HOT WATER MUSIC

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Die Band mit den vier Baseballschlägern

HOT WATER MUSIC, im Folgenden HWM, benannt nach einem Roman von Charles Bukowski und bestehend aus Chuck Ragan (Gesang, Gitarre), Chris Wollard (Gesang, Gitarre), Jason Black (Bass) und George Rebelo (Drums) aus Gainesville, Florida, waren für den Punk/Hardcore-Mikrokosmos der letzten Dekade so prägend wie kaum eine andere Band.

Angefangen von den frühen Veröffentlichungen „Finding The Rhythms“ (1995) und „Fuel For The Hate Game“ (1997) auf dem Heimatlabel No Idea über „Forever And Counting“ (1997) auf Doghouse, „No Division“ (1999) auf Walter Schreifels’ Some Label sowie „A Flight And A Crash“ (2001), „Caution“ (2002) und „The New What Next“ (2004) auf Epitaph waren stets Veränderungen im Sound zu verzeichnen, mit dem Hang zu eingängigeren und melodischeren Songs in der Spätphase. Die grobe Marschrichtung der Band blieb aber immer die gleiche: Eingängiger Punkrock mit tiefen, heiseren Vocals aus dem schwülen Florida, der sich vor allem live immer vollkommen verausgabte und dadurch stets authentisch wirkte. Zwischendrin fand noch ein kleiner Ausflug zu BYO statt, wo eine Split-LP (1999) mit den Brüdern im Geiste LEATHERFACE erschien.

Ein weiteres Merkmal der Amerikaner war immer die Abstinenz von großen Gesten und sämtlichem Füllmaterial sowohl in musikalischer wie auch inhaltlicher Hinsicht, man präsentierte sich so, wie man war, und spielte seinen eigenen Stiefel herunter, ohne groß nach links und rechts zu blicken. Sämtliche Äußerlichkeiten, die in der Wahrnehmung von einigen aktuellen Bands bedeutsam erscheinen und in diversen Punk-Subgenres fast als essentiell gelten, spielten bei HWM selbst nie eine Rolle. Diese Einfachheit, nicht zu verwechseln mit Beliebigkeit, zieht sich wie ein roter Faden durch die Bandgeschichte, und auch alle vier Mitglieder sind stets standhaft geblieben und haben mit dem großen Rock’n’Roll-Zirkus vergleichsweise wenig zu tun.

Das mag auch daran liegen, dass der heutige Erfolg der Band nie zugeflogen ist: In den späten Neunzigern wurde die Jugendzentren der Republik hoch und runter gespielt, die größeren Clubs und Hallen sind eher den neuesten Popularitätsentwicklungen geschuldet. Man weiß also durchaus, wo man herkommt.

Und obwohl es zwischenzeitlich kleinere Pausen gab, denn ständiges Touren auf der ganzen Welt muss Spuren im Privatleben hinterlassen, waren die vier bekannten Gesichter nie wirklich verschwunden: THE DRAFT, THE BLACKTOP CADENCE, RUMBLESEAT, CHRIS WOLLARD & THE SHIP THIEVES und natürlich Chuck Ragan auf Solopfaden sind die bekannteren von vielen weiteren Nebenprojekten, die immer dafür sorgten, dass das HWM-Banner über den Köpfen der genannten Bands schwebte. Was die Studioaktivität von HWM angeht, herrschte allerdings seit dem 2004 auf Epitaph erschienenen Album „The New What Next“ Funkstille.

Zumindest bis zum August 2011, als zur Europatour der Band eine 7“ mit den zwei neuen Songs „The fire, the steal, the tread“ und „Adds up to nothing“ veröffentlicht wurde. Erstaunlich war das verantwortliche Label, das auf dem Backcover zu sehen war: Hot Water Music Records. Da war er also wieder, der symbolische Mittelfinger, der „Do It Yourself“-Gedanke. Es war wenig erstaunlich, dass sich in den Wochen und Monaten danach immer deutlicher abzeichnete, dass es ein neues Studioalbum geben wird. Was allerdings sehr wohl erstaunlich war, ist die Tatsache, dass Rise Records, eher bekannt als Heimat für sämtliche Spielarten von modernem Metalcore, als neuer Unterstützer gewählt wurde.

