1996 wurden die Australier COSMIC PSYCHOS zuletzt im Ox interviewt – verdammt lang her für eine Band, die schon ewig zu meinen Lieblingsbands zählt wegen ihres simplen, durchdringenden Brachialrocks, der dominiert wird vom stoischen Gesang von Bassist Ross Knight. Dessen Bass hat nur zwei Saiten, die Songs nur zwei Akkorde, aber das reicht. Vor der Show im Kölner Gebäude 9 sprachen Norbert und ich mit Ross, Dean und John.
We will drink all the beer“, lautet laut Plakat das Motto eurer Europatour. Klingt nach einem ambitionierten Vorhaben ...
Ross: Lass es mich so sagen: Für mein fortgeschrittenes Alter werde ich mein Bestes geben. Ich werde das Ziel wohl nicht erreichen, aber eine ehrenvolles Ergebnis erzielen. Mit den Jahren ist die Menge des getrunkenen Bieres zwar zurückgegangen, aber wir geben uns dafür umso mehr Mühe.
Dean: Und die Qualität wurde gesteigert. Wir trinken lieber besseres Bier, dafür etwas weniger.
Ross: Ich trinke weniger als früher, versuche es aber mehr zu genießen. Morgens mit einem Bier in der Hand die Sonne aufgehen zu sehen und den neuen Tag als komplettes Wrack zu begrüßen, das ist einfach herrlich.
Nach zig Touren in Europa, wie lautet euer Fazit, was die Bierqualität betrifft?
Ross: Von ein paar Ausnahmen abgesehen, ist australisches Bier komplette Scheiße. Europa ist da erfreulicher, gerade belgische Biere schätze ich. Die haben viele Biere, die schon eher was von einem leckeren Wein haben.
Dean: Auch in Spanien hatten wir schon gutes Bier.
Ross: Ah, fuck, letztlich ist jedes Bier gut! Solange es kalt ist. Was für ein verdammtes Problem haben eigentlich die Franzosen? Deren Kühlschränke sind eher wie Mikrowellen: die stellen da kaltes Bier rein und es kommt warm wieder raus!
Es gibt Menschen in Deutschland, die trinken ihr Bier so mit 12, 13, 14 Grad. Es soll bekömmlicher sein, aber angeblich machen das vor allem alte Männer ...
Ross: Also ich bevorzuge mein Bier eiskalt, jeder Schluck ist eine wundervolle Erfrischung. Du stehst morgens auf, und dann ein kaltes Bier, wundervoll! Das macht einen klaren Kopf. Und was nun das Tourmotto betrifft: Wir werden den Kampf verlieren, aber wir geben nicht auf.
Dean: In Australien wird Bier immer eiskalt serviert, das muss einfach so sein. Es ist eben ein sehr heißes Land. Ihr hingegen habt kalte Winter, da muss man nicht auch noch eiskaltes Bier trinken.
Ross, 2013 erschien mit „Blokes You Can Trust“ ein Dokumentarfilm über dich und die Band, an dessen Ende unklar ist, wie es mit deinem anderen Lebenswerk weitergeht, deiner Farm. Es gab da Probleme finanzieller Art, ausgelöst durch Scheidungsstreitigkeiten. Wie ist der Stand der Dinge?
Ross: Ich habe es geschafft, einen Kredit zu bekommen, um die Farm die nächsten vier Jahre behalten zu können. Danach muss ich sehen, wie es weitergeht. Ich bin 52, aber ich fühle mich wie 92 und habe eine Menge Schulden. Viele gute Freunde haben mir ausgeholfen, ich hoffe, ich kann die Farm behalten, aber das wird sich alles zeigen. Whatever ...
Die COSMIC PSYCHOS und deine Farm sind eng verbunden, in einem alten Ox-Interview erzählst du, wie dir beim Bulldozerfahren die besten Songideen kommen, auch der ganze „rustikale“ Charme der Band hat ja was damit zu tun.
Ross: Diese Farm ist mein Leben. Wenn ich genug Geld hätte, würde ich da nie weggehen. Ich will da nie wegmüssen, das ist meine kleine Insel. Andererseits bin ich Realist genug, um zu erkennen, dass ich sie vielleicht eines Tages aufgeben muss. Meine Kinder werden sie nicht übernehmen, also muss ich mich der Realität früher oder später beugen. Bis dahin saufe ich mich eben blöd und ignoriere das alles, haha. Es hilft mir, bei Verstand zu bleiben: Wenn man die Probleme ignoriert, verschwinden sie von alleine, haha.
Dean: Die Vogel-Strauß-Methode ...
