PRONG

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Lieder aus dem schwarzen Loch

Mit „Songs From The Black Hole“ haben PRONG ein ungewöhnliches Album aufgenommen, betitelt frei nach dem ADOLESCENTS-Klassiker „Kids of the Black Hole“: zehn Coversongs, von Neil Young mal abgesehen alle mit schwerer Punk/Hardcore/Goth-Schlagseite, und damit nah dran an den eigenen Wurzeln. Im Ox-Interview 1989 sah die New Yorker Band ihre Roots zwar in der Hardcore-Szene, doch seit ihrem Durchbruch Anfang der Neunziger wurde die Formation um Tommy Victor als Metal-Band wahrgenommen. Warum nun diese Platte, warum diese Lieder? Tommy gab die Antworten.

Tommy, mein heimlicher PRONG-Lieblingssong ist gar keiner, weil auch ein Cover: „Third from the sun“ von der gleichnamigen 12“ aus dem Jahre 1989 ist von CHROME.


Haha, vielleicht sind wir besser, wenn wir die Stücke anderer adaptieren. Aber das ist eine gute Coverversion, bis heute einer meiner Lieblingssongs, den wir immer noch live spielen. PRONG sind eine Band aus der Hardcore-Szene der New Yorker Lower Eastside, mit Verbindungen zur Noise-Szene. Ich stand damals aber auch auf Sachen wie KILLING JOKE oder eben CHROME, bei denen mir besonders der Gitarrenstil gefiel. Helios Creed war einfach sehr kreativ auf seinem Instrument, die Band ungewöhnlich, die hatten klasse Ideen. Ihr „Third From The Sun“-Album war damals eine meiner Lieblingsplatten, und ich steckte damit auch meine Bandkollegen an.

Eure Version ist sehr gelungen. Worin liegt das Geheimnis eines guten Coversongs?

Gute Frage ... gibt es überhaupt ein Geheimnis? Man muss den Song einfach lernen, und wenn man das Gefühl hat, er lässt Anpassungen an den eigenen Stil zu, dann sollte man das versuchen. Der Gesang muss passen, nah dran sein am Original, und wenn diese Basis steht, kann man vielleicht noch ein paar eigene Ideen ausprobieren.

Als Musikfan können einen Coversongs aber auch auf eine harte Probe stellen. Was ist der Trick, dass so was gelingt?

Also auch uns sind schon Coversongs missglückt. Der Trick ist, dass man irgendeine Verbindung zu dem Stück haben sollte, dass es dir irgendwas bedeutet. Andernfalls ist das reiner Selbstzweck. Deshalb haben wir für dieses Album auch nur Nummern aufgenommen, die wir wirklich machen wollten. Gut möglich, dass die Leute von uns lieber Cover von bekannteren Stücken hätten hören wollen, aber ich denke, die wären nicht so gut geworden. Die Identifikation mit den jeweiligen Stücken ist also wichtig, und zudem haben die alle was mit unserer Karriere zu tun.

Von den jeweiligen Bands habt ihr nicht unbedingt die „offensichtlichen“ Stücke ausgewählt. Warum also „Vision thing“ von SISTERS OF MERCY und nicht „Alice“ oder „Temple of love“?

„Vision thing“ war für mich einer von ihren größten Hits, aber ich hätte auch jeden anderen Song von ihnen covern können. Die hatten einfach großartige Songs – und sie sind einfach. Ich mag Rockmusik, die simpel und basic ist, das macht sie so gut. Ich finde das spannender als eine Million Noten und Virtuosität. „Vision thing“ hat letztlich unser Bassist Jason ausgesucht, er meinte, da würde ich den Gesang gut hinbekommen. Ich hatte so meine Zweifel, ob ich mit Andrew Eldritch mithalten kann, aber Jason meinte, darauf komme es nicht an, und so probierte ich es aus. Und es klappte! Letztlich war bei allen Stücken der Gesang das Entscheidende: bekomme ich das hin oder nicht? Und ja, wir wollten auch nicht die offensichtlichen Stücke covern, „Nervous breakdown“ oder „TV party“ etwa im Falle von BLACK FLAG.

„Don’t want to know if you are lonely“ von HÜSKER DÜ hat mich überrascht. Das dürfte der mit Abstand poppigste Song sein, den PRONG je aufgenommen haben.

Ich hoffe doch! Das war eine ziemliche Herausforderung. Der Song vereint zwei Gegensätze in sich: zum einen ist die Gitarre sehr brutal, zum anderen die Melodie sehr poppig. Ich mag Bob Moulds Gitarrenarbeit, aber die ist echt heavy und ich dachte, wir müssen aufpassen, sonst klingt der Song ganz anders. Ich versuchte es mit einem Dimebag Darrell-Ansatz, und es passte.

Lernt man auch sich selbst besser kennen, wenn man die Musik anderer nachspielt?

Auf jeden Fall! Es gibt ja Musiker, die sich sehr viel mit der Musik anderer beschäftigen, die THE WHO- und LED ZEPPELIN-Songs in- und auswendig kennen. So ein Typ war ich nie, ich habe erst recht spät Gitarrespielen gelernt. Nein, der Reiz dieser Coverplatte – Geld verdienen an so was ja nur andere – lag im Entdecken der Musik geschätzter Bands, und der Zufriedenheit, die sich einstellt, wenn man das Gefühl hat, einen Song gut hinbekommen zu haben.