„Wir hatten noch zwei weitere Alternativen, über die wir aber nur kurz nachgedacht haben“, erläutert mir Chris Wollard an einem warmen Frühlingstag kurz nach einer Show. „Es war schnell klar, dass Rise Records das Label ist, das am begeistertsten von uns war. Und genau das wollten wir. Mich kümmern diese ganzen anderen Bands auf dem Label nicht, wir unterschreiben nicht bei einem Label wegen anderer Bands. Das Einzige, das mich an einem Label interessiert, ist die Frage, ob es unsere Band versteht und wirklich daran interessiert ist, uns zu unterstützen. Du hast meine Plattensammlung gesehen, glaubst du wirklich, ich habe eine Ahnung, wer all diese Bands auf Rise sind? Es ist mir egal, ich wünsche ihnen viel Erfolg, aber sie interessieren mich nicht. Craig, der Mann hinter Rise Records, war einfach Feuer und Flamme, hat ein gutes Angebot gemacht und wir haben zugesagt. Passen wir etwa besser auf Fat Wreck Chords? Auf Epitaph? Ich denke nicht. Wir passen dahin, wo wir uns am wohlsten fühlen.“

Und Jason Black fügt hinzu: „Rise Records weiß, dass wir diese ganzen anderen Bands nicht mögen. Als wir bei Epitaph unterschrieben haben, war es genauso, außer BAD RELIGION und ,The Shape Of Punk To Come‘ von REFUSED hat mir auf dem Label nichts gefallen. Bei No Idea ist es ähnlich, da missfallen mir genau so viele Veröffentlichungen wie bei Rise, das ist aber auch nicht entscheidend. Entscheidend ist für uns, wie sehr das Label an uns interessiert ist und unsere Ideen unterstützt. Abgesehen davon ist Craig ein langjähriger Fan der Band und niemand, der uns gerade eben entdeckt hat. Und wir haben in gewisser Weise die Tür bei Rise einen Spalt geöffnet, da kommen jetzt ein paar coole Bands raus, zum Beispiel CHEAP GIRLS oder die Lizenzpressung der neuen BOUNCING SOULS-Platte. Und es gibt dieses feste Labeldenken auch nicht mehr wirklich, die typischen Epitaph-Kids existieren nicht mehr, die Labels sind alle vielseitiger geworden.“

Betrachtet man das Coverartwork der neuen LP, die auf den Namen „Exister“ hört und Mitte Mai 2012 veröffentlicht wurde, wird sofort klar, dass derjenige, der sich für alle vorherigen HWM-Cover verantwortlich zeigte, Scott Sinclair, hier nicht am Werke war. Ungewöhnlich, hatte die Band doch sonst immer dem gleichen Künstler vertraut und den Alben somit zumindest vom Artwork her einen fortlaufende Verbindung verliehen. Wie so oft ist die Erklärung dafür aber weitaus weniger spektakulär, als man denken mag.

„Er sollte das Cover eigentlich gestalten, befand sich aber nach eigenen Angaben in einer kleinen Schaffenskrise und war zeitlich nicht in der Lage, eine gesamte Albumgestaltung zu übernehmen. Ich gehe davon aus, dass er beim nächsten Cover wieder für uns arbeiten wird. Es hat diesmal terminlich einfach nicht gepasst. Somit haben wir dann Richard Minino, sein Künstlername ist Horsebites, ebenfalls ein sehr talentierter Künstler, angerufen und er hat das übernommen. Glücklicherweise haben wir eine große Zahl von kreativen Freunden um uns herum. Es ist mir vollkommen klar, dass die Leute das merken werden, aber ich finde, es ist keine große Sache“, erläutert Chris weiter. Jason fügt halb scherzend hinzu: „Na ja, ich meine, wir hätten die LP auch ohne Cover herausbringen können, das wäre die andere Option gewesen. Abgesehen davon dachten die Leute schon bei dem ,The New What Next‘-Album und der neuen 7“ auf unserem eigenen Label, dass das Artwork nicht von Scott Sinclair stammt, was es aber tut.“

