PENNYWISE waren jahrelang eine feste Institution bei Epitaph, die standhaft dem kalifornischen Label die Treue gehalten hat, während andere Bands reihenweise bei größeren Plattenfirmen unterschrieben. Die Welt der Majorlabels war nicht ihre. Nicht nur, dass man seine eigenen Ideale nicht verkaufen wollte, auch mit anderen, weniger prinzipientreuen Bands ist man stets hart in die Kritik gegangen. Denn PENNYWISE standen seit ihren Anfängen auch für das politische Gewissen der kalifornischen Skater und Surfer, später dann der ganzen USA, als Bands wie NOFX noch Politik als etwas vermittelten, das nur anderen zustößt. Fat Mike und Kollegen haben mittlerweile ihre politische Verantwortung entdeckt - und PENNYWISE lassen ihr neues Album von Rupert Murdoch vertreiben. Wie ist es dazu gekommen? Bassist Randy Bradbury stand hierzu Rede und Antwort.
"Reason To Believe", das mittlerweile neunte Album der Band, ist das Erste, das nicht mehr über Epitaph erscheint, sondern auf MySpace Records. Wie kam es überhaupt zum Wechsel? Dieser sei eine Folge der sinkenden Verkaufszahlen, holt Randy aus. Angesichts der immer größeren Verbreitung von Download-Plattformen im Internet, habe die Band überlegt, sich den Zeiten anzupassen. Da die neuen Songs eher früher als später sowieso im Internet zu finden gewesen wären, kamen PENNYWISE zu dem Schluss mitzumachen, statt gegen Windmühlen anzukämpfen. Konkret wollte der Vierer den Nachfolger zu "The Fuse" neben einer herkömmlichen CD auch online als kostenlosen Download zur Verfügung stellen, damit sich ihre Fans, von denen sich viele das Album so oder so im Internet besorgen würden, dabei wenigstens nicht strafbar machen. PENNYWISE wären damit nicht die Ersten gewesen, die einen solchen Veröffentlichungsweg gegangen sind. Jüngst hat etwa Trent Reznor schon das zweite NINE INCH NAILS-Werk kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auch andere Bands sind dieser Idee gefolgt, auf geringer werdende Einnahmen aus Plattenverkäufen dann gänzlich zu verzichten, den Zuhörern selbst das Material umsonst anzubieten, auch als eine Art Dank für jahrelange Unterstützung, und sich auf Konzerte und Merchandise als Einnahmequelle zu beschränken.
Dies sei allerdings mit Epitaph nicht machbar gewesen, so Randy. Der Gegenvorschlag lautete, eine kostenpflichtige Download-Möglichkeit anzubieten, die unter Ladenverkaufspreis gewesen wäre. Im Gegenzug hätte die Band aber die Aufnahmen für das Album aus eigener Tasche finanzieren müssen. War es nun dieser zweite Punkt, der ausschlaggebend war, oder der Wunsch der Band, ihren Fans eine legale Möglichkeit zu geben, die neuen Songs kostenfrei herunter zu laden, wie Randy versichert, man lehnte jedenfalls das Angebot ab. Die einzig mögliche Konsequenz war somit, sich nach einer anderen Vertriebsmöglichkeit umzuschauen. Da man vertraglich allerdings noch an Epitaph gebunden war, ergab sich eine Aufteilung nach Kontinenten für den Vertrieb der CDs. Außerdem sei man nach all den Jahren dem alten Label immer noch freundschaftlich verbunden, fügt Randy hinzu. Während also Epitaph Europe für den Vertrieb diesseits des Atlantiks verantwortlich ist, kümmert sich Myspace Records in den USA um die Veröffentlichung und ist Geldgeber der Band.
