NAPALM DEATH

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Endliches neues Leben

Im Grunde genommen haben NAPALM DEATH mit ihrem neuen Album „The Code Is Red ... Long Live The Code“, das Ende April bei Century Media erscheint, einen Schritt zurück zu den Basics gemacht. Doch wenn man genauer hinsieht, hat sich bei NAPALM DEATH in den letzten 24 Monaten einiges nach vorn bewegt: Es gab ein neues Label, eine neue Booking-Agentur, ein neues Management, einige neue Aufnahmen und sogar beim Line-up gab es Veränderungen. In den Augen von Gitarrist Mitch Harris waren all diese Schritte notwendig, um NAPALM DEATH am Leben zu erhalten und um der Band wieder mehr Dynamik und Energie zu geben. Bei dem einzigen deutschen Showcase im Bochumer „Matrix“ stand er mir Rede und Antwort.

Ihr habt ja mittlerweile das Label gewechselt und seid nun bei Century Media unter Vertrag. Eure letzte CD mit Coversongs kam ja auch schon dort raus. Wie kam es zu der neuen Zusammenarbeit?


„Century Media waren eigentlich schon seit vier Jahren an uns interessiert, doch leider hat unser Management nie wirklich Kontakt mit ihnen aufgenommen. Wir als Band haben natürlich schon öfters mit ihnen gesprochen. Und so kam es, dass wir mit ihnen einiges klarmachen konnten und einigten uns auf einen Deal. Sie haben uns bisher sehr gut unterstützt. Sie finanzierten unsere Studioaufnahmen, sie helfen uns, die Tickets in die USA zu bezahlen und dergleichen. Wir sind sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit. Century Media machen sehr viel Promo-Arbeit und unterstützen uns bei allem, was geht. Sie haben aber auch mehr Einfluss darauf, wann das Album erscheint. Bisher ist es immer so gelaufen: Wir haben das Album aufgenommen und die bisherigen Labels wollten das Album so schnell wie möglich in den Läden stehen haben. So kam es, dass die Interviews immer nachträglich zur Platte gemacht wurden und kaum Promo-Arbeit geleistet werden konnte. Diesmal ist es anders: das Album haben wir seit September fertig und wir warten nun sozusagen auf den Release. In der Zwischenzeit kann das Label aber gute Promo-Arbeit leisten und uns in der Presse unterkriegen. Die Leute werden auf das Album neugierig gemacht. Und wenn es dann rauskommt, weiß jeder Bescheid und ist heiß darauf. Diese Art von Labelarbeit finde ich wesentlich besser, auch wenn man als Musiker lange auf seinen eigenen Release warten muss. Unser letztes Coversong-Album hat fast ein Jahr gebraucht, bis es wirklich veröffentlicht wurde.“

Was war damals der Grund, Earache Records zu verlassen?

„Es gab keine große Unterstützung vom Label. Wir waren auf uns selbst gestellt. Wir bauten die Band viele Jahre mehr oder weniger selbst auf. Es gab keinen Tour-Support vom Label und das Geld, welches wir auf Tour machten, ging wieder zurück in andere Finanzlöcher. Wir haben also von der Plattenfirma nie viel Geld bekommen, mussten alles selbst erwirtschaften und haben nie Plus gemacht. Earache Records hat zwar einen guten Vertrieb und ist angesehen, aber sie haben sich nie so recht um die Band gekümmert, und wir hatten es echt schwer zu überleben. Es geht uns nun aber um die Zukunft und wir wollen nicht über die Vergangenheit weinen. Ich habe auch keine Angst bei den ganzen Plattenfirmen, denn ich weiß, dass wir als Band eh sehr viel selbst in die Hand nehmen, und so schlecht kann dann das Ergebnis auch nicht werden. Aber Earache Records ist nun ein Label, das kaum noch Bands hat und auch keine besondere Vision verfolgt.“

Die neue Platte hat den Titel „The Code Is Red – Long Live The Code“, was hat das zu bedeuten?

„Der Titel lehnt sich an die ganzen Terror-Ereignisse an. Es hat also auch etwas mit dem 11. September zu tun. Es gibt halt die Alarm-Farbgebung: man sagt ‚Code Red‘, wenn es sich um Terrorgefahr handelt oder ‚Code Orange‘, wenn die Flughäfen unter verschärfter Bewachung stehen. Als es wieder einmal ‚Code Red‘ hieß, erwarteten sie wieder einen Anschlag. Dieser Ausnahmezustand verhilft der Regierung, das Volk in einen Angstzustand zu versetzen. Gleichzeitig nimmt sich die Regierung durch die vermeintliche Gefahr heraus, die Bevölkerung noch mehr durchleuchten zu dürfen. Es gibt ID-Karten, den digitalen Fingerabdruck, Augen-Scans und so weiter, um der Bevölkerung die – eigentlich grundlose – Angst wieder zu nehmen und sie in Sicherheit zu wiegen. Aber im Grunde geben wir damit unsere Rechte auf Freiheit und Privatsphäre ab. Die Leute heißen all die neuen Technologien gut, nur weil es mal wieder ‚Code Red‘ heißt.“

Kannst du etwas über in den Lyrics erzählen? Hat Barney wieder den größten Anteil der Texte verfasst?