Obwohl die Band eng mit Gainesville, Florida in Verbindung steht, wohnen längst nicht mehr alle Bandmitglieder dort. Lediglich Chris und George sind in jener überschaubaren Universitätsstadt unweit von Orlando, die Veranstaltungsort des jährlichen Musikfestivals „Fest“ und Sitz von No Idea Records ist, noch ansässig. Chuck wohnt mittlerweile in Kalifornien und Jason ist erst kürzlich nach Seattle gezogen, also ebenfalls an die Westküste der USA. Da erscheint der Songwriting-Prozess doch erschwert zu sein.

„Die moderne Kommunikationstechnologie macht’s möglich. Wir haben unsere ganzen Ideen für Songs zunächst in Form von Demos via Mail ausgetauscht. Dann war Jason mal ein paar Tage bei Chuck in Kalifornien und bei Chris und George in Florida. Chris und George wiederum besuchten Jason, so dass ein paar Ideen zusammen ausprobiert werden konnten. Wir haben also immer zu dritt geschrieben“, erläutert die Band weiter. Chris fügt hinzu: „Und es war einfach, da unser Soundmann Ryan in Gainesville ein Studio besitzt, Black Bear Studios, so dass wir anstatt in den Proberaum zu gehen einfach ins Studio verschwunden sind und alle Ideen direkt aufgenommen haben. Es gab definitiv Momente beim Schreiben von diesem Album, in denen ich mir nicht sicher war, ob mir das alles über den Kopf wächst. Und ich war schon ein bisschen nervös, wenn es um die Reaktionen der anderen auf meine Demos ging. Ich habe dann immer gehofft, dass sie meine Ideen so sehr mögen wie ich selbst. Es gab so viele Songs, die ich super fand, nur um dann nach 100 Stunden weiterer Arbeit daran festzustellen, dass die nicht super sind, und ich einfach nur das Gefühl hatte, viel Zeit verschwendet zu haben. Normalerweise lief das bei uns ja immer so ab, dass wir zusammen geprobt haben, also einfach angefangen haben zu jammen, und wenn jeder gelächelt hat, war das eine gute Idee zu einem Song. Wenn keine Energie da war, haben wir die Idee verworfen und sind zur nächsten geeilt“.

Aber auch das Aussortieren von schlechten Songs gehört zum Schreiben dazu, wie Jason zu berichten weiß: „Der Eliminierungsprozess von schlechten Songs hat einfach viel länger gedauert, glücklicherweise hatten wir diesmal nicht so viele schlechte Ideen beziehungsweise einfach eine ganze Menge Songs, aus denen wir die guten rausgesucht haben“. Und dass die vier gute Individualmusiker sind, George hat beispielsweise eine Jazz-Ausbildung am Schlagzeug genossen, was dem geübten Auge beziehungsweise Ohr auch nicht entgeht, weiß die Band natürlich auch selbst. So erzählt Chris weiter, dass er von der Rhythmussektion der Band, also Bass und Drums, größten Respekt hat und zweimal überlegt, bevor er den beiden eine Songidee präsentiert. „Es gibt auch andere Situationen, in denen ich für mich selbst einfach ganz entspannte Songs aufnehme, zum Beispiel mit der Fingerpicking-Technik, einer besonderen Art des Gitarrespielens, wo es mich nicht interessiert, was andere davon halten, aber mit der Rhythmusabteilung von HWM geht das nicht, da müssen schon andere Ideen auf den Tisch kommen.“

Besonders hart war der Entstehungsprozess auch für Chuck, wie Jason erklärt, da der Frontmann der Band so lange auf Solofaden unterwegs war und sich nur auf sein eigenes Urteil verlassen konnte. „Er hatte lange keinen mehr, der ihm gesagt hat, dass diese oder jene Songidee vollkommener Mist ist. Und genau das habe ich getan, ich sage das dann auch so deutlich“, fügt Jason lächelnd hinzu.

