Seit den frühen Achtzigern treiben die Engländer nun schon ihr Unwesen und haben uns damals mit offenen Mündern und Fragezeichen auf der Stirn stehen lassen, als 1987 das Debüt-Album „Scum“ erschien und innerhalb weniger Wochen auf Platz 3 der UK Indie-Charts kletterte. Das ist lange her, und bis heute haben NAPALM DEATH ihre Nische in der extremen Musik nicht verlassen. Viel gefestigter und autarker scheint die Band momentan zu agieren. Sie haben ihr eigenes Label Feto Records gegründet, und selbst als Quartett ziehen sie auf die Bühnen, um in den Köpfen der Leute etwas zu bewegen. Von festgefahren und fehlender Innovation kann hier also keine Rede sein. Ich sprach mit Sänger Barney Greenway.
Was ist passiert, seit wir uns beim letzten „With Full Force“ 2003 getroffen haben?
„Eigentlich gar nicht so viel. Wir haben eine kleine Pause eingelegt, und diese Tour ist mal wieder etwas Nennenswertes. Einige von uns hat es in die Staaten gezogen, und dort haben sie Sachen gemacht, wie die Familie besuchen und so was.“
Auf dieser Tour fehlt Jesse immer noch. Was ist mit ihm? Wird er denn bei der nächsten Tour wieder fit sein?
„Ja, das wird er. Er hat momentan ein paar gesundheitliche Probleme und muss sich erholen.“
Wie ist denn das Bandgefühl, wenn ein Teil von euch fehlt?
„Nun, als Band haben wir so etwas wie einen Überlebensinstinkt, und wir können uns den gegebenen Umständen anpassen. Es gibt sicher genügend andere Bands, die würden sofort sagen: ‚Oh nein, zu viert spielen wir keine Show‘, aber wir spielen trotzdem. Es war schon so, als unser Bassist krank war, und wir spielten sogar, als ich mal krank war. Selbst das hat funktioniert.“
Und ihr habt auch gespielt, als Mitch sein Bein in Gips hatte. Da saß er mit einem Stuhl auf der Bühne und hat gespielt.
„Ja genau. NAPALM DEATH im Sitzen. Das war schon lustig anzusehen, aber wir spielen solche Shows.“
Habt ihr immer noch den gleichen Ansporn weiterzumachen, oder ist es eher zur Pflicht geworden?
„Oh nein, wenn es reine Pflicht wäre, würde ich das Ganze sicher nicht machen. Ich muss schon Spaß an der Sache haben und es wirklich wollen, sonst würde ich es nicht tun. Weißt du, immer auf Tour zu sein, Platten zu machen und so. Der Reiz ist immer noch da, und von daher machen wir es. Es kommt sicher einmal die Zeit, in der ich es oder andere von uns nicht mehr wollen oder können, aber momentan sind wir alle voll bei der Sache und haben Spaß daran. Deshalb gibt es NAPALM DEATH auch noch 2004. Und um ehrlich zu sein, nach NAPALM DEATH würde es für mich auch keine weitere Band mehr geben, denn wenn man in so einer Band war, was soll man danach noch machen? Ich bin jetzt schon so lange in der Band, und NAPALM DEATH waren mit die Pioniere in Sachen Grindcore und extremer Musik, und was könnte ich persönlich danach tun, um so etwas noch einmal zu erreichen oder zu übertreffen?“
Worum geht‘s bei Feto Records?
„Es steht für ‚From Enslavement To Obliteration‘, der Titel unseres zweiten Albums. Aber es ist momentan nicht wirklich ‚in Betrieb‘. Es gibt keine großartigen Releases, und bisher sind auch nur unsere letzten Platten dort erschienen. Wir planen zwar, dass auch andere Bands dort veröffentlicht werden, aber da spielen natürlich auch noch die Finanzen eine Rolle. Ich für meinen Teil möchte nur dann andere Bands veröffentlichen, wenn ich bzw. wir sie auch gerecht behandeln können, und solange das nicht gegeben ist, werden wir es auch nicht machen. Ich will keine Scheiße mit Bands abziehen. Ich bin schon so lange in einer Band, und wir haben auch viele schlechte Erfahrungen gemacht. Gewisse Labels haben uns abgezogen, und ich habe mir selbst geschworen, dass ich so etwas mit anderen Bands nicht machen werde. Sie verdienen, gut behandelt zu werden, und wenn man das nicht kann, sollte man es lassen.“
Wenn du an politische Aussagen im Kontext von Musik denkst, glaubst du, dass die Leute das heutzutage noch so aufnehmen und sich Gedanken darüber machen?
„Ich denke schon, dass sie sich dafür interessieren. Ich kann das im Bezug auf NAPALM DEATH nur bestätigen, denn wenn wir darüber reden, bekommen wir immer Antworten und Reaktionen, und das beweist mir in gewisser Art, dass die Leute sich Gedanken darüber machen. Und ich denke, gerade in Deutschland sind die Leute besonders empfänglich für so etwas. Wir leben in einer Zeit, in der sich eine Regierung einfach über den Willen der Bevölkerung hinwegsetzt und tut und lässt, was sie für richtig hält. Daher müssen wir nachdenken, wie wir es den Leuten am besten vermitteln können, so nicht weiter mit unserem Leben umzuspringen, ob man es nun als einzelner oder in der Masse versucht, aber man muss etwas tun.“
Auf der Single „Nazi Punks Fuck Off“ gab es eine Liste von diversen Organisationen. Bist du politisch aktiv?
„Ja, bin ich, aber ich kann hier jetzt keine nennen. Zum Beispiel Animal Rights und antifaschistische Sachen. Die Adressen von der Single gibt es aber zum Teil gar nicht mehr.“
Was machst du neben NAPALM DEATH? Wie sieht es da mit Jobs und Familie aus?
„Momentan arbeite ich im sozialen Bereich, bin Sozialarbeiter für Gefangene. Ich versuche, den Leuten zu helfen, ihr Leben geregelt zu bekommen.“
Was macht ihr in naher Zukunft?
„Wir werden in Japan, Indonesien und Malaysia touren. Dann wird noch ein weiteres Cover-Album von uns erscheinen, mit etwa 20 Songs von DISCHARGE, AGNOSTIC FRONT, DEFENDERS, HELLHAMMER, DIE KREUZEN und vielen mehr.“
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