„Es geht einmal mehr um persönliche Angelegenheiten. Bei einem geht es um ein Statement über Barney, das von irgendeinem Nazi auf eine Website gesetzt wurde. Barney antwortete darauf und diese Art von Konflikt inspirierte ihn zu einem Song. Ein anderer Song handelt von Familienwerten und der christlich/katholischen Überzeugung, keinen Sex vor der Ehe zu haben. Dann geht es im Allgemeinen um das persönliche und individuelle Vorantreiben: man soll politisch seine Augen und Ohren offen halten und achtsam sein.“

Gab es im Vergleich zu den letzten Alben ein paar wesentliche Unterschiede? Habt ihr mit anderen Produzenten oder in anderen Studios aufgenommen?

„Für jedes neue Album gehen wir auch in ein neues Studio, um immer wieder eine Soundentwicklung zu erfahren. Wir haben ein wirklich sehr gutes Production-Team: wir arbeiten seit den letzten beiden Alben mit Simon Efemey und Russ Russell zusammen. Wir kennen uns wirklich schon sehr gut. Sie haben mit uns die Alben ‚Order Of The Leech‘, ‚Enemy Of The Music Business‘, und die beiden ‚Leaders Not Followers‘-Cover-Alben und auch die MEATHOOK SEED-Sachen aufgenommen. Demnach gibt es da keinerlei Missverständnisse. Sie wissen, was wir wollen, um immer wieder einen Unterschied zum letzten Album zu erzielen. Wir haben also wieder mit den beiden gearbeitet und haben alles innerhalb von drei Wochen aufgenommen. Wir haben diesmal ein etwas günstigeres Studio ausgesucht, mit etwas weniger Extra-Effekten, denn wir wollten einen solideren Basis-Sound kreieren. Das Studio hatte noch nicht einmal eigene Mikros. Ich habe meine Mikrofone mitgebracht und wir haben das ganze Album mit meinen SM58 aufgenommen, welches ein Standard-Live-Mikro ist. Selbst für den Gesang haben wir dieses Mikro benutzt, um Barney mehr Bewegungsfreiheit um das Mikro herum zu ermöglichen. Er muss dann nicht so still vor dem Mikro stehen, wenn er die Vocals und Schreie macht. Das Gesamtbild der Aufnahmen kommt dadurch auch eindeutig mit mehr Live-Feeling rüber. Es war ein sehr organisiertes und kreatives Arbeiten. Wir haben auf diesem Wege, so hoffe ich, die spontane Energie am besten eingefangen. Selbst wenn an einigen Stellen ein paar kleine Fehler oder Unstimmigkeiten vorhanden sind, war es die Sache wert, den Song festzuhalten, wenn wir mit der Version sehr zufrieden waren. Wenn man bei den Aufnahmen Songs immer und immer wieder spielt und dann nach der perfekt eingespielten Version sucht, verliert der Song am Ende an Spannung und Energie. In der Vergangenheit gab es bei den Alben immer mal Songs, bei denen du gedacht hast: ‚Na ja, ganz okay, aber nicht mein Lieblingssong‘, und springst zum nächsten Song. Aber dieses Album ist spannend von Anfang bis Ende. Auch im Bezug auf die Vocals gibt es einige Überraschungen: wir haben Jello Biafra, Jamey von HATEBREED oder auch Jeff von CARCASS als Gastsänger dabei, und das gibt dem Ganzen viel mehr Dynamik und Abwechslung.“

Neben dem Label-Wechsel gab es bei euch auch ein Wechsel der Booking-Agentur. Ihr arbeitet nun mit M.A.D. Berlin zusammen. Wie kam es dazu?

„Ja, M.A.D. ist für Europa zuständig. Für die Staaten haben wir noch keine feste Booking-Agentur. Wir haben auch ein neues Management. Ich hoffe, M.A.D. lassen uns mit guten Bands spielen, die jetzt zwar aus anderen Musikbereichen kommen, doch auch eine recht große Popularität besitzen und ebenfalls ein extremes Publikum ansprechen. Es wäre schön, wenn wir mit Bands auf Tour gehen, mit ihnen den Bus teilen und somit die Kosten niedriger halten könnten, denn so macht das Touren ja auch erst Sinn. Es geht uns mehr um gute Tour-Packages. Wir waren so viele Jahre immer alleine unterwegs und haben mit sehr vielen Bands gespielt, die durch uns in eine gute Position gerutscht sind. Für uns wäre es nun gut, wenn wir mit Bands zusammenspielen, die sich schon etabliert haben. Nicht, dass ich es jemals bereue, mit all diesen Bands gespielt zu haben, aber es wird mittlerweile schwierig, neue Bands zu finden, mit denen wir noch nicht gespielt haben. Es ist manchmal echt hart. Du rufst eine Band an und fragst, ob sie mir dir auf Tour gehen wollen, und sie sagen ab, weil sie es sich nicht leisten können – das ist echt ein Alptraum. Daher musste das Booking jemand anderes übernehmen.“