Ross: Ohne meine Freunde hätte ich die Farm nicht mehr, es ging an einem Punkt wirklich nur um eine Stunde – so knapp war ich davor, alles zu verlieren. Aber ich lebe für heute und für morgen, nicht für gestern, ich blicke nicht zurück. Und was ist, wenn ich morgen von einem Auto überfahren werde – so wie Dean beinahe vorhin.
Dean: Mann, das was echt knapp ... Wir haben hier vor dem Club auf der falschen Straßenseite geparkt, entgegen dem Verkehr. Ich mache die Schiebetür auf, und ... woooommmm, das war knapp.
Wie überlebt man als Farmer dieser Tage in Australien? Man liest ständig von Klimaproblemen, extremer Hitze und Trockenheit, dazu Feuer, die sich ablösen mit extremem Regen. Das muss hart sein.
Ross: Australien ist ja ein eigener Kontinent, das Klima ist überall verschieden. Bei uns im Süden in New South Wales und Queensland haben wir seit zwanzig Jahren eine Trockenperiode. Bei mir gab es elf Jahre keinen Regen! Und dann regnete es drei Jahre fast ununterbrochen, alles war überflutet. Der Klimawandel ist wohl schuld.
Dean: Die Extreme stoßen aufeinander, das ist für Farmer echt verdammt schwer.
Ross: Ich habe auch einen Weinberg, und es ist unmöglich geworden, sich auf das Wetter zu verlassen. Bei Trauben ist man auf ein bestimmtes Wetter angewiesen, aber entweder ist es zu trocken oder zu nass – und letztes Jahr gab es Frost, alles kaputt! Diese Probleme haben Bauern auf der ganzen Welt, man spürt den dramatischen Klimawandel, und das macht unsere Arbeit so hart. Die Menschen werden hoffentlich eines Tages kapieren, dass die Bauern aber die Leute sind, von denen ihr Essen kommt. Die Bauern weltweit brauchen viel mehr Hilfe! Man ist völlig dem Schicksal ausgeliefert, man kann nicht planen. Was im einen Jahr funktioniert, kann im nächsten völlig in die Hose gehen. Es ist derzeit echt ganz schön hart.
Wer schon mal selbst im Garten versucht hat, etwas Gemüse anzubauen, der kann das nachvollziehen. Plötzlich fressen irgendwelche Tierchen die Pflanzen kahl, oder die werden einfach braun und gehen kaputt, und dann war’s das – und man geht in den Supermarkt und holt sich dort seine Tomaten und Zucchini. Wenn man aber darauf angewiesen ist, damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wie überlebt man das?
Ross: Scheiß drauf, lass deinen Trecker an, fahr los und versuch es noch mal! Das Problem ist auch die Spezialisierung der Landwirte auf ein Produkt, Tomaten oder was auch immer. Wenn du nur Tomaten hast und die werden nichts, dann bist du geliefert. Die Regierungen interessiert das nicht, die geben ihr Geld lieber für die Kriegsmaschinerie aus. Die müssen kapieren, dass die Menschen essen und trinken müssen, alle. Ich züchte Rinder für die Fleischproduktion, und der Preis ist heute der Gleiche wie damals, als ich zehn war: 1,80 australische Dollar pro Kilo. Jetzt bin ich 52 und der Preis ist der Gleiche! Die Kosten sind aber gestiegen! Nein, wenn es nach mir geht, hätte jeder Farmer ein Wochenendhaus am Strand verdient, eine Yacht, einen Helikopter, eine Harley-Davidson ...
Dean: ... einen Maserati ...
Ross: ... und eine Vespa! Und über den Rest unterhalten wir uns später.
Dein Leben als Farmer weist Parallelen zur Geschichte deiner Band auf: irgendwas ist immer, aber du gibst nicht auf und machst immer weiter, seit 30 Jahren.
Ross: Das Ding mit der Band ist, dass es uns einfach nicht interessiert, was um uns herum vor sich geht. Erfreulicherweise lief es mit der Band nie besser als jetzt, die Chemie stimmt, wir sind glücklich und haben Spaß – ich habe noch nie im meinem Leben so viel gelacht wie mit diesen Jungs. Und das Gute an den Psychos ist: We’re never out of fashion, because we have never been in fashion. Schau uns doch nur an ... Unsere Philosophie ist simpel: Es ist leicht, mit uns gut auszukommen, und wenn man irgendwie spielt und sich hinterher nett bei allen bedankt, freundlich und respektvoll ist, dann kann man jederzeit wiederkommen. Und deshalb ziehen wir auch nach dreißig Jahren noch unsere Kreise. Wir sind also nett zu allen – nur zu unserem Roadie nicht, die Fotze. Hahahaha.
Das letzte Album „Glorius Barsteds“ kam im April 2011. Arbeitet ihr an was Neuem?
