LOIKAEMIE

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Skinheads at heart

Über Oi! und Skinheads kann man sich immer wieder streiten. Für die einen sind alle Skins Prolls, für die anderen Nazis oder nur eine Möglichkeit, ihrer puren Manneskraft Ausdruck zu verleihen. Dass es aber auch Skinheads gibt, die weit ab von Klischees leben und sich auch mal Gedanken machen, haben LOIKAEMIE mit ihrem neuen Album “III” bewiesen. Dieses Interview führte ich mit Thomas (Voc. & Git.), Paul (Bass) und Mike (Drums) im kleinen Kaff Rheinberg, wo sie zusammen mit den STITCHES und den BLOW JOBS spielen sollten. Da ich nicht wusste, was mich bei den Dreien erwartet, war ich sehr gespannt, wie alles verläuft, aber nachdem Knock-Out Records-Chef Mosh mir den Schlüssel zur Schatzkammer gab (ein blaues Band für den Backstageraum), war nach einigen Bieren die Nervösität verschwunden.


Bei eurem neuen Album sind sehr viele Texte mit einem Augenzwinkern versehen. Kommt es vor, dass manche Leute den Witz dahinter nicht verstehen wollen und euch einen Strick daraus drehen?

Thomas:
Die Texte und der Inhalt, um den es geht, basieren auf unseren persönlichen Erfahrungen. Nur weil wir manche Situationen bei uns Zuhause so erleben, muss das ja nicht überall so sein. Wenn es ein Thema gibt, das uns wirklich interessiert, drücken wir es entweder auf die ernste Art und Weise aus oder wir machen uns darüber lustig, aber ohne es durch den Kakao zu ziehen. Es liegt ja an den Leuten selber, ob sie es falsch interpretieren und nicht an uns. ‚Rock’n’Roller Johnny’ ist da so ein Beispiel. In dem Lied geht es ja nicht darum, dass wir keine Rock’n’Roller mögen würden, sondern darum, dass die Leute aufhören sollen zu denken, dass sie die Coolsten wären.

Ihr habt ja schon auf eurem ersten Demo bis hin zum neuen Album immer Texte gegen Rechts gehabt. Wieso denkt ihr tauchen bei euren Konzerten trotzdem Nazis auf bzw. warum will die Antifa euch manchmal in die rechte Ecke drücken?

Thomas:
Wir sind da wahrscheinlich eine Ausnahme. Bei unseren Konzerten tauchen definitiv keine Nazis auf!
Paul: Jedenfalls keine, die sich zu erkennen geben.
Thomas: Mit der Antifa haben wir halt das Problem, dass die unsere Texte nicht lesen oder sie einfach nicht verstehen wollen.
Paul: Außerdem werfen sie uns nach zwölf Jahren immer noch unsere Vergangenheit vor.

Ich frage jetzt mal bewusst naiv: Was für eine Vergangenheit denn?

Thomas:
Es ist halt eine Tatsache, dass wir Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger über die Naziszene in die Skinheadszene gerutscht sind.
Paul: Das soll jetzt auch nicht nach einer billigen Ausrede klingen, aber wir sind eben in der DDR groß geworden und die ersten Skinheads, die man da getroffen hat, waren halt rechte Skins. Von normalen Skinheads hatten wir keinen Plan und da wir das damals irgendwie cool fanden, haben wir uns da erst mal angeschlossen. Das Wissen darüber kam ja erst viel später.
Thomas: Wir haben damals Naziskins getroffen, aber das war für uns nie ein Parteiding oder etwas extrem politisches. Viele von denen hatten keinen richtigen Grund Nazis zu sein und machten erst später diese krasse Entwicklung durch. Wir waren damals die Einzigen, die damit Schluss gemacht haben. Heute haben wir nichts mehr mit den Leuten zu tun, grüßen die nicht mehr und gehen erst recht nicht mit denen saufen. Das ist für uns absolut tabu, im Gegensatz zu vielen anderen Leuten.

4 PROMILLE haben aufgrund der Vergangenheit eines ihrer Mitglieder teilweise die selben Probleme. Sie beziehen auch klar Stellung gegen Rechts, doch werden ihnen teilweise immer noch Nazi-Vorwürfe gemacht.

