Es gibt wohl kein größeres Risiko für Bands, als „experimentelle“ Platten zu machen, Alben abseits der normalen Hörgewohnheiten. COR gehen dieses Risiko erneut ein, wie einst schon 2007 bei „Prekariat“. Und so sind nominal zehn Stücke auf „Gott der Möglichkeiten“, aber nur fünf davon neue COR-Musik. Die andere Hälfte – abwechselnd platziert – sind von Friedemann eingesprochene Texte. Quasi so was wie vertonte Linernotes zu den Songs. Keine Gedichte, kein Rap, sondern Friedemanns Gedanken zur Zeit. „Es geht um die Hektik der Zeit, darum dass Geschwindigkeit und ewiges Wachstumsdenken die Welt zerstört und die Menschen krank macht. Es geht um Auswege aus diesem Dilemma, um Möglichkeiten, eine Alternative zur vorgegeben Taktung zu finden, und darum, persönliche Entscheidungen zu treffen und ein ‚Gott‘ der Möglichkeiten zu sein, das eigene Leben selbstbestimmt zu führen und für sich und seine Nächsten zu gestalten.“ Damit formulieren COR die Grundfragen, die sicher auch viele Menschen aus der Punk- und DIY-Szene umtreiben: Wie leben im Falschen? Wie korrekt bleiben, wie seine seelische Gesundheit bewahren, wie die Macht über sein Leben zurückgewinnen, wenn sich alles nur noch fremdbestimmt anfühlt? Klar, das kann schnell in Eso-Geschwurbel und yogaeske Kalendersprüche abdriften, aber COR wären nicht COR, wenn sie diesen Balanceakt nicht zu bewältigen wüssten – in „Reinkarnation“ spricht Friedemann genau das an. Musikalisch sind die fünf Songs ganz verschieden, erkennbar COR, aber eben auch alle anders. Man spürt den unbedingten Wunsch zur Weiterentwicklung, Stagnation zu überwinden, und man kann sich gut einlassen auf diesen Selbstversuch. COR tun hier das, was Punk schon immer (auch) wollte: Alles in Frage stellen, Bestehendes umwerfen, Neues aufbauen.
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