MILLENCOLIN

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Grand Münster Slam 2.0

Nach kurzer Orientierung in den weitläufigen und unangenehm sterilen Gängen des Kongresszentrums ging es nun weiter mit MILLENCOLIN, welche bereits im Frühling für eine Handvoll Konzerte unsere Breitengrade besucht und einige der hiesigen Festivals im deutschen Nicht-Sommer abgeklappert hatten. Nach insgesamt zwei Jahren „Pennybridge Pioneers“-Welttournee, die den nostalgischen Skatepunk-Fan von damals kurzerhand mitnahm auf eine Zeitreise zehn Jahre zurück in die Vergangenheit und bisweilen das Präfix „Post-“ unter den Tisch fallen ließ, sind die Schweden nun abermals nach Münster gekommen, um mit ihren Freunden, den DONOTS anzustoßen. Wir wagten mit Frederik Larzon und Erik Ohlsson den einen oder anderen Blick zurück in die Vergangenheit, vergaßen dabei aber nicht den Blick nach vorn: Von der Freundschaft mit den DONOTS über die Fanzine-Kultur und der zunehmenden Digitalisierung bis hin zum 20. Jubiläum, welches MILLENCOLIN in 2012 ein weiteres Mal dazu veranlasst, ihre Diskografie Revue passieren zu lassen.

Wie kam es dazu, dass die DONOTS euch eingeladen haben, mit ihnen beim Grand Münster Slam 2011 zu spielen?

Erik: Zunächst einmal, wir sind schon sehr lange mit den DONOTS befreundet, sehr, sehr lange!

Frederik: Ja, wir spielten mit ihnen zusammen eine Tour durch Europa.

Erik: Genau, die Jungs waren eine unserer Supportbands. Wann war das? Ich glaube, 2003 muss es gewesen sein. Eine Tour quer durch Europa. Seitdem haben wir uns immer wieder auf Festivals getroffen und sind wirklich gute Freunde geworden. Vergangenen Frühling kamen wir dann für ein paar Konzerte nach Deutschland und spielten auch unter anderem hier in Münster, im Skaters Palace. Jedenfalls haben wir nach der Show mit ihnen geredet und ich bin mir sicher, dass sie da bereits diese Idee hatten, das alljährlich zu wiederholen. Irgendwann haben sie uns dann noch mal kontaktiert und wir wollten wirklich gern dabei sein.

Habt ihr sonst noch Kontakte zu anderen deutschen Bands, zum Beispiel ZSK?

Frederik: Wir haben die BEATSTEAKS ein paar Mal getroffen.

Erik: Richtig, wir spielten einige Konzerte mit ihnen.

Frederik:Sehr viele sind es nicht, warum auch immer.

Erik: DIE ÄRZTE oder DIE TOTEN HOSEN haben wir früher mal supportet, also eher größere deutsche Bands. Zu vielen deutschen Bands haben wir nicht Kontakt, aber die DONOTS sind unsere besten deutschen Freunde!

In der letzten Ox-Ausgabe erzählte euer Schlagzeuger Frederik Larzon bereits von der „Pennybridge Pioneers“-Tour und dem bevorstehenden 20-jährigen Bestehen von MILLENCOLIN. Und nun können wir, das Ox-Fanzine, stolz auf 23 Jahre und 100 Ausgaben zurückblicken. Welche Bedeutung haben Fanzines allgemein für euch, haben sie euch in der Jugend beeinflusst und waren sie wichtig über die Jahre?

Erik: Definitiv, Fanzines waren immer wichtig. Als wir mit MILLENCOLIN anfingen, spielten wir in verschiedenen anderen Bands in Schweden. Ich habe mein eigenes Fanzine gemacht, Larzon hat sein eigenes Fanzine gemacht. Auf diese Art und Weise waren wir mit der Underground-Szene verbunden, verstehst du. Man schickte sich gegenseitig Demotapes, woraufhin man diese rezensierte und sein eigenes Fanzine rausgab. Bei mir kam es aber leider nur zu einer einzigen Ausgabe, haha. Bei dir auch, oder Larzon? Nein, du hast noch nicht mal eine Ausgabe veröffentlicht ...

Frederik: Genau, ich hatte einen Namen, das Coverartwork und alles, aber ich habe keine Rückmeldungen der Bands bekommen, die ich angeschrieben hatte.

Erik: Im Gegensatz zu seinem Fanzine befasste sich mein Fanzine sowohl mit Skateboarding wie auch Punkrock. Es hieß: Jagalor Skate Scene.

Was für eine Relevanz haben Fanzines heute noch für euch? Lest ihr immer noch welche?

Erik: Nein, nicht wirklich. Larzon hat noch Kontakt zu der Fanzine-Szene. Ich bin eher der Skateboard-Typ, als dass ich ständig in der Punkrock-Szene rumhänge. Heutzutage ist es einfacher, sich die Neuigkeiten aus dem Internet zu besorgen, dort lese ich dann die E-Zines. Verstehe mich nicht falsch, ich liebe und schätze es, wenn Leute sich weiterhin einer Sache hingeben, aber ich bin einfach nicht mehr so sehr damit verbunden, mit dem typischen physischen Fanzine.

Frederik: Was vor allem auffällt, es gibt nicht mehr allzu viele Leute, die immer noch ein Fanzine herausbringen. Für gewöhnlich tendiert es dann Richting E-Zines.

Erik: Aber ich muss einfach sagen, dass ich es absolut schätze, wenn jemand weiterhin ein Fanzine veröffentlicht. Die ganze Kreativität und alles, was damit zusammenhängt. Auf diese Art und Weise wird die Szene überhaupt zusammengebracht.