Mike:
Jeder hat doch das Recht sich zu verändern. Wenn man immer wieder auf der Vergangenheit rumreitet, wird das ein endloses Ding.
Paul: Scheinbar haben die Leute Langeweile und suchen den Feind in den falschen Reihen.

Ein gern benutzter Spruch ist ja auch: “Einmal Nazi, immer Nazi”. Wie reagiert ihr auf solche Sprüche?

Thomas:
Das ist absoluter Blödsinn. Wenn man sich weiterentwickelt, was man als intelligenter Mensch eigentlich tut, dann sollte man jedem eine Chance geben und ihn auch tolerieren.
Paul: Man lernt schließlich aus Fehlern.
Thomas: Wenn so ein kleines Arschloch allerdings bei den Nazis nichts zu melden hat und meint, auf unseren Konzerten rumhängen zu müssen, obwohl er immer noch diese Einstellung hat, dann hat er natürlich keine Chance verdient.

Werdet ihr vielleicht auch in diese Ecke gedrückt, weil ihr mal auf einem Sampler zusammen mit KAMPFZONE wart? Diese Band ist schließlich alles andere als unpolitisch.

Thomas:
Das kam so: Der jetzige Sänger von KAMPFZONE war früher ein Kumpel von unserem Drummer und hat mit ihm in einer Punkband gespielt. Der Sänger wechselte dann zu der Band HÄSSLICH, mit der wir auch ein paar Konzerte gespielt haben. Die Leute waren damals okay, und textlich sowie privat gab es nichts auszusetzen. Nachdem er dann bei HÄSSLICH ausgestiegen war, wechselte er zu KAMPFZONE, welche ja jetzt diesen krassen Weg einschlugen. Zu der Zeit, in der wir mit denen auf einem Sampler vertreten waren, gab es noch keinen Grund zu sagen, dass wir nichts mit denen zu tun haben wollen. Damals war das noch eine relativ ‚normale’ Band ohne die bescheuerten Aussagen, die sie heute haben. Heute distanzieren wir uns selbstverständlich absolut von denen.

Ihr habt ja bisher immer ziemlich viele Lieder über das Skinhead-Dasein bzw. Skinheads im allgemeinen geschrieben. Bei “III” gibt es das Lied “Wir sind geil”, welches meiner Meinung nach eher Schläge in den eigenen Reihen austeilt. Wie seht ihr das?

Paul:
Das Lied ist genauso zu verstehen wie ‚Rock’n’Roller Johnny’. Das handelt halt auch von Klischees, auf denen die Leute rumreiten, weil sie die cool finden. Ich finde nicht, dass man sich über Klischees definieren sollte, sondern lieber über einen straighten gedanklichen Weg. Es bringt nichts morgens früh aufzustehen, ‚Oi!’ zu schreien und sich ein Bier aufzumachen. Es gibt noch genug drumherum und das sollte einem eigentlich nicht egal sein.

Ich persönlich finde, dass die Skinheadszene, genauso wie die Straight Edge-Szene, sich selber viel zu ernst nimmt.

Thomas:
Das finden wir auch. Wir sehen auch nicht aus wie Bilderbuch-Skinheads, aber wir sind im Kopf und im Herzen Skinheads. Unsere Grundaussage ist, dass man nicht alles so ernst nehmen soll. Egal ob man Punk, Skinhead, Hardcore oder sonst was ist. Das ist halt nicht alles im Leben. Wenn man sich immer auf eine Sache beschränkt, bleibt man doch höchstens zehn Jahre dabei und das war’s.
Paul: Es gehört halt kein Outfit oder Bier saufen dazu. AGNOSTIC FRONT waren zwischendurch auch auf Abwegen, aber von ihren Anfängen her und auch jetzt wieder sind sie ja eine Skinheadband, bloß auf einem anderen Weg. Ich finde, dass Punk, Rock’n’Roll, Oi! oder Hardcore doch alles dieselbe Mischpoke ist. Wir ziehen alle an einem Strang.
Thomas: Mich stört dieses kleinkarierte Denken. Wenn wir jetzt mal Chucks anhaben und dann angelabert werden: ‚Hey ihr seid doch Skins. Wieso habt ihr solche Latschen an?’ Das finde ich bescheuert. Genauso ist das bei Musik. Warum sollte ich etwas nicht hören, obwohl es mir gefällt. Wenn mir dieser langweilige Ben Sherman-Rock nicht gefällt, dann ist das halt so. Es ist absoluter Quatsch, sich in einer Subkultur zu bewegen und dann so intolerant zu sein.
Mike: Man hat ja auch mal einen schlechten Tag und wenn man sich dann noch irgendwelchen Knüppelpunk reinzieht, dann wird das doch noch schlechter.

