OHL

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Punks on TV

Keine Frage: OHL sind umstritten. Die einen lieben sie. Die anderen hassen sie. Linke mögen ihren Hang zur Kriegs- und Militärsymbolik nicht. Rechte, die ohnehin mit nichts klarkommen, kommen mit der darin eigentlich enthaltenen Absage an jedwede Form von Extremismus und Faschismus erst recht nicht klar. Trotzdem haben OHL 34 Jahre lang bis heute überlebt. Und sie legen mit dem wieder einmal recht martialisch betitelten „Freier Wille“ das nächste Studioalbum vor. Kurz vor der Veröffentlichung sprach das Ox mit Frontmann Deutscher W über Islam-Phobie, Punk-Sänger mit Fernsehjobs und die oft beschworene „Grauzone“ politischer und musikalischer Art.

Mit dem neuen Album ätzt und kritisiert ihr mal wieder richtig schön und malt den Teufel – zumeist in Gestalt von religiösem Fanatismus – an die Wand. Wann haben OHL zum letzten Mal ein Lied über das Schöne im Leben gesungen?


Das kann ich dir sogar ganz genau sagen: 1986 hatten wir einen Ausflug in das, wenn auch nicht unbedingt schöne, so aber doch sehr unpolitische Leben – auf dem Album „Jenseits von Gut und Böse“. Aber ansonsten sehe ich OHL nun einmal nicht gerade als Minnesänger, die dem Schönen huldigen.

Wenn man sich die Texte von „Freier Wille“ sowie der vorangegangenen Alben anschaut, könnte man sogar denken, dass du eine ausgewachsene Islamisten-Phobie entwickelt hast.

Während des Studiums habe ich mal gelernt, dass die Definition von Phobie „krankhafte Angst“ lautet. Ich habe aber keine krankhafte Angst und bin, ehrlich gesagt, weit davon entfernt, überhaupt vor etwas Angst zu haben ... außer davor, irgendwann vielleicht mal Texte über das Saufen zu schreiben und diese dann auch noch zu leben. Ich sehe im Islamismus ganz einfach die Pest des 21. Jahrhunderts. Und krankhaft realitätsfern ist eher derjenige, der dies nicht erkennt. Die vom Islamismus ausgehende Gefahr ist schließlich Realität. Und der muss man sich stellen. Angst ist da eher fehl am Platze. In unserem neuen Stück „Partisanen“ heißt es daher ja auch: „Ihr nennt uns radikal, weil wir uns nicht verstellen / Wir sind ohne Angst, weil wir unsere Feinde kennen“.

Wie würdest du reagieren, wenn du auf der Straße sehen würdest, dass – so wie kürzlich unter anderem in Köln geschehen – Salafisten Koran-Ausgaben an Passanten verteilen: Würdest du hingehen und diskutieren, hingehen und dazwischenhauen – oder nach Hause gehen und einen Song drüber schreiben?

Ich würde nichts von alldem tun. Ich habe mir im vergangenen Jahr sogar selber eine Ausgabe geben lassen. Ich weiß zwar nicht genau, ob es Salafisten waren, die damals den Koran verteilt haben, aber das an sich halte ich für absolut in Ordnung. Ganz ehrlich: Das ist ein Akt der Meinungs- und Religionsfreiheit, die eine Demokratie ja wohl problemlos aushalten kann. Zumal der Koran selbst ja auch nicht das Problem ist, genauso wenig wie es im Mittelalter die Bibel war. Die radikale Auslegung und wissentliche oder unwissentliche Fehlinterpretationen sind das Problem. Und natürlich diejenigen, die ihren kranken Jihad oder Kreuzzug führen.

Das hört sich für OHL-Verhältnisse jetzt geradezu zahm an.

Es ist aber so. Das Verteilen einer Religionsschrift halte ich für absolut legitim, auch wenn der Koran an sich Passagen enthält, die in einer zivilisierten Welt absolut nichts zu suchen haben. Ich habe nichts gegen Moslems, Hindus, Juden oder Christen. Jeder kann von mir aus glauben, was er will, und dies auch gerne durch das Tragen einer Burka, durch Kreuze in Schulen und so weiter zeigen. Aber: Religion hat immer hinter den Menschenrechten und einer demokratischen Gesetzgebung zu stehen. Immer!