Chris geht dabei noch auf einen anderen Punkt ein: „Bei den SHIP THIEVES habe ich beim Schreiben von Songs immer auch eine ganz gute Vorstellung davon, wie das Schlagzeug und der Bass zu klingen haben. Bei HWM ist das etwas anderes, die Jungs sind so verdammt gut, dass ich denen nie sagen würde, wie sie zu spielen haben. Natürlich habe ich eine grundlegende Idee davon, in welchem Takt ein Song geschrieben wird, aber was den genauen Beat angeht, hat George beispielsweise natürlich viel mehr Hintergrundwissen als ich. Er kennt zig verschiedene Beats auf dem Schlagzeug, die passen könnten, während ich als Gitarrist vielleicht gerade mal drei auf dem Schlagzeug kenne. Bei dem Song ,Boy, you’re gonna hurt someone‘ war es zum Beispiel so, dass ich George angerufen und ihn gefragt habe, ob er irgendwelche 9/8-Beats kennt. Ich habe ihm gesagt, dass ich da ein cooles Riff entwickelt hätte, aber absolut keine Ahnung habe, wie der Rhythmus dazu aussehen könnte. Das war dann also Georges Aufgabe und so entwickeln sich die Songs.“

Für Jason hatten die zwischenzeitlichen Solokarrieren von Chuck und Chris aber durchaus Vorteile zu bieten: „Die beiden haben mir einfach fast fertige Songs präsentiert, so wie sie es von ihren Soloprojekten gewohnt sind. Das hat mir viel Spaß gemacht, dass da oft sehr vollendete Ideen präsentiert wurden, wo ich mich dann einbringen konnte.“

Dass Klassiker der Band durchaus auch mal über Umwege entstehen können, erläutert Chris: „,Trusty chords‘ zum Beispiel entstand aus einem vollkommen anderen Song, an dem wir lange gearbeitet hatten und es dann schließlich aufgegeben haben, weil wir zu keinem Ergebnis kamen. Dieser Song bestand aus vielen einzelnen Parts und den Part, welchen wir am meisten mochten, war die Bridge, also nahmen wir die heraus und arbeiteten neu daran. Dann kamen erst die Vocals und alles andere dazu und das Endergebnis war ,Trusty chords‘, ehemals eben ,nur‘ eine Bridge aus einem gänzlich anderen Song. Ich mag es nicht, den anderen etwas vollkommen Fertiges zu präsentieren, es geht eher darum, gute Ideen vorzustellen, wie man verschiedene Strukturen verbinden könnte, das endgültige Zusammenfügen dieser Parts ist aber immer Bandaufgabe, nie die eines Einzelnen. Und insgesamt ist es natürlich so, dass die Fans nur die wenigsten Songs hören, weil viele vorher schon aussortiert werden oder einfach noch weiterer Arbeit bedürfen. Wir werden auf unserem eigenen Label wohl weiterhin 7“s mit Songs veröffentlichen, die es nicht auf das Album geschafft haben.“

Neben neuem Label und Künstler haben sich HWM diesmal auch mit einem neuen Produzenten eingelassen, der kein unbeschriebenes Blatt in der Punk-Szene ist: „Exister“ wurde in den Blasting Room Studios in Colorado mit Bill Stevenson (DESCENDENTS, BLACK FLAG) und Jason Livermore (DRAG THE RIVER) aufgenommen. „Auf der einen Seite gab es eine Menge Erwartungen an die neue LP, auf der anderen Seite wusste keiner, was man wirklich erwarten konnte. George hat es ganz gut getroffen, als er sagte, dass es sich ein bisschen anfühlt, als wenn wir unsere erste LP aufnehmen. Irgendwie wollten wir diese komfortable Zone verlassen, in der alles bekannt ist. Wir haben ja schon das Cover und das Label angesprochen. Wir haben uns dann also auch entschieden, mit einem neuen Produzenten zusammenzuarbeiten. Es ist einfach, immer wieder das Gleiche zu machen. Ein Wechsel ist stets schwieriger. Wir haben, bevor wir ins Studio gegangen sind, ein paar mal zusammen abgehangen und Bills Ruf als Musiker war einschüchternd genug für uns, mal ganz abgesehen von seinen Fähigkeiten als Produzent. Es war von Anfang an klar, dass wir seine Ideen ernst nehmen und nicht denken, dass wir alles besser wissen. Bill hat uns immer gesagt, dass wir die Ideen von jedem Einzelnen anhören müssen, weil irgendeiner sicher die richtige hat“, erklärt Jason.