Und wie kam es zu dem Deal mit Myspace Records? Dieser habe sich eher zufällig ergeben. Während Band und Management am Überlegen waren, mit wem man künftig zusammenarbeiten würde, sei Gitarrist Fletcher Dragge vom Chef dieser Tochterfirma des Networking-Portals MySpace angesprochen worden. Das neu geschaffene Musiklabel sei interessiert an einer Zusammenarbeit mit der Band. Nachdem Fletcher ihm das Veröffentlichungskonzept erklärt hatte, rechnete er mit einer Absage. Stattdessen zeigte man sich sehr angetan von der Idee bei MySpace. Randy ist es wichtig zu betonen, dass das Angebot auch geringere Einnahmen für die Band bedeutete als das, was Epitaph ihnen gezahlt hätten. Fast scheint es, er würde die Frage nach dem Sellout ahnen. Deshalb erklärt er das Zustandekommen ganz genau. Man habe auf Einnahmen aus dem Verkauf der physischen Tonträger, sprich CDs, zu großen Teilen verzichtet und kassiere weniger als zuvor. Im Gegenzug würde MySpace über das eigene Portal das Album zum kostenfreien Download anbieten, zwei Wochen lang. Die Fans müssten vorher lediglich Textango zu ihrer Freundesliste hinzufügen, einer Firma, die sich bereit erklärte, sämtliche Kosten für die Aufnahmen zu übernehmen. Textango ist ein Anbieter von Handyklingeltönen, in etwa Jamba auf amerikanisch. Nur dass es hier die "Bro Hymn" statt brüllender Kühe gibt, Underground-HipHop statt ulkiger Stofftierballaden.
Das klingt soweit ganz nach altruistischem Verzicht auf mehr Geld und Realisierung der hehren Bandpläne. Und doch kommt sie, die Frage, ob das nicht Sellout sei. Schließlich ist MySpace ein Unternehmen, das auf wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet ist. Randy versucht zu beschwichtigen. MySpace Records sehe sich selbst als ein kleines, von wenigen Personen geführtes Label, bei dem jeder jeden kennt und alle befreundet sind. Daher betrachte er es nicht als Majorlabel. Auf den Hinweis, dass es zu einem großen Medienunternehmen gehöre, von einem anderen Majorlabel (Interscope) vertrieben würde, rein wirtschaftlich ausgelegt sei und somit sämtliche Merkmale eines Majorlabels habe, räumt er ein: So gesehen, wäre man jetzt wohl bei einem Majorlabel, aber verkauft hätte man sich nicht, da es ja weniger Geld gebe.
Randy Bradbury ist ein sehr netter Gesprächspartner, dem man anmerkt, dass es ihm Spaß macht, sich über seine Musik zu unterhalten, weil die Musik ihm so viel Spaß macht. Konfrontiert mit einer Aussage von Fletcher, RISE AGAINST hätten sich seinerzeit verkauft, als sie bei einem Major unterschrieben haben, denn es gehe nicht darum, ob man weniger oder mehr verdiene, man sei einfach nicht mehr Punk, wenn man für ein großes Unternehmen arbeite, stutzt Randy zunächst. Natürlich ist das nicht ganz fair. Schließlich sind das nicht seine eigenen Worte, und Mr. Dragge ist ja bekannt dafür, gerne mal auszuteilen. So merkt man, dass er nicht genau weiß, was er darauf antworten soll. Eigentlich bleibt ihm nicht anderes, als einzuräumen, dass nach eigenen Kriterien PENNYWISE sich dann wohl verkauft hätten. Aber eben nur, um ihren Anhängern etwas Gutes zu tun.
Gut, belassen wir es dabei und wenden uns noch ungemütlicheren Fragen zu. Die neue Heimat der Band ist nicht ganz unproblematisch. Wie schon gesagt, ist das Label eine einhundertprozentige Tochterfirma von MySpace. Das Onlineportal selbst wurde 2006 von Fox Interactive Media für rund 330 Millionen Dollar gekauft. Dieses Unternehmen wiederum ist zu einhundert Prozent eine Tochterfirma der News Corporation, zu der unter anderem auch die 20th Century Fox Filmstudios und der konservative Sender Fox Channel gehören. Richtig problematisch wird das Ganze erst durch den Mann, der hinter der News Corporation steht, Rupert Murdoch.
