MASSENDEFEKT

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Familienurlaub in Ouddorp

Die Düsseldorfer MASSENDEFEKT haben sich hierzulande in den vergangenen Jahren im Windschatten von BROILERS und ROGERS ihren festen Patz in der Punk- und Rockmusik erspielt. Ihre Entwicklung war von Album zu Album hörbar. Größere Bühnen waren die logische Folge dieses Werdegangs. Und jetzt ist da „Zurück ins Licht“. Platte Nummer acht. Vielleicht die homogenste und am besten durchdachte der Bandhistorie. Und warum das so ist, was es mit dem Weg zurück ins Licht auf sich hat und was MASSENDEFEKT mit den FOO FGHTERS zu tun haben, erzählen Frontmann Sebi und Gitarrist Nico im Interview, für das wir uns im eigens dafür aufgeschlossenen The Tube-Club in der Düsseldorfer Altstadt treffen.

Sebi, Nico, euer neues Album heißt „Zurück ins Licht“. Warum?

Nico: Die Idee ist von Sebi. Nach dem Ausstieg von Claus, für den ich in die Band kam, wusste irgendwie niemand mehr, wie so eine Albumproduktion funktioniert. Er war wichtig für die Band gewesen. Und die Skepsis war spürbar groß. Aber wir haben dann im Studio festgestellt, es klappt. Insofern: „Zurück ins Licht“.
Sebi: Richtig. Zudem war uns klar, dass es angesichts dessen, was 2020 so passiert, genau dieser Titel sein musste. Ein bisschen Hoffnung und Optimismus. Hinzu kam, dass die Arbeit an der Platte wirklich toll war. Ganz anders als zuvor. Wir sind zum ersten Mal gemeinsam weggefahren. In Klausur gegangen sozusagen. Wir haben uns in Ouddorp in den Niederlanden eine richtig geile, große Ferienwohnung genommen – mit den Bandmitgliedern, unseren Frauen und allen Hunden – und konnten dort richtig frei an die Sache rangehen. Das hatten wir immer schon mal vorgehabt, aber nie umgesetzt. Diese Arbeit ist eine ganz andere, eine intensivere, als wenn du ein Album daheim aufnimmst und abends aus dem Studio immer nach Hause fährst. Man bleibt zusammen. Isst am großen Tisch zusammen. Hängt abends auf der Couch ab, während der Kamin angemacht wird. Das ist Harmonie. Das schweißt zusammen, was sich auch auf das Songwriting auswirkt.

Weil es besonders homogen vonstatten geht?
Sebi: Genau. Nichtsdestotrotz haben wir auch viele Diskussionen miteinander gehabt. Aber gute Diskussionen.

Zum Beispiel?
Sebi: Ich stand gegen die anderen, als es darum ging: Müssen wir mit neuen Songs auch immer unsere Fans bedienen? Ich dachte mir: nein. Das haben wir doch schon die ganzen Jahre über gemacht. Und das habe ich auch so gesagt: Lasst uns doch mal etwas anderes machen. Und dadurch entstand dann ein Song wie „Letzte Worte“.

Der recht ruhig mit Elektro-Klängen anfängt.
Sebi: Richtig. Und der eine der Singles dieses Albums wird. Er steigert sich. Ist quasi unser „Pretender“-FOO FIGHTERS-Moment. Der wird nicht allen Fans gefallen. Aber auch er ist eben MASSENDEFEKT.

Apropos Single: Wenn man es böse mit euch meinen würde, dann könnte euch die erste Single „Autopiloten“ als Verschwörungssong in Corona-Zeiten ausgelegt werden. Nach dem Motto: Glaubt nicht alles, was euch gesagt wird. Seid eben keine „Autopiloten“. Behaltet euren Willen ... Entsprechende Kommentare gab es auch im Internet. Ist es naiv oder mutig, in diesen Zeiten ein Stück zu veröffentlichen, das falsch gedeutet werden könnte?
Nico: Der Song hat natürlich nichts mit Querdenkertum zu tun und soll auch kein „Verschwörungssong“ sein. Er ist Ende 2019, Anfang 2020 entstanden – und damit zu einer Zeit, bevor es Corona und damit verbunden diese Verschwörungs-Querdenker-Schwurbel-Aluhut-Bewegung überhaupt gab. Und wer MASSENDEFEKT kennt, der weiß auch, dass wir solche Tendenzen nicht haben. Das stellt man spätestens auch beim Hören der zweiten Single „Schiffbruch“ fest.

Ein Song gegen rechte Umtriebe im Land.
Nico: Genau. Und um auf deine Frage zurückzukommen: Naiv oder mutig? Ich sage: Der Song geht einfach nach vorne und ist die perfekte Symbiose zwischen dem alten und dem neuen MASSENDEFEKT-Sound! Und das Thema war Anfang des Jahres aktuell und ist in der Zwischenzeit noch viel aktueller geworden! Ich denke eher, wir haben mit dem Text so ziemlich den Nerv getroffen und beschreiben ein menschliches Phänomen, das uns aufgefallen ist und das wir kritisieren. Es richtet sich eher gegen die Aluhüte.

