BOYSETSFIRE haben gerade ihr neues Album „While A Nation Sleeps ...“ veröffentlicht, und weil niemand besser weiß als die Musiker selbst, was es mit den einzelnen Songs auf sich hat, baten wir Robert Ehrenbrand (Bass) um eine „Track by track“-Erläuterung.
„Until nothing remains“ „Until nothing remains“ diente uns beim Schreiben der Platte sozusagen als Leuchtturm. Wir hatten eine vage Idee, dass dieses Album etwas beklemmender und dunkler, aber durchaus auch teilweise sehr melodisch werden sollte. Hierbei haben wir uns diesen Song als Referenz gegriffen und das ist sicherlich einer der Gründe, warum er an erster Stelle steht. Er bereitet das Album sozusagen wie ein Vorwort musikalisch auf. Als Bassist liebe ich natürlich die schwere Basslinie, die den Song einleitet. Irgendwie ist der Song für mich eine Zusammenführung aller BSF-Stilmittel – verwirrt, düster, aggressiv, melodisch und angepisst – und natürlich alles verpackt in einem einzigen Lied.
„Closure“ Unser Interesse für nachvollziehbaren und melodischen Punk ist ungebrochen. Dieser Song sollte ursprünglich „Let it go“ heißen. Da es mit „Let it bleed“ bereits einen „Let it“-Song auf der Platte gab, wurde der Titel in das viel bessere, weil an JOY DIVISION erinnernde „Closure“ geändert. Wir haben das Lied bereits einige Male live gespielt und es funktioniert sehr gut. Was die Texte anbelangt, soll sich jeder sein eigenes Bild machen. Dass es hier einiges zu interpretieren und beleuchten gibt, ist ja bei BSF kein großer Schocker, denke ich. Prinzipiell halte ich „Closure“ für einen super Einstieg für Leute, die uns noch nicht so lange kennen und sich zum ersten Mal der Band nähern. Ein catchy Punk-Song mit einem emotionalen Text.
„Heads will roll“ Das ist für mich der spirituelle Nachfolger eines Songs wie „So long ... and thanx for the crutches“ auf unserem letzten Album. Super angepisst und nach vorn. Ich habe zusammen mit Chris Rakus versucht – wir haben beide auf dem Album gespielt –, die Basslinien noch mehr als sonst vorzubereiten. Noch nie zuvor habe ich mir so viele Gedanken dazu gemacht, wie der Bass wann zum Einsatz kommen soll und mit welchen Mitteln. Ich bin wirklich sehr stolz darauf, sagen zu können, dass dieses Album Bass-technisch das ausgefeilteste ist, das ich bisher mit irgendeiner Band abgeliefert habe. Viele Nächte habe ich an meinem Küchentisch vor mich hinzupfend verbracht, sehr zum Leidwesen meiner Frau, da es wohl kein schrecklicheres Solo-Instrument als den Bass gibt, haha.
„Phone call (4 am)“ Ein richtiger Abstecher in meine persönliche Reise mit der Band. „Phone call“ wurde zu der Zeit geschrieben, als ich 2003 der Band beigetreten bin, und hat unzählige Inkarnationen hinter sich. Der Song kam damals nicht auf „Misery Index“, aber ganz loslassen konnten und wollten wir ihn nie. Ich bin sehr froh, dass er nun endlich sein volles Potenzial erreicht hat und wir es nach ca. zehn Jahren endlich geschafft haben, seine Essenz einzufangen. Ihn anzuhören, erinnert mich an die Zeiten in unserem damaligen Hauptquartier „Big House“, wo ich eine zur Lärmisolierung verwendete Matratze in einem leeren Raum neben dem Proberaum hatte. Das war mein einziger Besitz, haha. Wir waren niemals ärmer. Immer wenn ich den Song höre, denke ich daran, wie uns bei minus 15 Grad das Öl ausgegangen ist und wir mit fünf Decken übereinander schlafen mussten. Ich möchte die Zeit nie missen, aber ich bin ganz froh, dass wir alle mittlerweile im Warmen schlummern.
„Everything went black“ Was soll man hier groß sagen?! Faust in die Luft und rein in den Pit. Für mich der ebenbürtige Nachfolger zu einem Song wie „The force majeure“ vom „After The Eulogy“-Album.
