HOT WATER MUSIC

Foto© by Quinten Quist

Fünf Freunde

Kaum eine Band hat es geschafft, die hiesige Punkrock- und Hardcore-Szene so unter einen Hut zu bekommen. Man kann ihnen mit Fug und Recht Legendenstatus bescheinigen. Zwar blieben sie in den letzten Jahren etwas unter ihren musikalischen Möglichkeiten, aber wie es aussieht, wird sich das mit dem neuen Werk „Feel The Void“ von Grund auf ändern. Wir dürfen mit den überaus entspannten und selbstreflektierten Chris Wollard, Jason Black und George Rebelo ein ausführliches Schwätzchen halten über neue Ansätze, das aktuelle Album, den Einstieg des THE FLATLINERS-Frontmanns Chris Cresswell und ihren Wechsel zum BOYSETSFIRE-Hauslabel End Hits Records.

Feel The Void“ steht in den Startlöchern. Was könnt ihr uns zum Entstehungsprozess und eurer Motivation erzählen?

Jason: Es ist vielleicht ein wenig ein Schritt zurück in Richtung Oldschool-HOT WATER MUSIC, wenn man das so sagen kann. Aber natürlich auch mit komplett neuen Einflüssen, da wir ja jetzt zu fünft sind. Als wir gerade die Entscheidung getroffen hatten, ein neues Album aufzunehmen, kam uns die Pandemie in die Quere. Es war ein verdammt langer Prozess von dieser Entscheidung bis hin zur Fertigstellung von „Feel The Void“. So hatten wir aber auch einfach mehr Zeit, alle Songs zu hinterfragen und jede Menge Finetuning vorzunehmen. Somit hat quasi nicht unbedingt die Pandemie eine frühere Veröffentlichung verhindert, sondern unsere etwas veränderte Herangehensweise. Es gab einfach viele Kleinigkeiten, die wir richtig machen wollten. Die Hoffnung war, es im Oktober 2021 veröffentlichen zu können und die neuen Songs auf der Tour mit BOYSETSFIRE zu präsentieren. Da die Tour ins Jahr 2022 verschoben wurde hat das im Endeffekt alles sehr gut gepasst.

HOT WATER MUSIC sind eine der wenigen Bands, bei denen ich mir eine gewisse Punkrock-Romantik nicht verkneifen kann. So stelle ich mir zum Beispiel immer vor, ihr schreibt alle Songs noch gemeinsam im Proberaum. Eine sehr unrealistische Vorstellung, oder?
Chris: Grundsätzlich wirklich eine völlig unrealistische Vorstellung, haha. Und hier zugleich Grund Nummer 1.500.000, wieso HOT WATER MUSIC als Band absolut keinen Sinn macht. Wir schreiben seit ungefähr zehn Jahren jeder für sich selbst und schicken uns das Ganze dann per Mail zu. Es gibt leider wenig andere Möglichkeiten. Da Chuck in Kalifornien ist und Jason eine lange Zeit in New York, Seattle und Atlanta gelebt hat. Also haben wir uns gar keine andere Arbeitsweise aussuchen können. Das Verrückteste bei „Feel The Void“ war jetzt aber, dass wir aus unerfindlichen Gründen und ein paar seltsamen Zufällen den Großteil des Albums wirklich gemeinsam als Band geschrieben haben. Das erzeugt natürlich noch mal eine andere Dynamik und ich finde, das hört man auch. Jason und George und ich jammen sehr viel und wir tauschen uns dann mit Chuck und Chris Cresswell aus, um alles irgendwie zusammenzuschustern.

Okay, Romantik restored! „Feel The Void“ fühlt sich dabei so verdammt anders an, als es „Light It Up“ oder „Shake Up The Shadows“ getan haben. Habt ihr eine Idee, woran das liegen kann?
George: Die Antwort lautet ganz eindeutig: Produzent Brian McTernan. Er hat uns davon überzeugt, uns auf unsere Wurzeln zurückzubesinnen. Dem Rhythmus wieder mehr Platz einzuräumen, wie wir es früher getan haben.
Jason: Das letzte Album, bei dem wir mit einem Produzenten zusammengearbeitet haben, war „Exister“, und so was hat immer eine andere Dynamik. Dann muss man auch sagen, dass Chris Cresswell nun Teil der Band ist, dadurch hat sich auch sehr viel verändert. Er bringt noch mal eine andere Perspektive mit und er ist ein höllisch guter Songwriter und Gitarrist. Ich will nicht alles schlecht reden, aber im Nachhinein glaube ich, wir hätten bei den letzten Veröffentlichungen einige Dinge anders machen sollen. Wir hätten uns mehr Zeit nehmen und intensiver an allem arbeiten müssen. Es hat da einfach nicht klick gemacht. Diesmal hat es wirklich viel Spaß gemacht, unsere früheren Methoden und Herangehensweisen zu reaktivieren, aber eben mit einem neuen Twist.