Murdoch gilt als einer der größten und mächtigsten Medienmogule der Welt. Es gibt keinen Kontinent, auf dem er nicht an den einflussreichsten Medien der einzelnen Länder irgendwie beteiligt ist. Gegen sein Medienunternehmen sieht jemand wie Axel Springer hierzulande wie ein unerfahrener Schuljunge aus, sowohl was den Einfluss auf die Medienlandschaft als auch die Beeinflussung von Millionen von Menschen angeht. Aber Murdoch ist nicht einfach nur ein einflussreicher, konservativer Medienunternehmer. Er bezeichnet sich selbst auch als guten Freund des amtierenden US-Präsidenten George W. Bush und macht keinen Hehl daraus, dass er sehr viel Sympathie für die Republikanische Partei hat und sie finanziell unterstützt.
Gefragt nach dem neuen Inhaber ihres Plattenlabels, beeilt sich der Bassist klarzustellen, dass man natürlich weder die politische Richtung, noch die Machenschaften von Herrn Murdoch unterstützt. Trage man aber nicht zu seinem Vermögen irgendwo mit bei, wenn man für eine seiner Firmen arbeite, möchte ich wissen. Randy scheint diese Frage nicht zum ersten Mal gehört zu haben. Vermutlich hat er sie sich selbst schon gestellt. Man nutze die Mittel, die Menschen wie Rupert Murdoch zur Verfügung stellen, um gegen das anzugehen, wofür sie stehen und was sie unterstützen, lautet seine Antwort. Es ist unnötig, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass das neue Album natürlich, wie bislang auch, sehr kritisch mit der amerikanischen Mainstream-Gesellschaft ins Gericht geht und auch vor der Politik nicht halt macht.
Dennoch rudert Mr. Bradbury wieder zurück, nachdem er eben die Situation seiner Band mit Al Gore verglichen habe. Dieser fliege schließlich auch um die Welt, um die Umwelt zu retten, und verbrauche dabei Kerosin, das erstens der Umwelt schadet und zweitens den Ölmultis Geld einbringt. Nein, ganz so ist es dann mit PENNYWISE doch nicht. Auch die Ausführung, wenn man konsequent wäre, müsse man gänzlich auf Internet, Telefon, Verkehrsmittel und irgendwo produzierte Nahrung verzichten, denn all diese Firmen hätten genauso ihre dunklen Geheimnisse, ist in einer globalen Welt nicht mehr realistisch. Aber ganz Unrecht hat er damit nicht. Auch der Autor dieser Zeilen hat ein Profil bei MySpace, ebenso das Ox, aber auch Greenpeace, PETA und andere Organisationen. Irgendwo tragen wir alle zu Rupert Murdochs Reichtum und Machenschaften bei, obwohl niemand von uns im Verdacht steht, auch nur Sympathie für ihn zu empfinden. Wie war das noch mal mit dem ersten Stein?
Trotzdem will das maue Gefühl nicht ganz verschwinden, dass es irgendwie nicht richtig ist, dass PENNYWISE bei eben diesem Label gelandet sind. Vielleicht am meisten deshalb, weil sie früher mit am lautesten gegen all das waren. Auch Randy weiß da nichts mehr zu sagen, als dass die Fans für die Band im Vordergrund standen und die Möglichkeit, ihnen das Album kostenlos anzubieten.
Es wird deutlich, dass diese Gedanken und Fragen die ganze Band selbst beschäftigt haben, und man sich irgendwo darauf geeinigt hat, sich für das kleinere Übel entschieden zu haben. Zum Schluss noch die Frage, was abgesehen vom Label, diesmal anders sei gegenüber früheren Platten. Das Artwork, sagt Randy und lacht.
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