Mit ihrem dritten Studioalbum „The Future Holds Nothing But Confrontation“ beschreitet die Band aus Köln und Dresden neue Pfade, öffnet ihr Soundbild und experimentiert mit Klargesang und Extreme-Metal-Elementen. Wir sprechen mit Sänger Robert und Bassist Chris über die musikalische Weiterentwicklung und das textliche Rückgrat des Albums.
Euer letztes Album „Sculpture Of Violence“ wurde praktisch von Corona gefressen. Wann habt ihr angefangen, neues Material zu schreiben, und wann war klar, dass dieses anders klingen würde als auf den bisherigen Alben?
Robert: Es war ziemlich schnell klar, dass sich der Sound ein bisschen ändern würde. Chris und Julian haben zu der Zeit auch zusammen gewohnt, das hat es einfacher gemacht. Wir haben das letzte Album beerdigt und dann haben wir weiter geschrieben.
Chris: Es gab schon eine kleine Trauerphase. Wir hatten wirklich vierzig Shows gebucht, Festivals in England oder eine Tour mit EMPLOYED TO SERVE, die einen Tag vorher abgesagt wurde. Wir haben nur das Release-Konzert gespielt. Dann gab es eine lange Phase, in der wir immer dachten: „Aber die Show ist in zwei Monaten, die können wir noch spielen“. Julian und ich haben zusammen gewohnt und ich habe angefangen Schlagzeug zu spielen – mehr schlecht als recht. Irgendwann haben wir dann zu zweit angefangen, Songs zu spielen. Ich glaube, dann war es so ein bisschen, irgendwie jetzt das dritte Album und das gibt es schon seit über zehn Jahren. Hardcore hat immer eine gewisse Halbwertszeit und ich glaube, da war klar, dass wir uns noch mal pushen wollen, noch mal versuchen, auch ästhetisch neue Einflüsse und neue Sachen reinzubringen. Das haben wir wirklich an vielen Ecken versucht. Benni und ich singen sehr viel, Robert packt seine Post-Punk-Stimme aus, es sind sehr viele Blastbeats drin. Wir haben wirklich versucht, einfach was Interessantes zu schreiben.
Musstet ihr euch auch technisch weiterentwickeln, um die Art von Musik nicht nur aufnehmen, sondern dann auch live spielen zu können?
Chris: Das merke ich gerade. Wir haben fünf Probenwochenenden bis zu den Release-Shows. Als Bassist hatte ich nie mehr als ein Pedal und ein Stimmgerät und jetzt musste ich mir ein Pedalboard bauen, ein kleines. Ich glaube, den beiden Gitarristen geht es auch so. Super spannend, so was zu machen und sich noch mal ein bisschen herauszufordern. Das ist irgendwie ein anderes Musikmachen, habe ich das Gefühl. Früher haben wir einfach Konzerte gespielt ohne Ende, mit unserem ersten Album siebzig Konzerte in einem Jahr. Wir haben überhaupt nicht geprobt, weil wir sowieso jedes Wochenende unterwegs waren. Jetzt habe ich das Gefühl, dass der künstlerische Aspekt viel größer geworden ist. Wir spielen weniger Konzerte, aber hoffentlich interessantere.
Robert: Ich als Außenstehender kann dazu sagen, dass ich auf jeden Fall in der Bandgeschichte noch nie so oft den Satz „Boah, das muss ich noch lernen“ gehört habe, haha!
Was sich nicht geändert, sondern nur verfeinert hat, ist der textliche Ansatz eurer Musik. Die Gesellschafts- und Systemkritik ist nach wie vor vorhanden. Mir gefällt dabei aber, dass ihr auch immer Lösungsansätze mitliefert und nicht nur Probleme aufzeigt. Warum ist euch das so wichtig?
Robert: Interessante Frage, weil ich glaube, dass wir uns da auch sehr viele Gedanken gemacht haben und sehr viel darüber diskutiert haben, in welche Richtung die Texte gehen könnten. Wichtig war uns vor allem, dass wir nicht mit dem erhobenen Zeigefinger daherkommen.
Chris: Ich glaube, da habe ich auch ein bisschen Glück gehabt, dass es funktioniert hat. Ich finde es wahnsinnig schwer, wirklich etwas beizutragen. Nicht nur Phrasen zu dreschen, sondern irgendwie einen Gedanken, etwas Neues einzubringen. Ich bin schon seit vielen Jahren politisch aktiv. Habe in vielen linken Gruppen und verschiedenen Projekten mitgearbeitet und es ist einfach schwierig, diesen kleinen Gedanken mit einzubringen, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger dazustehen, wie Robert es gerade gesagt hat. Ich glaube auch, dass niemand Lust hat, sich die Welt erklären zu lassen, und gleichzeitig kämpferisch zu bleiben. Das ist auf jeden Fall etwas, das wir oft erlebt haben. Wenn man sich die Welt im Moment einfach anguckt, mit der sich verschärfenden sozialen Krise, der wachsenden Vermögensungleichheit, der Klimakatastrophe, dem daraus resultierenden Rechtsruck, dann braucht es eine viel kämpferischere, sozialere, linke oder progressivere Kraft, die aber auch Bock hat, was zu machen, zu organisieren und eigentlich viel weiter zu gehen, als nur Musik zu hören. Das ist auch etwas, was uns sehr beschäftigt. Wie kommen wir da eigentlich raus? Was können wir eigentlich leisten? Oder bleibt am Ende immer nur Hedonismus? Dieses ganze kulturelle Kontinuum, das ist total schwierig.
Ein interessantes Thema, denn ich finde mich ob der vielen Probleme oft in einer Schockstarre wieder und weiß nicht, mit welchem der Themen ich mich zuerst auseinandersetzen soll.
Chris: Ich glaube, der gemeinsame Nenner, so dumm das auch klingen mag, ist die kapitalistische Ausbeutung. Das führt zu einer größeren ökonomischen Spaltung. Dass die Leute nicht linke Parteien wählen, sondern die AfD, zeigt, dass es auf jeden Fall auch etwas gibt, was auf dem Album präsent ist, dass seit fünfzig Jahren eine neoliberale Ideologie herrscht und die Leute denken, sie könnten es selber machen, sie wären ihres Glückes Schmied. Und das ist nur sehr, sehr eingeschränkt der Fall. Und das ist, glaube ich, schon eine Botschaft, die zu verbreiten sich lohnt. Wir haben auch „Heavengoing“ über Solidarität, Gemeinschaft und gemeinschaftlichen Widerstand, der die Verantwortung nicht auf den Einzelnen abschiebt. Das ist etwas, was man einer herrschenden Ideologie entgegensetzen kann. Aber es ist schwer, Hoffnung zu haben. „The Future Holds Nothing But Confrontation“ klingt nicht nach Hoffnung, aber es ist in gewisser Weise hoffnungsvoll gemeint. Denn Konfrontation bedeutet auch, dass sich etwas ändern kann. Und wenn Leute das suchen und in Aktion treten, dann kann etwas passieren. Wir haben auch einen Text mit der Albumankündigung gepostet. Da ist ein Zitat, das ich echt gut finde, von der Philosophin Lea Ypi, die sagt, ich brauche nichts Gutes in der Welt, damit es Hoffnung gibt. Weil Hoffnung ist nicht dieser religiöse Begriff, wo ich irgendetwas von außen brauche, um hoffen zu können, sondern Hoffnung ist eigentlich Tat. Solange wir irgendwie diese Konfrontation suchen, hoffen wir auch noch, weil wir uns mit der Welt auseinandersetzen.
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