ab, was passiert.
Euer aktuelles Album „How To Ruin Everything“ ist bei Vagrant erschienen. Damit seid ihr mittlerweile bei dem sechsten Label in nur zehn Jahren gelandet. Das schaffen nicht viele.
Das ist eindeutig zu viel. Es war aber nicht immer unsere Schuld. Das erste Album von uns erschien zum Beispiel bei Fat Wreck (Die Platte erschien auf zuerst auf Dr. Strange, wurde dann von Fat Wreck wiederveröffentlicht. joachim), die damals erst im Kommen waren. Die zweite Scheibe kam dann bei Victory Music raus, die kurz darauf von A&M geschluckt wurden. Hinzu kam schließlich noch die eine oder andere unglückliche Entscheidung unsererseits. Im Nachhinein betrachtet hätten wir schon vor Jahren zu Vagrant gehen sollen.
Das neue Album wurde zu dritt eingespielt, obwohl ihr die meiste Zeit zu viert unterwegs gewesen seid. Bleibt das so?
Ja, denn unser zweiter Gitarrist Chad ist raus, und wir werden ihn auch nicht ersetzen. FACE TO FACE haben seinerzeit als Trio angefangen, was jetzt wieder der Fall ist. Live spielen wir schon seit zwei Jahren zu dritt, was sehr gut klappt und von den Fans auch so akzeptiert wird.
Was mir an FACE TO FACE so gefällt, ist die Tatsache, dass ihr euch nicht auf diesen typischen Westcoast-Sound beschränkt, sondern auch andere Einflüsse in eure Musik mit einfließen lasst, insbesondere britische.
Das stimmt. Ich glaube, viele der US-Bands haben nie etwas von den Anfängen des Punks in England gehört und sind deshalb mit Gruppen wie THE JAM und THE CLASH nicht vertraut. Stattdessen eifern sie dem klassischen kalifornischen Sound nach, was auch okay ist. Allerdings war ich schon vor meinem Einstieg bei FACE TO FACE der Meinung, dass die Band über einen interessanteren Sound verfügt als all die anderen Combos, die häufig sehr gleich klingen.
Nicht umsonst stammen die meisten eurer Coverversionen auf „Standards & Practices“ von britischen Bands.
Genau. Es sind ganz einfach Songs von Bands, die jeder von uns mochte. Als wir die Platte im Kasten hatte, stellten wir fest, dass ein Großteil der Lieder in der Tat von britischen Acts stammt. Vorher waren wir uns dieses Einflusses auf unseren Sound gar nicht so bewusst.
Für das „Ignorance Is Bliss“ Album wurdet ihr von euren Fans scharf kritisiert. Wie blickst du heute darauf zurück?
Kritisiert? Gekreuzigt ist wohl der treffendere Ausdruck. Die Leute waren für so etwas von uns noch nicht bereit, obwohl uns klar war, dass wir mit dem Album Neuland betreten würden. Dass die Kritik allerdings so heftig ausfallen würde, traf uns dann schon. Im Nachhinein kann ich die Kritik sogar verstehen. Andererseits muss man aber auch sagen, dass heute drei Jahre später Bands wie THE PROMISE RING Alben mit einem ganz neuen Sound herausbringen und dafür von Fans und Kritikern gleichermaßen gelobt werden. In gewisser Weise waren wir unserer Zeit voraus und bezogen dafür Prügel, während andere heute damit die Ernte einfahren. So ist das halt manchmal.
Der dauernde Ärger mit Plattenfirmen, die fehlende Fanbasis in Europa, die harsche Kritik für „Ignorance Is Bliss“ – was gab euch die Motivation, die Brocken nicht einfach hinzuschmeißen?
Die Tatsache, dass wir die Band einfach zu sehr lieben. Wenn man es so formuliert, klingen die Probleme natürlich sehr dramatisch. So schlimm war es dann doch nicht. Vor allem unsere Tourneen in den Staaten haben uns immer wieder gepusht. Außerdem verdienen wir mit der Band unseren Lebensunterhalt und sind viel zu gerne Musiker. Gerade jetzt mit unserem Engagement in Europa steht uns hoffentlich eine tolle Zeit bevor. Auf manche Sachen hat man als Band einfach keinen Einfluss, fehlende Unterstützung durch Plattenfirmen zum Beispiel. Was uns aber keiner versauen kann, sind unsere Tourneen. Wenn alles scheiße läuft, gehen wir einfach auf Tour und die Welt sieht wieder ganz anders aus.
Apropos live. Was kann man denn von euren Liveshows erwarten?
Vollgas. Nach all den Jahren wissen wir natürlich, worauf die Leute stehen. Es werden alle Hits gespielt und gerade auch Songs, die von den Fans mitgesungen werden können. In der Regel geht das Publikum immer sehr ab. Normalerweise spielen wir bei unseren Shows in den Staaten Songs von allen Alben, wobei die aktuelle Platte gar nicht so sehr im Mittelpunkt steht. Bei euch in Europa werden wir es umgekehrt machen und natürlich auch Songs von allen Alben spielen, wobei der Großteil allerdings von ‘How To Ruin Everything’ stammen wird, weil die CD besser erhältlich ist und allem Anschein nach gut ankommt. Das haben wir schon bei unseren UK-Shows mit ALKALINE TRIO gemerkt.
Wenn ihr drei nicht mit FACE TO FACE unterwegs seid, womit beschäftigt ihr auch dann?
Jeder von uns ist in verschiedenen Projekten engagiert. Mit dem Sänger von FATES WARNING habe ich eine Band namens ENGINE, die bisher zwei Alben bei Metal Blade herausgebracht hat. Trever und Scott haben ein Seitenprojekt mit dem Namen VIVA DEATH, das in diesen Tagen bei Vagrant ein Album veröffentlicht. Das Ganze klingt sehr britisch und geht so in die Richtung von KILLING JOKE. Trever ist darüber hinaus als Produzent tätig und hat erst kürzlich das Debütalbum von AUDIO KARATE produziert Außerdem greifen Scott und ich seinem Bruder Chris bei dessen Solo-Album unter die Arme. Chris war lange bei NO USE FOR A NAME und spielt jetzt bei den FOO FIGHTERS. Wenn wir also nicht mit FACE TO FACE unterwegs sind, hat jeder von uns andere Dinge, mit denen er beschäftigt ist und die es uns ermöglichen, musikalisch etwas andere Wege einzuschlagen. Vielleicht hätten wir ‘Ignorance Is Bliss’ auch als ein Seitenprojekt herausbringen sollen, aber hinterher ist man immer klüger.
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