Woher rührt dieses besondere Verhältnis von euch zu Deutschland? Immerhin habt ihr euch hier einmal aufgelöst.
George: Als wir zum ersten Mal nach Deutschland kamen, hatten wir ungefähr dreißig Shows. Das war eine ganze Menge. Wir haben alles mitgenommen, was ging. Die erste Show, die wir jemals gespielt haben, war in Roßwein. Deutschland war irgendwie auch so unser erstes Mal außerhalb der USA und ist schon alleine deswegen etwas absolut Besonderes für uns. Wir hatten vorher keine Vorstellung davon, was uns erwarten würde. Und dann waren auf der Tour alle so nett zu uns. Wir trafen unsere ersten Europäer und jeden Tag durften wir bei jemandem übernachten und alles war sehr persönlich und familiär. Wir haben damals einige Leute kennen gelernt, die noch heute enge Freunde von uns sind. Wir haben uns wohl damals in Deutschland verliebt und es wurde über all die Jahre auch nicht weniger. Man muss aber auch dazusagen, dass wir in Deutschland mit Abstand am erfolgreichsten sind. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass wir uns hier schlicht den Arsch abgespielt haben.

Trotzdem habt ihr euch nach einer Show in Münster getrennt. Wie kam es dazu?
Jason: Ich glaube, zu dem Zeitpunkt waren wir einfach ausgebrannt. Auch kreativ. Wir hatten gerade diese Tour in einem fremden Land hinter uns gebracht und gemerkt, wie sehr uns unsere Familien und Freunde zu Hause fehlen. Das war nicht wirklich einfach damals. Heute sind wir froh, dass wir das alles so gemacht haben, und nach einer Verschnaufpause wieder erkannten, wie wichtig uns HOT WATER MUSIC sind. Es ist manchmal extrem wichtig, einen Schritt zurück zu treten und sich selbst zu hinterfragen. Hätten wir das damals nicht so gemacht, wären wir sicherlich heute nicht dieses gefestigte Kollektiv, das wir sind.

Nun steht ja später in diesem Jahr die große Tour mit BOYSETSFIRE und SAMIAM an. In Wiesbaden musste sogar ein zweites Date aus dem Hut gezaubert werden, da der Kartenvorverkauf so extrem gut lief. Klingt alles nach einer riesigen Sause mit dem erweiterten Freundeskreis?
Jason: BOYSETSFIRE hatten uns gefragt, ob wir mit auf Tour kommen wollen. Da sagst du sowieso nicht nein. Wir sind seit Jahrzehnten sehr gut befreundet und freuen uns riesig auf die Shows. SAMIAM kennen wir auch schon ewig, das wird so ein richtig familiäres Ding. Dass der Vorverkauf dann noch so krass gut läuft, ist natürlich die Kirsche auf der Sahne. Man merkt deutlich, das die Leute unbedingt wieder auf Konzerte gehen wollen und förmlich nach Live-Shows dürsten. Wir übrigens auch.

Chris kommst du mit auf die Tour?
Chris: Oh je, nein. Mir geht es besser denn je und es macht mir unendlich viel Spaß, mit den Jungs ein Album zu schreiben und aufzunehmen. Was allerdings Live-Shows angeht, bin ich momentan gewissermaßen in Rente. Ich will nicht ausschließen, dass sich das irgendwann noch einmal ändert, aber momentan hat meine mentalen Gesundheit absolute Priorität. Ich bin sehr froh und dankbar, dass dafür jeder Verständnis hat und die Band und alle in unserem Umfeld mich dahingehend so stark unterstützen.

„Feel The Void“ wird auf End Hits Records erscheinen, dem Hauslabel von BOYSETSFIRE sowie Szene-Urgestein und Ur-Bayer Oise Ronsberger.
Jason: Oise ist ein langjähriger Freund und Wegbegleiter und nachdem wir unsere letzten Platten bei Rise Records veröffentlicht hatten, haben wir einfach eine Veränderung gebraucht. Die Zusammenarbeit mit Rise Records war zwar okay, aber wir hatten manchmal das Gefühl, dass man nicht genau wusste, was man mit uns anfangen sollte. Oise macht seit Jahren einen extrem guten Job mit End Hits Records, kennt uns als Band und weiß, was wir wollen. Seine Arbeitsweise und das Zwischenmenschliche passen einfach extrem gut. Das wird alles super. Hinzu kommt schließlich noch Mirko Gläser von Uncle M, der sich mit seinem Team um die gesamte Promo kümmert. Quasi eine deutsch-deutsch-amerikanische Gemeinschaftsproduktion. Wir wissen, dass wir uns auf diese Leute verlassen können, da eben vieles auf freundschaftlicher Basis und ganz ohne Druck abgewickelt wird.