OHL

Krieg der Kulturen

Was ist in der Kindheit von Herrn W eigentlich schiefgelaufen? Auf „Krieg der Kulturen“ kotzt sich der Mann, der OHL ist, mal wieder in einer Weise aus, dass man ihm nur raten kann, sich vielleicht mal etwas zu reflektieren und die Welt um sich herum nicht nur in den Kategorien Schwarz/Weiß und Gut/Böse wahrzunehmen.

Das fängt schon beim ersten Stück „Der neue Krieg“ an: „Die Pest ist hier unsere Werte sind bedroht / Religiöses Pack das Böse in ihrem Sog / Das ist der neue Krieg“. Hä? Die Pest ist doch schon lange hier, seit bald 2000 Jahren ist die christliche Religion Teil der Kultur dieses Landes.

Von wem singt Herr W hier also so verklausuliert? Naaa ...? Klar, gegen Religion schießt er von jeher sehr scharf, und da stimme ich ihm auch im Prinzip zu, denn Religion jeder Couleur ist gleichermaßen bekloppt.

Aber ich hege den Verdacht, dass hier doch auf eine nur leicht verklausulierte Weise eine Argumentation bedient wird, die in Köln (und Leverkusen) eine Organisation namens ProKöln beziehungsweise ProNRW bedient und die sich in den Niederlanden in der unappetitlichen Person eines Geert Wilders manifestiert.

Dabei tut Deutscher W auch diesmal seinen Kritikern nicht den Gefallen, direkt in eine der Fallen um ihn herum zu tappen: Es ist schwer, ihm angesichts der sorgsam gewählten Songtexte konkret an den Karren zu fahren und ihm irgendwelche klar rechten Positionen zu unterstellen.

Das hat in der Vergangenheit schon nicht funktioniert und war nicht angemessen, weil nicht zutreffend, und so sollte man ihm den Gefallen, auf seine Provokationen so direkt zu reagieren, auch diesmal nicht tun, denn wenn er etwa in „Mein eigener Prophet“ den Rundumschlag gegen alle Religionen loslässt, kann ich ihm bei diesem Text weitgehend nur zustimmen – auch wenn es bei Textzeilen (an denen der Selbstinszenierer sicher großen Spaß hat) wie „Ich bin mein eigener Gott mein eigener Prophet“ schon angemessen ist, die Frage nach dem Vorhandensein eines gewissen Größenwahns zu stellen.

Sauer stößt mir auch immer wieder auf, dass W von „unseren Werten“ und „unserer Zukunft“ redet, er in „Deutschland nicht über alles“ von „mein Land“ und „meine Heimat“ schreibt. Herr W, zu ihrem „uns“ und „wir“ will ich nicht gehören, das ist dann nämlich die Mehrheitsgesellschaft, die sich ja ach so gerne zu ihrer „christlich-abendländischen“ Kultur bekennt, und nein, zur „Wir sind Papst“-Masse will ich nicht gehören.

W singt aber auch „Es geht um mehr im Leben als deutsch zu sein“, während er sich gleichzeitig als Verfassungspatriot geriert. Auch in „Eine freie Nation“ geht es ähnlich zur Sache, ein Satz wie „Mit dem Rücken an der Wand sind wir die Minderheit“ ist schon etwas bedenklich – mich kotzt diese „Wir gegen die“-Rhetorik einfach an, ein „Uns“ und „Wir“ geht mir nur sehr widerwillig über die Lippen, wenn damit Menschen außerhalb meines Freundeskreises oder jenseits der mir bekannten Menschen aus der Punk-Szene gemeint sind.

W ist mit seinen Texten einmal mehr eine Giftspritze, ein Provokateur, der aber diesmal mehr als in der jüngeren Vergangenheit mit dem Feuer spielt und beispielsweise in „Mich belügst du nicht“ auf pseudotolerante Weise herumpöbelt.

Seine Feindbilder sind schief, er benennt sie nicht konkret, er stichelt, er ist ein Agent Provocateur, der sich dahinter versteckt, doch „nur“ angeblich unbequeme Wahrheiten auszusprechen, der letztlich aber mit seinen Texten populistischen Rattenfängern in die Hände spielt und der Lösung irgendwelcher gesellschaftlicher Probleme mit der vermeintlichen Benennung von Brennpunkten kein Stück näher kommt.

Kluge Texte gehen anders, das hier ist Populismus pur, aus dem gleichen faulen Holz geschnitzt wie der von Lafontaine, Wilders und Blocher. Die Musik? Gewohnt solide OHL-Kost (Diese Band war auf der Ox-CD #87 zu hören).