Wie häufig habt ihr eigentlich gerade in den vergangenen Monaten eine Koinzidenz zwischen dem Status quo der Welt und eurem Bandnamen erkannt – oder von anderen gehört?
Nico: Haha, ehrlich gesagt gar nicht! Der Name lädt natürlich ein, Parallelen zu ziehen zwischen aktuellen Missständen und den Wortteilen „Massen“ und „Defekt“. Aber das ist Quatsch! Die Welt wird sich wieder berappeln und wir werden weiter MASSENDEFEKT heißen, haha.

Jüngst habt ihr nicht nur das neue Album angekündigt, sondern eine Kooperation mit dem Fußballverein eurer Heimatstadt, Fortuna Düsseldorf. Was hat es damit auf sich?
Nico: Wir wurden von Kaj Gebhardt und Lucas Garbisch von der Fortuna-Marketing-Abteilung im Januar angesprochen und mit „20 Jahre MASSENDEFEKT“-Fortuna-Trikots beschenkt. Und zwar einfach so. Wir waren entsprechend sehr überrascht und haben uns mega gefreut. Die Jungs sind echt nett und wir haben schnell festgestellt, dass jeder Bock auf eine tiefergehende Zusammenarbeit hat. Also haben wir uns zusammengesetzt und das Ding geplant.

Es gibt zum Beispiel gemeinsame Shirts.
Nico: Richtig. Und der Sinn dahinter ist: Wir wollen gemeinsam einen wohltätigen Verein unterstützen. „Vision:teilen“. Dessen Mitglieder bieten innerhalb und außerhalb Düsseldorfs hilfsbedürftigen Menschen Unterstützung an. Sie werden an den Verkaufserlösen beteiligt. Insofern ist das ein rundes Ding!

Und wann schreibt ihr endlich einen Song für die Fortuna?
Nico: Wenn wir einen Reim auf das Wort „Fortuna“ gefunden haben, haha.

Apropos: Wie denkt ihr über den Profifußball in der Pandemiezeit, also über Fußball ohne Zuschauer und die Sonderstellung, die er für sich einfordert?
Nico: Ich denke, ich antworte für alle, wenn ich zum ersten Punkt sage: Das macht mir irgendwie keinen Spaß. Zum Fußball gehören eben auch die Stimmung, Geselligkeit, Bratwurst und Bier. Und was den zweiten Punkt angeht: Genau das fand ich damals, vor Corona, schon schwierig. Und finde es auch heute noch schwierig. Gerade in einem solchen Bereich des Lebens, bei dem die Beteiligten viel Körperkontakt haben – Konzerte, Fußball –, sollten weiterhin entsprechende Maßnahmen gelten, um die Menschen zu schützen. Das ist ja im Leben außerhalb des Fußballs auch schon so. Für den Fußball hieße das entsprechend weiterhin Pause! Natürlich steht eine Deutsche Fußball Liga, eine DFL, dahinter und möchte weiterhin Umsätze generieren. Aber das möchten andere Sportverbände auch. Genauso wie etwa in unserer Branche Bands. Oder Veranstalter, Gastronomen, Kleinunternehmer, Geschäftsinhaber. Es existiert diesbezüglich leider ein starkes Ungleichgewicht. Und das kann ich nicht nachvollziehen.

Wir haben das Thema jetzt schon mehrfach angeschnitten: Wir leben in Corona-Zeiten. Euer für Dezember geplantes Konzert in der Mitsubishi Electric Halle in Düsseldorf musstet ihr schon absagen, andere Gigs ebenfalls. Wie lange kann man neue Songs überhaupt noch „warmhalten“, ehe sie zu alt werden, ehe sie ihren Live-Reiz verlieren.
Nico: Ich sage es mal so: Ich hoffe, dass wir zumindest die ab April 2021 geplanten Auftritte absolvieren können. Sollte das nicht klappen und womöglich auch die Sommerfestivals ausfallen, müssten wir uns bandintern noch mal unterhalten. Und uns was überlegen. Denn so was einfach hinzunehmen, das geht nicht. Man kann ja nicht im schlimmsten Falle jahrelang gar nichts machen. Wenn auch im kommenden Jahr nichts stattfinden sollte in Sachen Live-Konzerte, dann machen wir etwas anderes. Dann lassen wir uns etwas einfallen. Definitiv.

Letzte Frage: Ich hörte, dass ihr aus dem Song „Antikörper“ eine Zeile getilgt habt, in der der Western-Schauspieler John Wayne eine Rolle spielte ...
Sebi: Genau. Es hieß darin erst: „Wir reiten auf der guten Seite, du und ich und John Wayne“. Aber irgendwann haben wir dann zum Glück mal recherchiert, wer John Wayne überhaupt war, also mal abgesehen von seiner Schauspielerei, und stellten fest, dass er ein krasser Rassist war.
Nico: Es fiel uns auch auf, dass Fat Mike im NOFX-Song „13 stitches“ genau das auch schon gesungen hat: „John Wayne was a Nazi“. Und wenn Fat Mike das sagt [der natürlich MDC zitiert, Anm. d. Red.], dann muss das stimmen. Ganz klar, das geht gar nicht. Das wäre uns um die Ohren geflogen, zu Recht. Also wurde daraus: „Wir reiten auf der guten Seite, du und ich zurück ins Licht“.