Rückblickend können MILLENCOLIN auf einen Haufen Interviews und einige Reviews, die im Ox veröffentlicht wurden, zurückschauen. Was gefällt euch am Ox-Fanzine?

Erik: Ich erinnere mich daran, dass das Ox, von ein paar schwedischen Zines abgesehen, eines der ersten Fanzines in Europa war, das sich für MILLENCOLIN interessiert und uns schon sehr früh interviewt hat. Ich glaube, dass ich das erste MILLENCOLIN-Interview mit dem Ox bereits 1993 führte, oder irgendwie um den Dreh. Also ziemlich, ziemlich zu Beginn unserer Bandgeschichte. Ich liebe das Ox einfach dafür, dass es seit seiner Gründung immer da war. Es ist wirklich großartig zu sehen, wie lange ein Fanzine überleben kann.

Wagt ihr eine Prognose für die Zukunft in Hinsicht auf die Digitalisierung von Fanzines, Magazine und Bücher?

Erik: Das ist wirklich schwer zu sagen, aber es ist ja offensichtlich, dass vielerorts das Internet und die sozialen Medien einen großen Teil übernommen haben und somit vieles ersetzen, was vorher Fanzines ausmachte. Früher wurden Demotapes verschickt, heute lässt sich das alles über das Internet regeln. Schau dir zum Beispiel MySpace an, auch wenn sich hier seit geraumer Zeit nicht mehr viel abspielt ... Als Myspace auf den Markt kam, war das der Weg, wie sich die Bands untereinander kennen gelernt, kontaktiert und gegenseitig füreinander geworben haben. Das hat einfach alles verändert.

Glaubt ihr, dass in Zukunft MILLENCOLIN-Alben rein digital veröffentlichen werden oder auch müssen?

Erik: Das hängt alles von unseren Plattenlabels ab. Bei weiter sinkenden Verkaufszahlen würden diese einfach nicht mehr genug Geld einspielen, um selbst die Gehälter ihrer Mitarbeiter länger tragen zu können. Man muss sich ja auch mal immer wieder vor Augen führen, dass die Labels ein Geschäft führen. Natürlich könnten wir dann an einen Punkt kommen, an dem sie sich die Veröffentlichung des physischen Produktes nicht mehr leisten können. Bislang kam es nicht dazu, aber es könnte in Zukunft gut möglich sein, dass das passiert. Ich finde das wirklich traurig, aber auch ich höre meine Musik über meinen mp3-Player, also digital, und das tun mittlerweile so viele. Ich meine, wenn ich eine CD kaufe, stecke ich sie in meinen Computer, konvertiere sie in iTunes und ziehe sie auf meinen Player. Auf der einen Seite mag ich wirklich das Artwork, das Cover und alles, und klar ist diese Entwicklung der letzten Jahre traurig.

Aber gerade für dich, Erik, muss es doch besonders schwer erträglich sein, das zu sehen. Immerhin bist du außerdem Grafikdesigner und hast den Großteil eurer Albumcover gestaltet.

Erik: Ja, natürlich ist das ziemlich traurig für mich. Wenn ich gerade an einem Albumcover arbeite, schwirrt mir hin und wieder der Gedanke durch den Kopf: Dies könnte mein letztes Albumcover sein, das ich je gezeichnet habe. Obwohl wir noch einige Sachen haben, die veröffentlicht werden, weiß man halt nie, wie sich das entwickelt.

Frederik: Ich glaube aber, dass es weiterhin eine Menge Leute gibt, die wirklich das physische Produkt, das eigentliche Album haben wollen. Ich glaube, zumindest spreche ich da für uns, dass wir weiterhin unsere Alben auf diesem Weg veröffentlichen werden.

Erik: Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass wir unsere Sachen einerseits auf Vinyl und andererseits digital herausbringen, anstatt via CD. Vinyl einfach schon deswegen, weil es ein Sammlerstück ist, für Liebhaber.

Um nun die vergangenen zwei Jahre, in denen ihr die „Pennybridge Pioneers“-Tour bestritten habt, zusammenzufassen, was sind eure Eindrücke, wenn ihr mal zurückschaut?

Frederik: Es ist wirklich cool, dass aus dieser Idee, nämlich „Pennybridge Pioneers“ von vorne bis hinten auf der einmaligen finalen Show in einer Bar in unserer Heimatstadt zu spielen, so viel mehr wurde. Es kamen einfach Anfragen aus der ganzen Welt, die genau an diesem Konzept interessiert waren. Vor allem war es spannend, einige der Lieder zu spielen, die wir seit deren Aufnahme nicht mehr angerührt hatten.

Erik: Ja, das ist oft so. Jedes Mal, wenn man ein Album veröffentlicht, passiert es, dass man mindestens die Hälfte der Songs zurückstellt, nie wieder spielt und dann vergisst. Aber ich bezweifle, dass wir nun dasselbe mit „Home From Home“, „Kingwood“ oder sonst einem Album machen werden, haha.

Frederik: Aber wir haben bereits jetzt schon ein riesiges Projekt für den kommenden Frühling und Sommer 2012, wenn wir unser 20-jähriges Bestehen feiern werden. Wir werden ein Festival veranstalten und Songs spielen, die wir nie zuvor gespielt haben.

Erik: Genauer gesagt, es wird ein Zweitagesfestival, auf dem wir an beiden Abenden der Hauptact sind und zwei komplett unterschiedliche Sets spielen werden. Wir haben wirklich uns selbst versprochen, dass wir Songs proben, die wir bislang nie live gespielt haben. Egal, ob von „Home From Home“ oder welchem Album auch immer. Das wird ein riesiger Spaß.

Alex Schlage, Bianca Hartmann