10 Jahre „2014 Tumblr“

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Teil 3: Die Geburtsstunde von Ästhetik und die einhergehende Abgrenzung von Subkulturen

Ästhetik hat es in verschiedenen Formen wohl schon immer gegeben. Tumblr hat aber die begriffliche Bedeutung und Wichtigkeit von Ästhetik vor allem innerhalb von Subkulturen auf eine ganz neue Ebene gehoben. Man wollte sich schon immer durch bestimmte Äußerlichkeiten bestimmten Gruppierungen zuordnen. Jetzt ging es aber nicht mehr nur um die eigene Erscheinung und Kleidung, sondern auch die ästhetische Wirkung online, im eigenen Tumblr-Blog.

Während der Tumblr-Hochzeit rund um 2014 diente die Plattform als Abbild des kulturellen Zeitgeistes des digitalen Zeitalters. Ein wichtiger Bestandteil dieser Ära war Subkultur und Anderssein, und doch waren diese mit gewissen Marken, gewissen Kleidungsstücken und gewissen Ästhetiken verbunden. Wer also zum Beispiel zur beliebten „Soft Grunge“-Subkultur dazu gehören wollte, trug Tennisröcke von American Apparel, Doc Martens-Stiefel oder eben Vans. No name war nicht. Trotzdem stand weiterhin im Vordergrund, alternativ zum Mainstream aufzutreten und das Ganze bildlich in ästhetischen Schnappschüssen darzustellen. Die essentielle Ästhetik dieser Bilder waren Creeper-Schuhe, Doc Martens, oder die Wassermarke „blk.“ (Schwarzes Wasser), denn die Hauptsache war, dass es einen Kontrast zwischen Schwarz und Weiß gab, dem gerne mit „black&white“-Filtern nachgeholfen wurde. Das spiegelte sicherlich auch die Grundstimmung auf Tumblr in 2014 wider, denn die Mehrheit der User:innen beschrieb sich damals als missverstandene, depressive, angstgestörte Teenager.

Die Markenobsession innerhalb von Subkulturen war also auch die perfekte Chance für die alternative Szene, um eigene Kleidermarken auf den Markt zu bringen, wie BRING ME THE HORIZON-Sänger Oli Sykes mit seiner Marke „Drop Dead“. Die belegte sogar Platz 16 der meist gerebloggten Modemarken auf Tumblr im Jahr 2014. Es gab einen Wunsch nach alternativer Mode und Models wie Hannah Pixie Snowdon (Ex-Frau von Oli Sykes), die dem Idealbild der damaligen Körperkultur entsprachen, waren dazu die perfekten Fotomodelle für einen gut kuratierten Blog.

Der Drang nach perfekt inszenierten Marken von privaten User:innen stand somit der Idee von Subkultur entgegen, die ursprünglich ja nicht markenbezogen war. Während Subkulturen also eigentlich Anti-Mainstream und meist anti-kapitalistisch sind, wurde mit dem Hype um Ästhetiken eine widersprüchliche Kultur gepflegt, die auch gerne Gatekeeping betrieben hat – ob wegen Marken, Körperidealen oder auch Followerzahlen. Heute sind Ästhetiken aus dem Internet nicht mehr wegzudenken und fluten TikTok mit etlichen Mikro-Trends.