Skinheads, wie die Zeit vergeht! Ist es doch tatsächlich bereits fast sechs Jahre her, dass eine der deutschen Vorreiterbands in Sachen „Skins & Punks United“ hier im Ox befragt wurde: die einst aus Plauen stammende Combo LOIKAEMIE. Was hat sich in der Zwischenzeit getan, in der Diskussionen um den vermeintlichen politischen Standpunkt in der modernen Welt des Internets immer aberwitzigere Kreise ziehen? Und warum hat die Skin-Band, die seit 1994 existiert, so lange kein Album mehr rausgebracht? Sänger Thomas gab bereitwillig Auskunft.
In einem eurer Kultstatus besitzenden Songs heißt es: „Ich komme auf die Welt und ich weiß nicht warum, zum arbeiten und sterben.“ Nun bist du seit Längerem verheiratet und Vater, so dass die Frage erlaubt sei, ob du dem Leben gegenüber inzwischen positiver gesinnt bist?
Ja, das kann man wohl getrost so sagen. Vor allem dadurch, dass wir eben Nachwuchs bekommen haben. Ich weiß also mittlerweile, warum ich auf der Welt bin.
2014 existieren LOIKAEMIE tatsächlich schon zwanzig Jahre. Da ist doch bestimmt einiges in Planung, vielleicht auch ein längst überfälliges neues Album ...?
Gedanklich ja, praktisch eher nicht. Die Band lebt inzwischen bundesweit verteilt. Paul noch in Plauen, unser Drummer Bruno in Leipzig, Eddie in Gießen und ich in Rostock. Meine Frau fand hier ihren Job und ich mache nun vor Ort eine Ausbildung zum Sonderpädagogen. Es ist also nicht gerade einfach, bei diesen räumlichen Trennungen als Band zu wirken. Wir treffen uns dann mal zum Proben in Leipzig, es wird konkret an einem Song gebastelt und man geht auseinander. Bis der Song dann fertig im Kasten ist, sind weitere Proben fällig und das Ganze zieht sich dann locker zwei, drei, fünf Monate hin. Unser Drummer hat eine Schlagzeugfirma und auch Paul ist beruflich sehr eingespannt, also das ist schon wie gesagt nicht leicht.
Viele haben es vielleicht gar nicht mehr so in Erinnerung, aber du warst 1996 einer der Ersten, der laut aussprach, dass „unpolitisch“ das „Unwort des Jahres“ sei und man sich selbstredend als Skinhead antirassistisch zu positionieren habe. Ist es nicht unglaublich, dass heute, wo doch „Skins & Punks United“ wirklich gelebter Alltag ist, immer wieder Statements von euch erwartet werden, die besagen: Nein, wir sind nicht unpolitisch und wir operieren auch nicht in der „Grauzone“. Irgendwann reicht es doch, oder?
Nein, nötig ist das natürlich auch weiterhin, aber es nervt irgendwann. Als damals dieses „Good Night White Pride“-Ding aufkam, hat sich wirklich alles eine Zeit lang gebessert. Es entstanden Gruppen, die dafür eintraten, das war so zwischen 2000 und 2003. Da begannen die Leute echt nachzudenken, da wurde auch mal in den eigenen Reihen der Besen geschwungen, endlich wurden elementare Dinge mal hinterfragt. Ohne dass ich jetzt verzage, muss ich aber konstatieren, dass mir inzwischen mein Privatleben wichtiger geworden ist, so mit 38 Jahren und als Familienvater.
Kürzlich hattet ihr einen Gig mit FEINE SAHNE FISCHFILET, einer Band, die nichts mehr über ihren linken Standpunkt zu äußern braucht. Wie war der Gig, worum ging es konkret und wie war die Stimmung unter den Bands und im Publikum?
Wir kennen FEINE SAHNE FISCHFILET, da sie ja auch aus Rostock kommen. Deren Sänger erklärte mir mal die ganze Sachlage mit dieser Verfassungsschutznummer, das ist ja inzwischen auch schon wieder vier bis fünf Jahre her, so konnte ich mir mal ein eigenes Bild machen. Politisch haben wir einen gemeinsamen Nenner. Das Publikum bei dem Gig ... ja, das war wohl wieder Teil eines lokalen Phänomens in Rostock. Man trug wieder zahlreich KRAWALLBRÜDER- und FREI.WILD-T-Shirts, so dass uns die heimische Antifa fragte, wie das sein kann.
Und was habt ihr denen entgegnet?
Dass es nicht nachvollziehbar für uns ist. Wir haben da auch keine endgültige Erklärung. Da haben einige Zuschauer anscheinend die politischen Zusammenhänge nicht so parat. Da ist oft Unwissenheit zu finden, auch Desinteresse. Wir haben das auch schon des Öfteren mit den Leuten besprechen wollen, aber die wussten teilweise gar nicht, worauf wir hinauswollten ... Manchmal fragt man sich doch: Haben die uns eigentlich nie richtig zugehört, weil die mit solchen Shirts zum Gig kommen? Bunt gemischtes Publikum allerdings waren wir ja gewohnt, wir sind zwar im Skinhead-Umfeld beheimatet, aber zu uns kamen immer schon auch andere Leute, selbst Grufties und Metaller
Bei dieser Band aus Südtirol, die sich mittlerweile wie einst BÖHSE ONKELZ bequem in eine Märtyrerrolle flüchten kann und die auch durch die Ablehnung, dank der ständigen Erwähnung, immer weiter wachsen kann – ist es nicht genau das Falsche, sich gegen die zu positionieren, statt sie einfach völlig zu ignorieren?
