„The Big Come Up“, das erste Album dieses Duos aus Akron, Ohio (übrigens auch die Heimatstadt von DEVO), bestehend aus Sänger/Gitarrist Dan Auerbach und Schlagzeuger Patrick Carney, wurde 2002 vom US-Rolling Stone zum besten Debüt des Jahres erklärt, in den Top 40 des Mojo Magazins belegte man Platz 25 und im Magnet zählte man zu den fünf besten Underground-Platten des Jahres. Kein schlechter Start für eine Band, die praktisch aus dem Nichts kommt und ein Jahr später mit ihrem zweiten Album „Thickfreakness“ auf Fat Possum landete. Eine konsequente Entwicklung, fabrizieren Auerbach/Carney doch einen aufs wesentliche reduzierten, erdigen Bluesrock, vielleicht mehr Rock als Blues, aber ansonsten durchaus Blues-Veteranen wie R.L. Burnside ebenbürtig. Die Misere dieser Band innerhalb unangenehm gehypter, neuer Rock’n’Roll-Bands machen Kategorisierungen wie „a killer, bluesy Midwest two-piece who aren’t THE WHITE STRIPES“ deutlich, denn letztendlich besitzen THE BLACK KEYS einfach nicht das Vermarktungspotential einer Band wie der WHITE STRIPES – bei denen das ja schon skurril genug ist –, genauso wenig wie auch der Rest des Fat Possum-Katalogs. „Thickfreakness“ und „The Big Come Up“ sind jedenfalls auf ihre Art zwei ganz große Platten, weshalb ich eines Nachmittags dann auch Dan Auerbach an der Strippe habe.
Dan, erzähl doch mal was über euren Background. Ihr kommt ja aus Akron, Ohio ...
Ich bin eigentlich in Athens, Ohio geboren, halt eine typische College-Stadt, aber in Akron aufgewachsen. Pat und ich sind dort zusammen zur selben Highschool gegangen. Wir machen zusammen Musik, schon seit wir 16 oder 17 sind, und das hatte immer irgendwie mit Blues zu tun. Das haben wir dann bei Pats Vater im Keller auf einem Vier-Spur-Gerät aufgenommen. Das ist so ungefähr die Geschichte der Band. Wir sind aber vor dem ersten Album nie live aufgetreten.
Ihr habt ja familiär auch einen ganz interessanten Background: Patrick ist der Neffe des Tom Waits-Saxophonisten Ralph Carney und du der Cousin von Gitarrist Robert Quine, der bei Leuten wie Richard Hell oder Lou Reed gespielt hat. Hat sich das irgendwie bei euch ausgewirkt?
Bei mir nicht wirklich, da ich nie ein großer Fan von Lou Reed oder Richard Hell war. Robert ist ein netter Typ, er ist auch in Akron aufgewachsen. Wenn er mal wieder in die Stadt kommt, treffen wir uns, reden über Musik, hören Platten und spielen Gitarre. Er ist ein begeisterter Musikfan, ebenso wie ich auch. Eher ein Einfluss war für mich, dass die Brüder und Schwestern meiner Mutter sich oft getroffen haben, um Bluegrass-Musik zu machen, das hat mir immer sehr gut gefallen. Die Plattensammlung meines Vaters war aber ein noch viel größerer Einfluss.
Euer Debüt auf Alive wurde nicht nur im Rolling Stone mit Lob überschüttet. Das war sicher recht überraschend.
Ja, wir haben einen Haufen guter Presse bekommen, ziemlich verrückt. Eine wirklich nette Überraschung. Auch was die Plattenverkäufe angeht, hat sich das bemerkbar gemacht. Für ein Indie-Label mit mäßigem Vertrieb und keinerlei Geld war das nicht schlecht. Das hat uns natürlich geschmeichelt, denn wir haben uns in der letzten Zeit wirklich die Ärsche abgetourt. Aber genauso kann es sein, dass wir beim nächsten Album komplett vom Rolling Stone ignoriert werden. Wir machen unser Ding, und versuchen uns nicht zuviel von Kritiken ablenken zu lassen.
Wie wichtig ist der Rolling Stone denn im Moment noch in den USA?
Das hängt ganz davon ab, wen du fragst. Ich mag Mojo sowieso mehr. Aber zum Beispiel für einen 16-Jährigen in Iowa ist der Rolling Stone sicher das größte Rockmagazin in den Staaten. Aber mittlerweile haben sie ja auch so Sachen wie Britney Spears und Christina Aguilera auf dem Titel ...
Wie seid ihr damals zu Alive gekommen?