Apropos: Auf „Freier Wille“ richtet sich eure Abneigung auch gegen die katholische Kirche. Und die steht derzeit ja so extrem wie selten zuvor in der öffentlichen Kritik wegen ihres zweifelhaften Umgangs mit den von dir angesprochenen Menschenrechten. Siehe die Fälle von Missbrauch oder die Abweisung einer vergewaltigten Frau am Eingang einer katholischen Klinik in Köln. Kommt das Album also gerade zur rechten Zeit?

Na ja, wir haben ja schon immer gegen die Kirche geschossen, nicht erst jetzt mit „Freier Wille“. Wobei die Kirche als Institution mittlerweile ein fast schon zu schwacher Gegner ist. Einer, der ja eh schon von allen Seiten attackiert wird. Daher ist sie schon längst nicht mehr mein Feindbild Nummer eins. Mittlerweile haben wohl auch die frommsten und dümmsten Leute erkannt, dass sich die Kirche selbst ins Aus katapultiert.

Offiziell firmieren OHL unter dem Genre „Deutschpunk“. Eure Musik ist aber meines Erachtens so ganz anders als die Musik der „typischen“ Deutschpunk-Bands. Weder SLIME noch andere arbeiten mit derart martialischen Anspielungen wie ihr, kaum eine andere Band des Genres klingt so brachial und baut so viele Hardcore- und Metal-Elemente in ihre Musik ein. Wo würdest du selbst OHL verorten?

Das nehme ich mal als Kompliment. Aber ich weiß es nicht, und ich muss auch in kein Genre passen. Klar würde das dann vieles einfacher machen, der kommerzielle Erfolg wäre mit Sicherheit größer. Aber auch das interessiert mich nicht – sorry an Chris von unserem Label Sunny Bastards. Wir sind einfach OHL, das ist alles, was zählt.

In den Booklets eurer Alben findet sich stets der Hinweis, dass OHL „gegen jede Form von Extremismus“ sind. Ist das mittlerweile einfach nur noch obligatorisch, weil viele so was machen? Oder habt ihr als eine seit jeher sowohl von rechts als auch von links angefeindete Band tatsächlich immer noch die aufrichtige Sorge, ungewollt in eine Ecke gedrängt zu werden?

Ich habe, ehrlich gesagt, keine Ahnung, wer das noch so macht und wer noch sich auf seinen Platten so äußert. Wir machen das jetzt jedenfalls seit etwa zwanzig Jahren. Ich denke, wir erklären uns seit 33 Jahren selbst durch unsere Texte, Konzerte und Interviews und könnten deshalb auch locker darauf verzichten. Aber dennoch halte ich es für wichtig, immer klar Stellung zu beziehen. Und daher haben wir auch auf „Freier Wille“ wieder dieses Statement abgedruckt.

Fakt ist: Wegen zahlreicher Anspielungen auf das Thema Krieg in euren Texten und eurer Band-Ikonographie wurdet ihr schon immer gerne in Schubladen gesteckt, die wenig schmeichelhaft sind.

Das bereits erwähnte Stück „Partisanen“ zeigt doch noch mal recht deutlich, was wir von solchen Schubladendenkern halten: „Ihr nennt uns radikal, weil wir wissen, wo wir stehen / Wir brauchen euch nicht, um unseren eigenen Weg zu gehen / Nennt uns, wie ihr wollt, wir wissen, wer wir sind / Wir sind die Wahrheit, die in euren Ohren klingt.“ Das sagt alles. Und ansonsten gilt für mich auch schon seit jeher das Motto: Viel Feind, viel Ehr. Oder wie es einer meiner Jungs mal so schön auf den Punkt brachte: „Was stört es eine Eiche, wenn eine Sau sich an ihr reibt.“

Trotzdem: Derzeit wird landauf, landab über die so genannten „Grauzonen“-Bands geredet, die nach Meinung vieler – siehe etwa das Internetportal „Oire Szene“ – politisch nicht klar gegen rechts einzuordnen sind. Denkst du nicht, dass du selber durch deine offen gelebte Vorliebe für die Musikrichtung „Neue Deutsche Härte“ mit deiner zweiten Band PROJEKT MENSCH sowie durch das fast obligatorische Spiel von OHL mit Bildern, Texten und Begriffen, die auch von rechts genutzt werden, Öl ins Feuer gießt und viel Angriffsfläche für diese „Grauzonen“-Beschwörer bietest?