Na ja, das mit den Onkelz war schon eine ganz andere Zeit, heute stoßen die Kiddies eben im EMP-Katalog auf solche Bands wie FREI.WILD. Die sind halt unaufgeklärt. Ich denke, viele wissen zum Beispiel gar nicht, was ein Fanzine ist. Wobei, klar, die Masche der beiden Combos ist schon ähnlich gelagert, diese langweilige Selbstbeweihräucherung, dieses Kleinkarierte, diese alberne „Die da oben, wir hier unten“-Schiene. Man muss aber bisweilen etwas diplomatisch vorgehen, mein Neffe saß kürzlich auch mit einem Shirt der Südtiroler am Tisch, ich habe dann mal versucht, ihn ein wenig aufzuklären. Gut, auch bei meinem direkten Nachbarn würde ich das noch probieren, drei Häuserblöcke weiter gehe ich nun aber nicht mehr unbedingt klingeln ... Die Zeiten, als ich mir jeden, der mit Thor-Steinar-Jacke rumläuft, gepackt habe, sind langsam vorbei.
Von euch ist bekannt, das ihr privat nicht die Musik hört, die ihr selber macht. Kläre uns doch mal auf bis wohin euer privates Musikspektrum reicht ...
Das geht von HipHop bis Metal, Jazz und sehr gerne auch zur Klassik hinüber. Ich meinte ja bereits im letzten Interview, dass wir selbst auch keinen „Rumpel-Oi!“ machen wollen. Es gibt sogar Oi!-Bands, mit denen wir privat sehr gut können, aber eine Platte lege ich mir von denen trotzdem nicht auf den Teller. Wir mögen wirklich vieles, Johnny Cash, NOFX, COCK SPARRER. Bei den BROILERS sieht man auch eine gute, nachvollziehbare musikalische Entwicklung. Wir gehen beim Songwriting auch nicht nach Schema F vor, also: C, G, A, E und fertig. Nein, es muss von Herzen kommen. Manche Fans meinen dann, dass einige Songs sie etwas befremden, aber damit können wir leben. Wir sind immer noch Musiker, ich bin ja nicht hauptberuflich Skinhead und richte mein Leben komplett danach aus ...
In unserer aktuellen Ausgabe haben wir ein Special zum Thema Bandshirts, wie konsumfreudig seid ihr da?
Ich gehe jetzt keine Kataloge mehr durch, das war eher in jungen Jahren der Fall. Wenn ich sehe, wie Skins bei der Hitze mit Hemd und Boots rumlaufen und ich in Badeschlappen und Shorts, dann verwundert das schon manchmal, aber ich verurteile das natürlich nicht.
Ihr hattet ja sogar mal auf Tournee in Spanien für eine deutsche Szeneband großen Erfolg. Sind solche Ausflüge wieder in Planung oder geht das neben Job und Familie schlicht nicht mehr?
Mein Kind ist jetzt eineinhalb Jahre. Wenn so was noch mal ansteht, dann sollte die ganze Familie eingespannt werden. Niemand hat Bock, die Frau mit dem Zwerg zu Hause alleine zu lassen.
Was ist besser geworden in der Underground-Kultur und was aus euren Anfangstagen vermisst du?
Ich vermisse den Enthusiasmus von früher. Dass Leute einfach irgendetwas machen, sei es ein Label, ein Fanzine oder anderes, um die Szene am Laufen zu halten. Heute ist wohl der Konsum das Wichtigste. Als Verbesserung könnte man anführen, dass die Hörerschaft größer geworden ist. Das bringt jedoch wiederum auch Nachteile, da es so Leute erreicht, für die unsere Texte gar nicht gemacht sind, beispielsweise der von „Sex, Gewalt und gute Laune“.
Für den Skinhead-Kult ist Freundschaft ja fundamental. Mit welchen Bands seid ihr wirklich „dicke“?
Es sind Bands aus älteren Tagen wie SMEGMA, VOLXSTURM, 4 PROMILLE oder die BROILERS, Früher hatte man eben auch öfter privat guten Kontakt.
„Ein Skinhead ohne Stiefel“ – war das euer größter Song oder würdest du andere dann doch vorziehen?
Das Lied war als gesungener Witz gedacht. Aus Stuttgart gab es damals die Band BLANC ESTOC und die hatten einen Song namens „Ein Skinhead ohne Fanzine“. Unser Lied ist also lediglich eine Persiflage. Bei den für mich am wichtigsten Songs denke ich eher an solche, die mir aus der Seele sprechen, weil ich die auch selbst geschrieben habe, wie „Mein Recht“, das eben erwähnte „Sex, Gewalt und gute Laune“. Und natürlich „Good night, white pride“, das ist ein Lied, bei dem live die Fäuste in die Luft gehen.
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