Coversongs sind entweder nah dran am Original oder man macht was ganz anderes daraus. Aus „Kids of the Black Hole“ von ADOLESCENTS, einem ultrakurzen Smasher, habt ihr eine über fünfminütige, langsame, schwere Nummer gemacht.

Ja, das Original ist ein kurzer Punkrock-Song, und ich habe lange überlegt, was wir daraus machen könnten. Eine BLINK-182-ähnliche Nummer hätte auf der Hand gelegen, aber das wollte ich nicht. Ich wollte irgendwas mit chaotischen Gitarren, und der Gesang sollte viel Raum haben. Im Original wird der Text nur so runtergerattert.

Neun von den zehn Songs stehen irgendwie mit Punk in Verbindung – und dann kommt noch Neil Young.

Das Festlegen der Songs war ein gemeinschaftlicher Prozess, Jason und ich und ein paar Freunde machten Vorschläge und dann wurde eine Auswahl getroffen. Youngs „Cortez the killer“ tauchte in der Guitar Player-Hitliste der besten Gitarrensoli aller Zeiten auf Platz 11 auf, und da fühlte ich mich herausgefordert. Ich bin mit unserer Version ziemlich glücklich und echt stolz auf den Gitarrenpart. Es war echt eine harte Nuss, da den richtigen Ansatz zu finden. In gewisser Weise war es ähnlich wie bei der SISTERS OF MERCY-Nummer: ein recht simpler Drei-Akkorde-Song, aus dem Neil Young aber diese großartige Nummer gemacht hat.

Ihr kommt aus der New Yorker Hardcore-Szene der Achtziger, wurdet aber Anfang der Neunziger als Metal-Band bekannt und habt da die meisten Fans. Könnte eure Punk-lastige Songauswahl da nicht für Verwirrung sorgen?

Eine gute Frage, und genau darüber habe ich mir auch viele Gedanken gemacht. Wir hätten mit diesem Cover-Konzept so viele verschiedene Ansätze wählen können. Ich hörte damals aber viel Neil Young, Punk, Post-Punk und Goth – viel toller Hardcore kam Ende der Achtziger ja nicht aus New York. Das war eher simples Zeug, und viele Bands hatten dann Metal-Einflüsse, sobald sie etwas besser spielen konnten. Bei uns war das auch so, man entwickelt sich weiter und hat dann bessere Riffs drauf. Wir fingen an wie DISCHARGE und hatten einen NYHC-Einschlag, aber auch MOTÖRHEAD waren dabei. Dann hörten wir DARK ANGEL, METALLICA, CELTIC FROST, und aus all dem entstand unser eigener Sound. Ich hätte mich aber einfach nicht wohl gefühlt mit einer Coverplatte, auf der wir CELTIC FROST, DESTRUCTION oder KREATOR nachspielen, also jene Metal-Bands, die uns direkt beeinflussten. Vielleicht machen wir diese Platte noch und unsere Metalfans sind dann zufriedener.

Coverversionen sind heute die Ausnahme, jede Band spielt eigene Songs. In den Fünfzigern und Sechzigern war das anders, da gab es mit dem Brill Building in New York eine regelrechte Songwriting-Fabrik – und die Musiker und Sänger waren reine Interpreten, die die Lieder spielten, die ihnen Produzenten und Manager vorschrieben.

Ja, das ist eine Tatsache, die vielen Menschen gar nicht bewusst ist. Ich habe ja noch so ein Projekt zusammen mit Glenn Danzig, wir covern Elvis-Songs, und in dem Zusammenhang fiel mir immer wieder auf, dass der ja eigentlich nichts selbst geschrieben hat, also nur ganz wenige Songs oder Teile davon. Die ganzen Hits sind alle von anderen! In gewisser Weise finde ich Arbeitsteilung gut, also dass es Songwriter, Produzenten, Toningenieure und so weiter gibt. Ich habe manchmal schon das Gefühl, zu viel zu machen – ich bin doch eigentlich nur Gitarrist und Sänger. Okay, ich habe die Kontrolle, wenn ich alles selbst mache, aber darauf lege ich eigentlich keinen Wert.

Werdet ihr ihr die Songs jetzt auch live spielen?

Ja, die spielen wir alle! Wir proben sie gerade, das sind viele neue Texte, die ich mir da merken muss ...

 


Die Songs des Albums

1) „Doomsday“ (DISCHARGE)

2) „Vision thing“ (SISTERS OF MERCY)

3) „Goofy’s concern“ (BUTTHOLE SURFERS)

4) „Kids of the Black Hole“ (ADOLESCENTS)

5) „The bars“ (BLACK FLAG)

6) „Seeing red“ (KILLING JOKE)

7) „Don’t want to know if you are lonely“ (HÜSKER DÜ)

8) „Give me the cure“ (FUGAZI)

9) „Banned in D.C.“ (BAD BRAINS)

10) „Cortez the killer“ (Neil Young)