Also, wenn es eine Band gibt, die klar und deutlich Stellung bezieht, dann doch wohl OHL. Deutlicher als wir kann man doch wohl kaum sagen, was man von rechter Scheiße und anderem braunem Dreck hält. Wir haben im Laufe der Jahre nicht nur unzählige Anti-Nazi-Stücke wie „Belsen ein KZ“ veröffentlicht, das wir auch immer noch live bringen, sondern auch eine Menge Anti-Deutschland-Stücke geschrieben, die mit dieser ganzen Deutschtümelei aufräumen. Hier gehört auch „Deutschland nicht über alles“ zu denen, die live zu jeder OHL-Schlacht gehören. Man kann uns also wohl kaum ernsthaft als rechtslastig, patriotisch oder was auch immer bezeichnen. Und was „Oire Szene“ angeht: Das ist mit das Dümmste und Lächerlichste, was es auf dem Markt der angeblichen „Political Correctness“ gibt.

Auch über dein Pseudonym „Deutscher W.“ kursieren ja einige Gerüchte. Vielleicht klärst du uns diesbezüglich mal auf, zumal du ja behauptest, nicht sonderlich patriotisch zu sein – da wirkt ein „deutsch“ im Namen schon etwas verwirrend.

„Deutscher W.“ beruht nicht nur auf den Initialen meines Namens, „DW“, es steht auch für „Deutscher Widerstand“ – also die Bewegung, die sich im Dritten Reich gegen die Nazidiktatur stellte und so all meine Ideale repräsentiert: Freiheit, und den Mut, für seine Überzeugung und die Wahrheit einzustehen. Die Namen Geschwister Scholl und „Die weiße Rose“ dürften vielen noch etwas sagen – all das nannte man ja den „Deutschen Widerstand“.

Du bist seit 33 Jahren in der Punk-Szene aktiv. Wie hoch schätzt du derzeit die Gefahr ein, die von Bands wie FREI.WILD ausgeht?

Es sind jetzt sogar schon 34 Jahre. Wobei ich der „Szene“ schon recht früh sehr skeptisch gegenüberstand. Ich habe mich ihr nie untergeordnet. Ich habe mich nie von ihr bestimmen lassen, sondern immer versucht, selber zu bestimmen. Und was diese Bands angeht: Das ist nicht wirklich meine Welt und nicht das, was mich beschäftigt. Ich habe halt eine komplett andere Auffassung – angefangen von der Musik über den Lebensstil bis hin zu den Texten. Ob von FREI.WILD eine Gefahr ausgeht? Ich kann es nicht beurteilen. Es kommt immer drauf an, auf welchen Boden die Saat fällt. Allerdings gibt es mit Sicherheit gefährlichere Gruppen.

Du bist beruflich beim Fernsehen tätig – und spielst dort bei einem privaten Sender in der Serie „Die Schulermittler“ den Sozialarbeiter Dirk Wolf. Ich frage mal ähnlich wie DIE ÄRZTE: Ist das noch Punkrock?

Ich kannte die Sendung vorher auch nicht wirklich. Aber ganz im Ernst: Es gibt durchaus Parallelen zu OHL. Denn da finden sich Inhalte aus unseren Songs wieder, etwa wenn es gegen Nazis, Drogen, Gewalt, falsche Schönheitsideale, Mobbing oder um Wahrheit und Gerechtigkeit geht. „Die Schulermittler“ ist genau auf die Zielgruppe ausgerichtet. Das ist eine moralisch saubere, klar aufgebaute Sendung, die den Teenies den richtigen Weg weist – und zwar in ihrer Sprache und über ihr Medium. Keiner von denen würde doch eine Reportage auf Arte über Neonazis einschalten. Aber wenn wir aufklären, wie krank und dumm das rechte Pack ist, ist die Wirkung garantiert nachhaltiger. Auch wenn das Format so „schlicht“ aufgebaut ist: genau das macht es dann gerade aus.

