Sie sind wieder da: PANSY DIVISION. Dabei waren sie eigentlich nie wirklich weg. „Ach, die gibt’s noch?“, war allerdings der allgemeine Tenor vieler meiner alten Pop-Punk-Weggefährten, als ich sie auf das neue Album „That’s So Gay“ aufmerksam machte. Ja, es gibt sie noch! Und neben Jon Ginoli (Gesang, Gitarre), Chris Freeman (Bass) und Luis Illades (Drums), hat es mit Joel Reader (MR. T EXPERIENCE) mittlerweile sogar einen waschechten Hetero ins Line-up der bereits 1991 gegründeten Queercore-Pioniere verschlagen. Was der Qualität der Band aber natürlich keinen Abbruch tut, denn auf der neuen Platte liefert das Quartett dem Hörer wieder seine unvergleichliche Mischung aus fluffigem Powerpop-Pop-Punk, smartem Humor und provokanten Homo-Lyrics. Und zusätzlich kommen dieser Tage auch noch eine DVD mit der Bandhistorie und ein Buch von Frontmann Jon Ginoli heraus. Mal abgesehen davon, dass PANSY DIVISION schon immer eine Band war, die viel zu sagen hatte, waren das also gleich drei konkrete Gründe, um Jon ein paar Fragen zu stellen.
Jon, nach einer etwas längeren Pause starten PANSY DIVISION nun mit gleich drei neuen Veröffentlichungen voll durch. Gab es da einen Masterplan, oder ist es Zufall, dass jetzt alles gleichzeitig erscheint?
Es war keine großartig durchdachte Idee, alle Sachen zu einem genau bestimmten Zeitpunkt rauszubringen. Als wir aber bemerkten, dass die Veröffentlichungstermine ohnehin relativ nah beieinander liegen würden, haben wir uns entschlossen alles tatsächlich annähernd zeitgleich rauszubringen. Natürlich mit dem Hintergedanken, damit auf einen Schlag einen ordentlichen Aufmerksamkeitsschub zu bekommen, anstatt mehrere Male im Jahr die Beachtung der Leute gewinnen zu müssen.
Vorher war es verdächtig ruhig um die Band, stand in den letzten Jahren mal die Überlegung im Raum, PANSY DIVISION aufzulösen?
In den letzten zehn Jahren habe ich mich tatsächlich manchmal gefragt, ob wir weitermachen werden, weil die Bandaktivitäten teilweise komplett zum Erliegen gekommen waren. Aber immer wenn das Thema akut wird, wird auch immer wieder klar, dass wir alle weitermachen wollen. Solche Überlegungen treten auch nicht auf, weil es in der Band irgendwelche Spannungen gibt, sondern vor allen Dingen aufgrund von Verpflichtungen durch Jobs, Ausbildungen und so weiter.
Auf welcher wirtschaftlichen Basis betreibt ihr die Band denn heute?
Ich erledige alles Geschäftliche rund um die Band. In der zweiten Hälfte der Neunziger konnten wir für etwa fünf Jahre auch tatsächlich von unserer Musik leben, aber in den letzten zehn Jahren haben wir dann alle wieder reguläre Jobs angefangen. Die Band betreiben wir seitdem nebenbei, wann immer es uns möglich ist.
Euer neues Album und die DVD finde ich großartig, aber leider hatte ich vor dem Interview nicht mehr die Möglichkeit, dein Buch zu lesen. Kannst du kurz erzählen, worum es darin geht?
Wir sind wirklich stolz auf die Sachen und ich bin froh, dass du sie magst. Das Buch ist im Grunde genommen eine noch detailliertere Geschichte der Band. Es geht dabei zwar um die Band als solche, aber es ist natürlich auch meine Geschichte, aus meinem Blickwinkel gesehen. Ich habe mittlerweile wirklich umwerfendes Feedback auf das Buch bekommen, sowohl von Fans der ersten Stunde als auch von Leuten, die sich vorher gar nicht besonders für die Band interessierten.
Album und DVD erscheinen wieder auf Jello Biafras alteingesessenem Punklabel Alternative Tentacles. Auch musikalisch gesehen würde ich PANSY DIVISION immer noch als klassische Pop-Punk-Band einordnen. Fühlst du dich der derzeitigen Punk-Kultur noch verbunden?
Oh, ich mag schon einige aktuelle Sachen, aber nicht allzu viele. Ich bevorzuge eher die Ära des Seventies-Punk und durchaus auch Kram aus den Achtzigern. Heute Abend schaue ich mir hier in San Franciso übrigens noch LIMP WRIST und HUNX & HIS PUNX an.