„Save yourself“ Der einzige vollständige Song, den ich zu dieser Platte beigesteuert habe. Schon allein deswegen liegt er mir sehr am Herzen. Das Wort „Motherfucker“ im Chorus zu haben, ist ein Jugendtraum von mir, der jetzt endlich erfüllt wurde, haha. Textlich wieder sehr vielfältig interpretierbar, wobei ich zu wissen glaube, um was es geht, aber das nehme ich mit ins Grab. Ansonsten definitiv eine Rocknummer mit verrückten Sounds und Gitarren.
„Reason to believe“ „Only love will take you there“ ... mein Glaubensbekenntnis. Zu 100%. Für immer. Und für mich drückt der Song das super aus. Es muss hier keinesfalls um eine andere Person gehen, kann es aber.
„Far from over“ Ein unglaubliches Stück Musik für unsere Verhältnisse. Obwohl wir ja ohnehin als eher eklektische Band gelten, schießt dieses Lied wohl selbst für uns den Vogel ab. Ich freue mich, dass wir es auch nach einer so langen Bandkarriere schaffen, uns selber zu überraschen, und darum geht es eigentlich. Nathan war, glaube ich, selten wütender als bei diesem Album. Das Alter macht ihn als Sänger und Texter gemeiner und aggressiver. Recht so!
„Let it bleed“ Wir alle machen schon seit unsere frühesten Jugend Musik. Für uns hat das nichts mit Marketingplänen oder Karriere zu tun. Klar freuen wir uns über positives Feedback von Leuten, aber eigentlich haben wir alle einfach Riesenspaß daran, gemeinsam Musik zu machen. Punkt.
„And if we must, we crawl alone“ BSF waren schon immer eine sich selbst erhaltende Entität. Abseits von Trends und all dem Musikbusiness-Bullshit haben wir uns selbst und die Leute, die uns kapieren. Das reicht völlig aus, um sehr glücklich und erfüllt Musik zu machen. Social Media Adviser und Marketingstrategien überlassen wir anderen Bands, die das wohl sowieso lieber machen, als Songs zu schreiben und live zu schwitzen.
„Never said“ Auch ein Lied, das bereits seit den „Misery Index“-Tagen rumgeistert. Auch hier gab es viele Inkarnationen und Änderungen und nun ist es endlich bereit, veröffentlicht zu werden. Auch hier werden viele Erinnerungen an die „Misery Index“-Zeit wach, die emotional wohl nicht zu toppen ist an Verrücktheit und Belastung. Der Song steht auch dafür, wie sehr wir uns als Kollektiv und Einzelpersonen weiterentwickelt haben. Nicht nur wir haben die Veränderungen des Songs mitverfolgen können, sondern auch der Song hat eine Band begleitet, die sich immer mehr zu einem verschworenen Kollektiv entwickelt hat, das familienorientiert agiert. Weniger Streit, mehr Gang-Mentalität. Trotz der grundverschiedenen Ideologien, die wir unseren einzelnen Leben zu Grunde legen, bleibt eines: die superengen Freundschaften und die gemeinsame Liebe zu genau der Musik, die BSF machen.
„Wolves of Babylon“ Wir nennen es den „Chad-Song“, da er hier fast alles selber aufgenommen hat. Seine persönliche Version von „... and justice for all“ oder „Master of puppets“, haha. Ich habe Teile des Songs immer noch nicht kapiert, aber hey, er heißt „Wolves of Babylon“, das muss reichen.
„Altar of god“ Für mich als sehr spirituellem und gläubigem Menschen ist es immer wieder eine interessante Erfahrung, in einer Band zu spielen, die doch sehr viele Probleme mit dem Themenbereich Religion hat. Unsere Schnittmenge ist eine gemeinsame Verachtung von Bigotterie und Machtmissbrauch religiöser Organisationen. Für mich ist das der Todfeind des freien Willens, echter Spiritualität und Selbstfindung. In meiner eigenen Meditations- und Glaubensrichtung sehe ich hier sehr viele Verfehlungen, die stets dann eintreten, wenn sich gewisse Personen aufschwingen anderen vorzuschreiben, was sie zu tun haben. Ein guter Freund hat mir mal gesagt: „Weniger Religion ist immer gut für mehr Spiritualität.“ Und ein noch engerer Freund sagte vor wenigen Tagen zu mir: „Religion ist für Leute, die Angst vor der Hölle haben. Spiritualität ist für Leute, die bereits da waren.“ Also: Fuck their mind control!
„Prey“ Das Akustik-Intro stammt von mir und war eigentlich ein ganzer Song. Wie durch ein Wunder hat es aber an ein ehemaliges THE CASTING OUT-Lied hinten drangepasst und nun haben wir den Salat ...
Robert Ehrenbrand
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