Viele Szenen sind untereinander ja auch sehr intolerant.

Paul:
Genau, ich wurde mal auf einem Straight-Edge-Veganer-Konzert nicht reingelassen, weil ich Lederschuhe anhatte. Das ist schon sehr affig.
Thomas: Wir haben ja als Band auch schon lebenslanges Hausverbot in einem Veganer-Laden bekommen. Die haben uns als Catering einen Riesentopf mit heißem Wasser und Möhrenscheiben hingestellt. Wir haben dann erst mal Pizza bestellt und ein paar Kollegen angerufen. Die kamen dann mit ’nem Grill und einem Beutel Steaks an und haben gemütlich gegrillt. Natürlich war das auch Provokation von unserer Seite aus.

Auf einem eurer älteren Alben singt ihr in einem Lied “Politik ist etwas für die Schwachen”. Wie meint ihr das?

Thomas:
Früher gab es Rechte und Linke. Die haben sich aufs Maul gehauen und damit war es dann gut. Als unsere erste Platte dann rauskam, gab es plötzlich dieses unpolitische Ding. Das war vom Prinzip her auch noch okay. Mittlerweile ist das aber ein Alibi für irgendwelche hohlen Leute geworden und hat absolut nichts mehr mit dem zu tun, was wir denken. Zu der Zeit, in der dieses Lied entstanden ist, war diese dritte Stufe der Entwicklung im Kommen. Der Text sollte einfach nur Ausdrücken, dass man wissen sollte, was man will, und nicht einfach sagen: Ich bin links, unpolitisch oder rechts, ohne so zu denken. Wir machen auch nicht nur unser Maul auf, sondern setzen das, was wir sagen, auch in die Tat um. Das Problem ist ja, dass S.H.A.R.P. oder ‚Good Night, White Pride’ zu einem beschissenen Alibiding geworden ist. Viele Leute, die keine eigene Meinung haben, kleben sich einfach was auf die Jacke, um akzeptiert zu werden. Ich arbeite in einem Klamotten- und Schuhladen und sehe ja, wer sich die ganzen Aufnäher holt. Da haben bei Skins ‚Good Night, White Pride’-Aufnäher denselben Stellenwert wie irgendwelche Antifa-Aufnäher bei 14-jährigen Kiddiepunks.

Jetzt zur letzten Frage: Warum müssen Skinheads auf Albumcovern immer böse gucken?

Thomas:
Du meinst bestimmt das Cover von unserem zweiten Album, oder?
Paul: Im Prinzip hatten wir keine andere Möglichkeit. Wir hatten halt mal Photos geschossen und irgendwann waren wir soweit, dass wir eine neue Platte machen wollten. Das waren die einzigen Photos, die wir dann hatten und deswegen mussten wir die nehmen.
Thomas: Das war aber auch ironisch gemeint. Das Album hieß ja auch ‚Wir sind die Skins...’ und der Albumtitel ist gegen Boneheads, also Nazis, gerichtet. Das Photo war auch eine Idee des Photographen. Später, als die Platte rauskam, haben sich tierisch viele Leute darüber aufgeregt, dass ich da mit Schlagring zu sehen bin.
Mike: Wenn man sich das Album anhört, merkt man schon, dass wir auch ziemlich aggressive Musik spielen. Wenn wir da ein Cover gemacht hätten, wo wir alle mit Blümchen rumstehen, hätte das doch doof ausgesehen.