Ross: Ja! In den letzten Jahren ist einfach eine Menge passiert, meine ganzen Probleme ... Dann kam die DVD, da haben wir uns auch eingebracht, dem Filmemacher geholfen, damit das was wird, da kamen wir zu kaum was anderem. Nach dieser Europatour werden wir jetzt endlich das neue Album angehen, und das werden wir, das haben wir gestern beschlossen, in Utrecht, Holland aufnehmen. Unsere Soundfrau Sylvia, mit der wir seit 1993 arbeiten, kennt uns ganz genau, die wird uns aufnehmen. Okay, wir haben jetzt schon ein paar Bier intus, das muss man berücksichtigen ... Und nach der Tour müssen wir auch erst mal wieder zurück in unsere Jobs. Wir sind ja einfach nur ein paar normale Typen mit normalen Jobs und Familie.
Dean: Das hier ist unser Urlaub.
Wie kommen denn eure Familien mit eurem seltsamen Hobby klar?
Dean: Die unterstützen uns. Die verstehen, dass wir das einfach tun müssen.
John: Meine Frau ist immer froh, wenn sie mich eine Weile los ist, hehehe.
Dean: So eine Tour ist, als ob ein paar Jungs zusammen einen Angelausflug machen.
Ross: Also meine Mutter und mein Vater haben bis heute nicht kapiert, was das eigentlich soll. Bei jeder Tour kratzen die sich am Kopf und fragen sich, warum ich nicht endlich aus diesem Alter raus bin, hehehe.
John: Meine Mutter sagte vor der ersten Tour: „I want you to get that shit out of your system!“
Auf der DVD werdet ihr, vor allem aber Ross, recht persönlich, man erfährt sehr viel Privates. Wie schwer war es, vor der Kamera so offen zu sprechen, etwa über deinen behinderten Sohn?
Ross: Es war seltsam. Matt Weston, der Filmemacher, ging sehr klug vor. Ich musste mich damals mit den ganzen Gerichtsverhandlungen rumschlagen wegen Unterhalt und der Farm, und als er mich interviewte, war ich wirklich an einem Tiefpunkt angelangt. Ich glaube, zu jedem anderen Zeitpunkt hätte ich seine Fragen nicht beantwortet. Ich saß einfach da, war mit meinem Gedanken ganz woanders, und beantwortete ganz offen und ehrlich seine Fragen. Ich bereue nicht, so offen geantwortet zu haben, aber ich kann mir den Film nicht anschauen. Ich werde da so dargestellt, wie ich bin, glaube ich.
Und was ist mit einer Autobiografie?
Ross: Ich kann nicht schreiben. Wenn ich einen Stift länger als zwei Minuten in der Hand halten muss, kriege ich einen Krampf. Und einen Computer habe ich nicht. Und auch kein Mobiltelefon, nichts. Aber einen Toaster habe ich. Wenn ich was von jemandem will, rufe ich an. Oder der mich. Ich hasse Computer. Wenn ich länger als fünf Minuten vor einem Computer sitzen muss, werde ich wütend und muss aufstehen und weglaufen.
Die DVD zerstört auch Klischees: es wird klar, dass du keinesfalls ein kauziger Bauer bist, sondern vielfältig interessiert und durchaus in der Welt herumgekommen. Ersteres wärst du vielleicht ohne die Band wirklich geworden. Hast du eine Idee, wie dein Leben ohne die Band aussehen würde?
Ross: Ich bin ja durchaus ein Hinterwäldler-Farmer, so sehe ich mich und ich will auch nichts anderes sein. Ich will kein Millionär sein ...
John: ... aber einen Maserati hättest du doch gerne!
Ross: Haha, okay ... Manche Menschen verbringen ihr halbes Leben damit, nach ihrem Glück zu suchen. Ich bin der Meinung, wenn man nett zu den Menschen ist, sind die Menschen auch nett zu dir, und dann bist du glücklich. Ich habe Glück gehabt, ich bin glücklich, und ich wüsste nicht, was ich mir Besseres vorstellen könnte, als jetzt hier zu sein, ein Bier zu trinken und mich mit dir zu unterhalten. Es ist völlig unglaublich, dass ich diese Chance bekommen habe! Und dass das seit 32 Jahren so läuft. I am a backwood farmer and I just love to be a backwood farmer. Ich stehe jeden Morgen um fünf auf und mache meine Arbeit. Und dieses Leben liebe ich. Und hin und wieder fliege ich nach Europa und trinke ein paar Bier – fantastisch!
Die COSMIC PSYCHOS haben einen ganz speziellen, simplem Trademark-Sound, so wie MOTÖRHEAD und RAMONES. Absicht, oder konntet ihr anfangs einfach nicht mehr?