Wir hatten ein Demo mit sechs Stücken aufgenommen und hatten das zu 14 verschiedenen Labels geschickt. Ich mochte Alive direkt, weil ich ein Label wollte, das mit Rock’n’roll oder Punkrock zu tun hat, und keines, das ausschließlich Blues macht. Und Alive brachten Platten von den STOOGES und MC5 heraus, Wiederveröffentlichungen und Live-Kram, ebenso wie Blues-Compilations, die in den 60ern in Michigan aufgenommen worden waren. Ein Label, das Punkrock und Blues herausbringt, dachte ich, wäre sicherlich ein guter Ausgangspunkt. Und Fat Possum und Epitaph erlauben uns hoffentlich, noch mehr Leute zu erreichen.
Waren Alive denn nach der ersten Platte nicht weiter an euch interessiert, oder wieso seid ihr dann zu Fat Possum gewechselt?
Doch, schon, aber wir wollten mit einem größeren Label arbeiten, weil wir bis dahin keinen richtigen Vertrieb in Europa oder Asien hatten. Und wenn wir die Platte wieder auf Alive gemacht hätten, wäre sie nur schwer nach Europa gekommen. Wir hatten keine wirklich bessere Option. Es gab zwar ein paar Majorlabels, die mit uns verhandelt haben, aber das wollten wir nicht, wir wollten weiter im Indie-Sektor bleiben.
Wann hast du das erste Mal von Fat Possum gehört?
Da war ich gerade frisch auf dem College und bekam das Junior Kimbrough-Album ‚All Night Long‘ in die Finger, und das hat mich nicht mehr losgelassen. Und als ‚Sad Days, Lonely Nights‘ rauskam, war das mein Lieblingsalbum aller Zeiten. Ich weiß aber nicht mehr, wer mich auf das Label aufmerksam gemacht hat, zumal ich sowieso Musik mochte, die sonst keiner hörte. Viele Leute an meiner Highschool hörten die DAVE MATTHEWS BAND oder so was, wenn du verstehst, was ich meine. Ich hatte meine eigene kleine Welt. Pat hat viel Indierock wie MODEST MOUSE oder SONIC YOUTH gehört. Aber du kannst die Fat Possum-Sachen eigentlich problemlos in jedem Plattenladen bekommen, selbst viele der großen Ketten führen Fat Possum.
Was ist eigentlich dran an der Geschichte, dass du nach Mississippi gefahren bist, um Junior Kimbrough zu besuchen?
Ich war wie gesagt so fasziniert von Junior Kimbrough, dass ich ihn mir selbst anschauen wollte. Beim ersten Mal bin ich mit meinem Vater nach Mississippi gefahren und wir haben auch Junior Kimbroughs Clubs gefunden. Wir trafen seine Familie, aber er war gerade krank und deshalb nicht da. So bekamen wir ihn nicht zu sehen, aber dafür spielte seine Familie. Ich bin dann noch ein paar Mal runter gefahren, aber jedes Mal war er krank und schließlich verstarb er. Letztendlich bekam ich ihn nie zu Gesicht. Und dann bin ich noch mal nur so nach Memphis und Mississippi gefahren, um Musik zu hören und die Atmosphäre aufzusaugen. Ich habe dann T-Model Ford besucht und wir haben dann den ganzen Tag zusammen Musik gemacht. Das war eine tolle Erfahrung. Mississippi ist eine seltsame Gegend, sehr rückschrittlich. Es ist ein völlig andere Welt, besonders da, wo T-Model lebt, diese Ecke ist von Crack verseucht und es gibt viel Gewalt. Aber so lange ich mit T-Model zusammen war, war es sicher. Es spielte keine Rolle, ob du schwarz oder weiß oder Chinese bist. Wo ich mit T-Model hinging, gab es nur Leute, die selbstgebrannten Alkohol tranken, tanzten und ihren Spaß hatten. Aber ich weiß nicht, wie ihr tägliches Leben wirklich ist. Es ist sicher schwierig, aber sie haben garantiert eine andere Sichtweise und sind daran gewöhnt. Ich war ein Außenseiter, der mal so reingeschaut hat. Ich kann nur das wiedergeben, was ich gesehen habe, aber ich weiß nicht, wie es ist, dort zu leben.
Besonders auffallend bei euren Platten ist diese seltsame Produktion. Man könnte meinen, das wäre in den 70ern aufgenommen worden, weshalb ihr ja auch schon mal mit BLUE CHEER verglichen wurdet.
Witzig, dass du das sagst, denn wir hören eigentlich nicht viel 70er-Kram. Das ist das Ergebnis von dem, was wir zusammengemischt haben, aber wir hatten nicht die Absicht, dass das 70er-mässig klingen sollte. Und es gab keinen besonderen Weg, wie wir es gemacht haben. Wir haben unser gesamtes Equipment eingebracht, und das ist nicht allzu viel. Es sollte nur möglichst rau und kantig klingen. Es ist eben die Art, wie wir klingen. Das mit BLUE CHEER haben wir auch ein paar Mal auf Tour gehört, als wir den Soundcheck machten. Scheinbar klingt es schon nach BLUE CHEER, wenn man einen Rock’n’Roll-Beat mit einem Fuzz-Pedal spielt.
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