Da erwähnst du ja schon zwei offen schwule Band der derzeitigen Punkszene. Stört es dich eigentlich wenn man PANSY DIVISION von vornherein auf das Image der „Queercore-Pioniere“ reduziert?
Das stört mich überhaupt nicht. Es ist ein allgemeiner Bezugsrahmen, der bei uns genau passt.
Mir fallen in dem Zusammenhang spontan noch die ganzen schwulen Hardcore-Coverbands ein, BLACK FAG, GAYRILLA BISCUITS oder YOUTH OF TOGAY, kennst du die? Und wie bewertest du in dem Zusammenhang aktuelle christliche Hardcore-Bands, die homophobe Meinungen vertreten?
Die Coverbands sind herrlich, ich bin sehr amüsiert. Christlicher Hardcore? Da muss ich gähnen ...
In dem Zusammenhang wollte ich immer schon mal wissen, was du gedacht hast, als TURBONEGRO Ende der Neunziger mit ihrem gefakten Homo-Image auftauchten?
TURBONEGRO nehme ich nicht allzu ernst, ich finde die sehr lustig. Ein Freund von uns war sogar mal deren Tourmanager auf einer ihrer ersten US-Touren. Er hat ihnen damals sogar angeboten, sich doch mal mit uns zu treffen. Laut seiner Aussage wären sie da aber ganz kleinlaut geworden, sie hatten wohl ernsthaft Angst davor.
TURBONEGRO-Frontmann Hank hat sich vor geraumer Zeit ja ohnehin durch ein übles Statement zur Homo-Ehe selbst disqualifiziert. Ende 2008 wurde die gleichgeschlechtliche Ehe allerdings auch in Kalifornien verboten. Wie stellt sich die allgemeine Situation für Homosexuelle in den USA denn mittlerweile im Jahr 2009 dar?
Wir sind hier immer noch Bürger zweiter Klasse, aber die Dinge verbessern sich Schritt für Schritt. Bei jeder Bürgerrechtsbewegung gibt es immer mal wieder Rückschläge und Gegenreaktionen, aber ich denke, dass wir uns durchsetzen werden, was gleichgeschlechtliche Ehe und volle Rechte für homosexuelle Bürger angeht. Die Zeit arbeitet für uns, denn die jüngeren Menschen hierzulande sind im Gegensatz zu den älteren eher bereit, auch für schwule Thematiken einzutreten.
Obwohl PANSY DIVISION als Band durch wirklich harte Zeiten gegangen sind, seid ihr nach wie vor eine der humorvollsten Bands, die ich kenne. Wie würdest du deinen Humor beschreiben, der durch deine Texte ja ein so wichtiger Teil der Band ist?
Ernsthaft und albern zugleich. Mein Humor nährt sich oft von meiner Wut. Allerdings habe ich an einem bestimmten Punkt in meinem Leben festgestellt, dass es besser ist, die Wut durch einen Witz oder beißenden Spott rauszulassen, als mit unsinnigen Hasstiraden.
Bei euren Texten frage ich mich oft, ob die Geschichten auf wahren Begebenheiten beruhen, zum Beispiel beim neuen Song „It’s just a job“, in dem es um Callboys geht.
Der Song handelt teilweise von jemandem, den Chris kennt, also ist es tatsächlich eine Geschichte, die wirklich passiert ist. Allerdings keine, die jemand aus der Band selbst erlebt hat. Viele unserer Songs basieren auf wahren Geschichten, allerdings sind sie eher als eine Mischung vieler verschiedener Erlebnisse zu verstehen, die uns mit der Zeit zu Ohren gekommen sind.
Der neue Song „Pat me on the ass“ würde mit seinem sportlichen Inhalt ja sogar als Hymne für den amerikanischen Superbowl taugen, oder was meinst du?
Ich wünschte das würde passieren, das wäre großartig!
Wann kommt ihr mit PANSY DIVISION denn mal wieder in Deutschland auf Tour?
Ich bezweifle leider, dass wir noch mal in Europa touren können. Wir haben 2004 versucht, eine Tour auf die Beine zu stellen, aber das hat nicht geklappt. Es ist mit den Jahren immer teurer geworden, so etwas durchzuziehen, aber da unser Bekanntheitsgrad leider nachgelassen hat, lässt sich das Risiko irgendwie nicht in Einklang damit bringen. Ich würde gerne noch mal nach Europa kommen, aber im Moment ist das eher unrealistisch.
Und wie lange wollt ihr generell noch mit PANSY DIVISION weitermachen?
So lange wie möglich! Erst wenn es keinen Spaß mehr macht, hören wir auf. Wir verstehen uns bandintern immer noch prima, von daher glaube ich, dass noch ein gutes Stück Weg vor uns liegt.
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