Chris: „Es ist schwierig, wenn man den Produzenten nicht respektiert, man gerät dann täglich in Streit um einzelne Parts eines Songs. Und das ist ja auch ganz klar, man arbeitet da sechs Monate an einem Song und dann lässt man sich da nicht gerne reinreden, wenn man sein Gegenüber nicht respektiert. Es muss dann schon der Teamgedanke herrschen, dass man zusammen das beste Ergebnis erzielt. Bill hat ja sowohl Hardcore als auch Pop-Punk produziert und hat darum eine ganz gute Ahnung, wo wir herkommen. Er versteht sowohl die Melodien als auch die Aggressionen. Wir wollten diesmal nicht genau das Gleiche tun wie die Male zuvor. Ich wollte nicht das gleiche Gitarren-Fußpedal benutzen und so weiter. Es sollte diesmal neu klingen, ohne mit einer vorgefertigten Meinung und Idee ins Studio zu gehen.“

Aber was bedeutet „Produzieren“ wirklich? Was genau ist denn die Aufgabe des Produzenten und was ist gerade nicht seine Aufgabe? „Produzieren bedeutet für unterschiedliche Bands unterschiedliche Dinge. Brian McTernan, unser alter Produzent, ist ein guter Freund, der uns hilft, den richtigen Ton zu finden, und uns sagt, dass jener Part zu lang ist, dafür ein anderer zu kurz. Aber wenn er mit jüngeren Bands zusammenarbeitet, findet noch ganz viel Songwriting statt. Es gibt Bands, für die hat Brian die kompletten Alben geschrieben. Das ist bei uns natürlich nicht mehr der Fall. Aber wenn du als junge Band mit vier Songs ins Studio gehst, obwohl es eigentlich 20 sein sollten, dann bist du froh, wenn es jemanden gibt, der dir hilft. In dem Fall ist es seine Aufgabe, die Platte fertig zu machen und den andauernden Streit zwischen den Bandmitgliedern zu schlichten. Manchmal ist der Produzent also auch Therapeut. Und es ist wichtig, jemanden zu haben, der emotional nicht so sehr an den einzelnen Songs und Lyrics hängt wie derjenige, der sie geschrieben hat. Bill hat immer ganz klar gesagt, wenn ein Song Mist war. Das ist für uns das Wichtigste an einem Produzenten, jemand zu haben, der objektiv ist und uns aus diesem Stand heraus seine Meinung sagt. Bill hat zu mir gesagt, dass er sich unsere Band als vier Leute mit Baseballschlägern vorstellt und dass er möchte, dass sich unser Sound genauso anhört. Für mich als Gitarristen geht es immer darum, herauszufinden, wann ich mich in einem Song zurückziehe und der Rhythmussektion den Vortritt lasse, weil sie es ja letztendlich sind, die den Song zusammenhalten, und wann wiederum der richtige Moment gekommen ist, in dem ich einen Schritt nach vorne trete und das Ruder übernehme.“

„Es gibt mehr Bands, bei denen sich die einzelnen Mitglieder nicht mögen, als sich die Leute vorstellen können“, ergänzt Jason. George, der für kurze Zeit bei AGAINST ME! Schlagzeug spielte und mit Butch Vig als Produzent zusammengearbeitet hat, fügt noch hinzu, dass der Produzent dort auch noch für die komplette Unterbringung und Verpflegung der Band verantwortlich war, also durchaus Aufgaben außerhalb der Musik übernommen hat.