Ross: Es war und ist ein Unfall. Als ich 16 war, wollte ich Bass spielen, weil das einfacher ist als Gitarre, denn der hat nur vier Saiten, nicht sechs. Ich kaufte mir ein Fuzz-Pedal dazu, dachte, dann klinge ich wie ein Gitarrist, und ... der Rest ist Geschichte. Ich mochte schon immer diesen schmutzigen Sound.
Dean: Ja, dieser WahWah-lastige STOOGES-Sound, der zeichnete die COSMIC PSYCHOS schon immer aus. Damals, in den frühen Achtzigern, spielte keiner mit WahWah, das war das Schlimmste, was man machen konnte.
Ross:Das Einfachste ist eben immer wieder das Beste. Und wenn man es sowieso nicht besser kann, um so besser.
Dean: Bill war ein ganz simpler Punkrock-Drummer, wie Tommy Ramone. Alles zusammen war besser als irgendwelche virtuos spielenden Typen.
Ross: Es kommt für mich immer mehr darauf an, ob man hört, dass da jemand Spaß am Spielen hat. Mir ist es egal, ob die Leute mit oder über uns lachen, Hauptsache, sie lachen.
Ihr habt weltweit ein treues Publikum, aber wie „etabliert“ und akzeptiert seid ihr in Australien? Für mich seid ihr australische Rock-Ikonen ...
Ross:Ach, es ist schon okay.
John: Das kommt und geht.
Dean: Mal stehen sie auf dich, dann wieder nicht.
Ross: Ich wurde vor einer Weile mal zu einem Musikkongress nach Melbourne eingeladen, sollte da sprechen, neben diversen bekannten australischen Musikern. Und der stellte mich mit den Worten vor: „This is Ross Knight from the COSMIC PSYCHOS. They just never go away.“ Wenn man also nur lange genug durchhält, bekommst du also auch als die beschissenste Band irgendwann deine Anerkennung. Für was auch immer.
John:Ich würde es so ausdrücken: Wenn man irgendwo einfach lange genug stehen bleibt, fangen die Leute irgendwann an, dich anzuschauen.
Ross: Ich gehe nur selten aus, aber wenn ich mal in Melbourne bin, in eine Kneipe gehe und jemanden wie Tex Perkins treffe, grüßen die mich mittlerweile sogar. Früher haben die nur genervt geschaut, haha. Wir sind einfach nicht wieder gegangen – und haben uns ja in der Tat auch kaum bewegt, hehehe.
Wie schwer war es für dich, John, und auch dich, Dean, als „Neue“ zur Band zu stoßen und zu akzeptieren, dass diese Band längst ihren festen Sound hat?
Dean: Es ist schwer, am Sound dieser Band etwas zu ändern, solange Ross singt und spielt, wie er es eben tut. Der MOTÖRHEAD-Vergleich passt da: Egal, wie viele Line-up-Wechsel es gab, es klingt nach MOTÖRHEAD. Klar, wir klingen heute schon etwas anders als das erste oder zweite Line-up, aber immer noch wie die COSMIC PSYCHOS.
Ross: Die haben den Sound schon ganz ordentlich aufgefrischt, wirklich. Ich liebe das „Glorius Barsteds“-Album, und den alten Songs haben sie auch neue Würze verpasst. Wir sind wirklich eine gute Band.
John: Wir haben früher mit den ONYAS oft mit den COSMIC PSYCHOS gespielt, und ich habe Robbie häufiger gefragt, wie er irgendwas spielt. Er hat mir eine Menge gezeigt, und deshalb wusste ich, was ich zu tun hatte, als ich nach seinem Tod seine Position übernahm.
Ross: Ich habe diesen Blokes nur gesagt: Passt auf, das ist mein Riff, das spiele ich, und ihr macht, was immer ihr wollt. Nach „Glorius Barsteds“ fühlten sie sich dann, glaube ich, zu Hause. Ich denke, denen kommt es so vor, als ob sie schon immer in der Band waren. Mir kommt es jedenfalls so vor – die COSMIC PSYCHOS, das sind wir drei.
Ross, ich bin kein Musiker, also bitte kläre mich auf, wie viele Akkorde du spielst. Bei den RAMONES ist ja immer von drei die Rede, bei euch würde ich auf zwei tippen ...
Ross: Ja, höchstens.
John: A, B, C, D, F und G, aber immer nur zwei pro Song.
Ross: Ich habe auf meinem Bass meist nur zwei Saiten. Ein Finger reicht zum Spielen. Willst du meine Blutblase sehen? Hier!
Dean, John, Ross, vielen Dank für das Interview.
Ross: No worries, mate. Cheers!
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