Studioalbum Nummer 30 von THE FALL und dennoch weiß man bei Mark E. Smith bis heute nicht immer, ob er das Musikerklischee des alten Grantlers aus Manchester zwischen Genie und Wahnsinn gut bedient, an Selbstüberschätzung leidet oder die Leute schlicht an der Nase herum führt.
Die sehr eng getaktete Frequenz der Veröffentlichungen der Alben von THE FALL muss kein Indiz dafür sein, dass hier ein Quell schier unendlicher Inspiration und Kreativität am Werk ist oder der Therapeut eher zur manischen Beschäftigung aufgerufen hat.
Mark E. Smith bezeichnelt das aktuelle Album wieder einmal als das Beste – gemeinsam mit „Hex Enducation Hour“ (1982) – wo doch das Vorgängeralbum „Ersatz GB“ nach seiner Einschätzung schlecht und ein Verrat an den Fans war.
„Re-Mit“ soll es nun wieder richten. Das gelingt aber nur in Bruchstücken. Der Opener „No respects“ klingt eigentlich nicht schlecht und wie eine Verneigung vor den BUZZCOCKS, „Sir William Wray“ – die Record Store Day-Single zum Album – ist wieder einer dieser „Nörgel und Nuschel“-Klassiker von Mark E.
Smith (Singen im engeren Sinne ist doch eigentlich nur etwas für Drop Outs ..) und „Kinder of spine“ klingt wie ein gekonnter Rip-Off von THE MONKS, auf die sich Smith sogar immer wieder mit Karlheinz Stockhausen einigen kann.
In „Noise“ hingegen lässt er wieder seiner Neigung zu trashigen Synthie-Sounds freien Lauf und klingt ein wenig wie eine versöhnliche Version von SUICIDE. Am Ende ist es aber immer THE FALL, das ewige Monster, von denen ihr größter Fan John Peel einmal sagte „They are always different, they are always the same“.
Was dem Album fehlt, ist ein durchschlagender Song wie „Paranoid“ von BLACK SABBATH, denn das war nach eigenem Angaben stets die Intension von Mark E. Smith: „I want my music to be as punchy and aggressive as BLACK SABBATH.
I don’t want it to be something simpering that sounds like Jarvis Cocker.“ So tritt er mitunter etwas auf der Stelle, verstrickt sich zu oft in seinem Argwohn gegen Gott und die Welt. Der NME hat ihn einmal zu einem der zwanzig größten „Cult Heros“ erkoren, er selbst lässt THE SWEET und Garry Glitter als Helden durchgehen.
Auch Helden fallen und stagnieren. David Bowie hat sich zehn Jahre Auszeit genommen und ist wie ein Phoenix aus der Asche auferstanden. Mark E. Smith würde das auch gut stehen. Nicht jeder seiner emotionalen Impulse verdient einen THE FALL-Song: „But every time I do an album it still feels like my first LP because I still have a great energy”.
Energie ist ein guter Impuls, musikalische Inspiration kann ein notwendiger Impuls sein. Der musikalische Minimalismus eines Mark E. Smith kann mitunter große Momente haben, aber ab und an zeigt er auch die – seine – musikalischen Grenzen drastisch auf.
Gertrude Stein, US-amerikanische Schriftstellerin, Verlegerin und Kunstsammlerin, prägte den vielzitierten Satz „Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose“ – und das gilt uneingeschränkt für THE FALL: THE FALL sind THE FALL sind THE FALL.
Und seit 1976 gilt das für Mark E. Smith, die blasse und stets stechende Rose in Sachen Post-Punk, die dagegen ankämpft, welk zu werden.
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