Das letzte Interview mit Harley Flanagan von der NYHC-Legende CRO-MAGS ist knapp zwei Jahre her und erfolgte in der heißesten Coronazeit. Damals stellte das Gründungsmitglied das Album „In The Beginning“ vor und wir informierten die Leser:innen über den aktuellen Stand der Dinge bei CRO-MAGS beziehungsweise CRO-MAGS JM. Bei letzteren handelt es sich um eine Formation, die aus den anderen Gründungsmitgliedern John Joseph sowie Mackie Mason besteht. In den letzten Monaten machte Harley sowohl durch die Ankündigung der Wiederauflage des Hardcore-Meilensteins „Age Of Quarrel“ auf sich aufmerksam als auch mit dem Start einer ausgedehnten CRO-MAGS-Europatour. Ihr Auftritt beim Hellfest 2022 wurde sogar weltweit ausgestrahlt. Es ist also einiges passiert im Hause Flanagan, und es gilt, mal etwas nachzuhaken.
Harley, schön dich mal wieder mit den CRO-MAGS auf Tour zu sehen. Der Auftritt in Frankreich beim Hellfest war schon ziemlich beeindruckend.
Vielen Dank. Ja, wir waren auch recht zufrieden damit, wobei es immer Optimierungsbedarf gibt. Die Hellfest-Show war ja unser Auftakt für eine mehrwöchige Europatournee, und natürlich wächst man als Band musikalisch noch stärker zusammen, wenn man viele Shows gespielt hat. Trotz der widrigen Umstände haben wir ganz gut performt.
Was meinst du damit genau?
Na ja, die Bedingungen auf dem Hellfest waren nicht die besten. Es war dieses Jahr unglaublich voll und der Zeitplan war sehr straff. Außerdem gab es einen Stromausfall im Backstage, so dass alle Kühleinheiten und Klimaanlagen ausfielen. Warmes Sprudelwasser ist nicht so der Hit auf der Bühne, hahaha. Aber wir haben schon deutlich Schlimmeres erlebt.
Mir ist aufgefallen, dass ihr live auch viele neue Stücke des letzten Albums „In The Beginning“ sowie von der EP „2020“ spielt. Wie kommt das bei den Fans an?
Erstaunlich gut. Die heimlichen Hits sind „2020“ sowie „No one’s victim“. Aber auch „PTSD“ oder „Don’t give in“ kommen beim Publikum gut an. Da sind viele schon recht textsicher. Natürlich wollen die Leute auch den alten Kram hören, aber ich habe ja in den letzten beiden Jahren wirklich viel neues Material veröffentlicht und da sind richtig gute Sachen dabei. Was die Textebene angeht, schreibe ich natürlich andere Sachen als früher. Als wir die ersten Songs von CRO-MAGS aufnahmen, lebte ich in einem besetzten Haus ohne Strom und fließendem Wasser. Da geht es mir heute bedeutend besser, hahaha. Allerdings lassen mich viele Sachen von damals nicht mehr los.
Klär uns etwas genauer auf.
Na ja, in meiner frühen Jugendzeit bin ich vielen schlimmen Dingen ausgesetzt gewesen: Missbrauch verschiedenster Art oder auch Gewalt. Dann kamen die Drogen und ich habe selbst viel Gewalt ausgeübt. Texte älterer Stücke wie „Survival of the streets“ oder „Street justice“ sind dabei wörtlich zu nehmen. So etwas muss ich jetzt zum Glück nicht mehr erleben, habe aber immer noch mit den schrecklichen Erlebnissen von früher zu kämpfen. Neben diversen Therapien hilft mir die Musik, das alles zu verarbeiten. Die aktuellen Songs sind inhaltlich völlig anders. Es geht in vielerlei Hinsicht darum, wie ich Dinge aus meiner eigenen Retrospektive heraus wahrnehme, verarbeite und zu Reaktionen komme. In „No one’s victim“ gehe ich darauf ein, wie dich die Schatten der Vergangenheit noch Jahre später richtig fertigmachen können. Die Musik ist für mich dabei ein wichtiges Ventil.
Und auch Sport, so fit wie du aussiehst ...
Auf jeden Fall. Wenn ich nicht auf Tour bin, trainiere ich Jiu-Jitsu und Muay Thai. Da lasse ich mich von richtig guten Fightern vermöbeln, die halb so alt sind wie ich. Aber ich habe Erfahrung, hahaha. Jetzt schleppe ich einige Geräte mit, die man zum Beispiel mit Schlingenbändern versehen kann, um alle möglichen Muskelgruppen zu trainieren. Und ich stelle mich jeden zweiten Tag unter die kalte Dusche. Aber das alles dient nur dazu, damit ich jeden Abend Vollgas auf der Bühne geben kann. Das ist richtig anstrengend. Aber auch geil.
Harley, Anfang des Jahres gab es von dir eine Pressemeldung, dass eine Wiederveröffentlichung eures Meilensteins „Age Of Quarrel“ bevorsteht, an dem ihr du endlich finanziell beteiligt sein werdet. Ist das die späte Ernte, die nach all den Jahren endlich eingefahren werden soll?
Natürlich soll es das sein. Wir haben uns damals von Profile beziehungsweise Rock Hotel Records komplett über den Tisch ziehen lassen. Keiner von uns vieren hat jemals etwas von dem Geld gesehen, das mit diesem Album und auch mit „Best Wishes“ verdient worden ist. Weißt du, wie viele CRO-MAGS-Platten von Fans ich schon unterschrieben habe, die bei irgendwelchen obskuren Labels rausgekommen sind, ohne dass ich davon wusste? Wir waren einfach zu blauäugig damals. Meiner Meinung nach sollten diejenigen, die die Musik und Songs geschrieben haben, auch anständig dafür entlohnt werden. Allerdings kann ich jetzt keine Details ausplaudern, die Verhandlungen über den Rerelease sind im vollen Gange. Aber wir hoffen das Beste.
Hast du deshalb auch den Namen CRO-MAGS als Marke eintragen lassen? Und weißt du eigentlich, was die anderen CRO-MAGS JM gerade so machen?
Also das war ja nur die logische Konsequenz, oder nicht? Wenn andere mit deinem kreativen Eigentum Geld machen, ist das Betrug. Deshalb habe ich mir mit Hilfe meiner Frau Laura, die sich zum Glück als Anwältin dahingehend sehr gut auskennt, einiges rechtlich eintragen lassen. Über die andere Band kann ich nur sagen, dass sie wohl gar nicht mehr zusammen unterwegs ist. Ich glaube, zwischen Mackie und John gab es wieder Streit, der wohl auch vor Gericht verhandelt wird. Um was es da aber ging, kann ich nicht sagen.
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