Und dann wäre da noch die Wahl des Titels „Exister“. Mit der ersten neuen LP nach acht Jahren, einem neuen Label im Rücken und einem neuen Cover-Künstler entscheidet sich die Band für „Exister“, einen Begriff, der eher Kontinuität vermuten lässt. Wie passt das zusammen?„Neben all den neuen Dingen, die diese Veröffentlichung mit sich bringt, sind wir immer noch eine Band, die sich nicht geändert hat. Es ist die LP, die wir machen wollten, unsere eigene Band, das ist es. Wir haben diese LP nicht für dich oder irgendjemand anders gemacht, sondern einzig und allein für uns selbst. Wir hatten viele unterschiedliche Ideen für die Benennung der LP, mit denen wir gespielt haben. Aber als ,Exister‘ ausgesprochen wurde, waren sich alle einig, dass der Titel irgendwie gut passt. Wir sind nicht mit dem Wissen ins Studio gegangen, wie die fertige LP heißen wird, das wurde erst klar, nachdem alle 13 Songs eingespielt wurden. Und was mir gut gefällt, ist genau das, was gerade bei dir passiert ist: Jeder macht sich seine eigenen Gedanken dazu und findet seine eigenen Interpretationen“, erzählt Chris.

„Mir wären deine Gedanken im Leben nicht in den Kopf gekommen, das ist seltsam, aber wirklich cool, ich gebe Chris in der Hinsicht also recht, es ist interessant, dass jeder einen anderen Sinn in ,Exister‘ sieht“, fügt George hinzu.

Aber wie steht es um die Mitsprache bei einem größeren Label wie Rise, ist die Band da eigentlich noch in die Merch-Auswahl und sämtliche Vinyloptionen mit einbezogen? „Oh ja, klar, das läuft noch alles über uns. Jason und ich haben zusammen die ganzen Vinylfarben ausgesucht und die gepresste Anzahl für jede Farbe festgelegt, wir hatten eine Riesenliste mit möglichen Farbkombinationen und haben alle ausgewählt, die uns gefallen haben“, erzählt Chris.

„Außerdem haben wir mit diesem größeren Preorder-Bundle, welches auch eine Jacke, CD, Poster etc. beinhaltet hat und welches man kaufen musste, um die seltenste Vinylfarbe zu bekommen, diesen ganzen Kids einen Riegel vorgeschoben, welche die seltenen Pressungen nur kaufen, um sie hinterher auf eBay für viel Geld weiterzuverkaufen. Der Preis für dieses Paket war dabei vollkommen fair“, erzählt Jason weiter.

Wie auch immer man zu den neuesten Merch-Entwicklungen stehen mag, dem geneigten Beobachter der Band fällt weiterhin auf, dass die Social-Media-Aktivitäten via Facebook und Twitter immer mehr zunehmen. Gibt es da einen gewissen Zwang, dem man sich ab einer gewissen Größe als Band nicht mehr entziehen kann? „Es ist einfach eine Chance, mit den Fans schnell in Kontakt zu kommen, ich muss keine ellenlangen Mails lesen und beantworten, sondern nur kurze, von der Wortanzahl begrenzte Texte, wie beispielsweise auf Twitter, das macht das Antworten leicht. Ich bin auch kein großer Fan von diesen Unterhaltungen auf Konzerten, ich bedanke mich natürlich, wenn mir jemand sagt, dass ihm die Show gefallen hat, aber ich habe selten Lust, mich dann lange zu unterhalten, dafür sind diese Social-Media-Dienste gut. Man kann den Fans einen gewissen Einblick gewähren, ohne zu sehr auf Tuchfühlung gehen zu müssen“, erklärt Jason das Verhalten der Band.

Halten wir also fest: HWM sind wieder da, obwohl die Band eigentlich nie richtig weg war. Es wird deutlich, dass HWM trotz einer beachtlichen Diskografie nie auf Quantität gesetzt hat, wie acht Jahre Album-Abstinenz klar beweisen. Und wie sehr die Band der Musikgemeinde gefehlt hat, wird schon beim ersten „Exister“-Hördurchgang klar. Solche Lieder, verbunden mit – bei genauem Hinhören – einer Menge musikalischer Raffinesse und Können, schreibt kaum eine zweite Band. Das alles bringt mich wieder zurück zum Anfang dieser Zeilen und der Bestätigung meiner Eingangsthese, dass bei diesen vier Herren Integrität nach wie vor Priorität hat und sich somit nicht viel verändert hat. Zum Glück.