Wie viele Leute sehen jedes Mal zu, wenn du „ermittelst“?

Jede Folge erreicht bis zu zwei Millionen Zuschauer. Und da haben wir es wieder: Wenn davon nur ein Prozent der Jugendlichen begreift, was gut und was böse ist, dann ist so ein Nachmittags-Trash wirkungsvoller als jegliche staatliche Bildungskampagne.

Du hast es schon angedeutet: Als „Schulermittler“ bekommst du zwangsläufig auch etwas von dem mit, was heute so in den Köpfen der Jugendlichen vorgeht. Worin liegen die krassesten Unterschiede im Vergleich zu deiner Jugendzeit?

Das Format ist zwar „gescripted“, also fiktional mit realem Hintergrund. Aber die Darsteller sind ja tatsächlich oft Schüler. Und wirklich komplett heftig ist bei denen das Thema Mobbing. Früher musste dein Gegner sich dir schon zu erkennen geben, in der Schule oder wo auch immer – und zu Hause war Ruhe. Heute kann dich jeder kleine, feige Pisser anonym bedrohen und auch in deinem Zimmer geht das Mobbing dann via Facebook weiter. Wenn du da seelisch nicht sonderlich stabil bist, wird es hart. Ansonsten war es früher nicht besser oder schlechter als heute: Kids wollen eben schocken und anders sein als ihre Eltern – zumindest die einen. Die anderen passen sich an und versuchen, im Mainstream mit R&B und ähnlichem Mist ihren Spaß zu haben. Was mir dabei allerdings auffällt: Bildung, Intelligenz, Charakter oder auch einfach mal komplett Gegen-den-Strom-Schwimmen, ohne bekifft zu sein oder Pillen zu werfen, ist doch eher eine Seltenheit.

Wissen deine TV-Kollegen von deinen Bands, von OHL, DER FLUCH und PROJEKT MENSCH?

Na klar! Und die haben damit auch keine Probleme.

Du hast einen Job in den Medien, worum dich viele junge Menschen beneiden dürften. Du musst nach so langer Zeit im Musikgeschäft keinem mehr etwas beweisen und mit OHL hast du längst Kultstatus erreicht. Was treibt dich trotzdem immer wieder aufs Neue an, den Mund aufzumachen und raus zu gehen auf die Bühne?

Beneiden? Na ja ... andere in meinem Alter sind finanziell abgesichert, haben eine Familie und wissen, was sie in einem Jahr machen. Das ist bei mir komplett anders, aber so ist mein Leben. Und so habe ich mir das auch ausgesucht: Leiden auf hohem Niveau. Was mich dabei antreibt, kann ich dir gar nicht so genau sagen. Vielleicht, dass Stillstand und Zufriedenheit nicht so mein Ding sind. Oder dass der Weg das Ziel ist? Wie auch immer, ich will es so. Und es macht mir immer noch Spaß. Man könnte auch sagen, OHL sind mein Leben, DER FLUCH meine Passion und PROJEKT MENSCH meine Seele.

Und warum sind OHL auch nach 33 Jahren immer noch wichtig?

Das sollen andere beurteilen. Auf jeden Fall sind wir eine „unabhängige“ Band, die sich von niemandem vorschreiben lässt, was sie zu tun oder zu sagen hat. Es gibt Leute, die sehen in uns die einzig wahre Punkband. Ich glaube, was es eher trifft, ist, dass wir einfach unser Ding machen. Das macht uns aus. Das hat auch nichts zu tun mit „einzig wahrer Punkband“, sondern vielmehr damit, dass wir keinerlei Kompromisse eingehen und wahr und wirklich sind.