Zugegeben, meist hat man als Musikjournalist einen gewissen Informationsvorsprung, wenn es um kommende Tourneen, Alben oder Songs geht. Meistens jedenfalls. Denn als „Blackbird“, der erste neue ALKALINE TRIO-Song seit fünf Jahren, und wenig später die Ankündigung eines Albums namens „Is This Thing Cursed?“ plötzlich im Internet auftauchten, war die Überraschung in unserer Redaktion vermutlich genau so groß wie bei allen anderen Fans, die schon sehnsüchtig auf neues Material des Punk-Trios mit Kultstatus gewartet haben. Im Interview erklärt uns Matt Skiba, wie das Album zustande gekommen ist, was ihn dabei inspiriert hat und wie er mit BLINK-182 eine weitere Vollzeitband unter einen Hut bekommt.
Is This Thing Cursed?“ ist das erste Lebenszeichen von ALKALINE TRIO seit 2013. Wie war es, nach fünf Jahren wieder zusammen neue Songs zu schreiben?
Großartig. Das Album ist komplett im Studio entstanden. Mit so einer Herangehensweise hatten wir zuletzt „Maybe I’ll Catch Fire“ aufgenommen, damals als wir kein Geld und wenig Zeit hatten. Holy Shit, ist das jetzt 18 Jahre her? Jedenfalls sind wir diesmal ohne vorgefertigte Demos ins Studio gegangen. In den vergangenen Jahren haben wir oft Demos zusammengebastelt, diesmal haben wir alles zusammen geschrieben. Sobald ein Song fertig war, haben wir ihn aufgenommen und mit dem nächsten weitergemacht.
Zwischen der Ankündigung und Veröffentlichung des Albums ist nicht viel Zeit vergangen.
Das stimmt. Wir haben tatsächlich erst im März und April angefangen, an dem Album zu arbeiten. Den März haben wir komplett im Studio verbracht. Dann wollten wir, dass das Album so schnell wie möglich erscheint.
Wie war es, nach einer so langen Pause wieder ein Album aufzunehmen? Ihr habt ja alle auch noch andere Projekte verfolgt. War es schwierig, sich wieder aneinander zu gewöhnen?
Wir machen das jetzt seit über zwanzig Jahren. Das ist wie Fahrradfahren, das verlernst du nicht. Zudem sind wir ja eine Band, die aus Freunden besteht. Selbst wenn es um ALKALINE TRIO etwas ruhiger ist, stehen wir in regem Kontakt zueinander. Es ist echt nicht so, als würde ich die anderen nur bei Shows oder im Studio sehen.
Es gab ja Gerüchte, dass es aufgrund deiner Verpflichtungen bei BLINK-182 böses Blut in der Band geben würde.
Das ist zum Glück nur Gerede. Es gab nie böses Blut und es stand für mich auch niemals zur Debatte, ALKALINE TRIO nur noch stiefmütterlich zu behandeln. 2015 haben wir noch die „Past Live“-Shows gespielt. In 13 Städten haben wir an an vier aufeinanderfolgenden Abenden jeweils zwei unserer Alben ganz gespielt. Ich will nicht sagen, dass wir danach ausgebrannt waren, aber wir brauchten definitiv eine Pause. Dan Andriano hat dann an seinem Solo Album gearbeitet und ich bekam einen verrückten Anruf von Mark Hoppus.
Ich stelle es mir schwierig vor, zwei Vollzeitbands unter einen Hut zu bekommen. Du hattest mit den SEKRETS oder HEAVENS zwar schon andere parallele Projekte, jedoch war nichts davon so zeitintensiv, wie es BLINK-182 jetzt eben sind.
Es ist gar nicht so schwer, wie es den Anschein erwecken mag. Klar lässt sich nicht abstreiten, dass es viel Arbeit ist, aber es macht mir ja Spaß und somit fällt es mir nicht schwer. Ich verfolge immer nur auf ein Projekt auf einmal, sobald es abgeschlossen ist, widme ich mich dem nächsten. Mit BLINK-182 habe ich zwar bis jetzt erst ein Album aufgenommen, aber da wir es im Studio zusammen mit unserem Produzenten John Feldmann geschrieben haben, konnte ich mich sehr gut darauf konzentrieren. „Is This Thing Cursed?“ haben wir aus diesem Grund nach dem gleichen Prinzip aufgenommen. Guck dir die Tourdaten an, ich spiele mit dem Trio, dann haben wir einen Monat Pause, in dem ich mit BLINK-182 unterwegs bin, nur um im darauffolgenden Monat die Tour mit dem Trio fortzusetzen.
Du bist ja ein Mensch, der nie ein Geheimnis gemacht hat aus seiner Leidenschaft für Musik, aber auch für Filme und Malerei, was hat dich beim Schreiben besonders inspiriert?
Die Liste mit Büchern und Filmen würde vermutlich den Rahmen dieses Interviews sprengen, die ist zu lang. Diesmal habe ich mich jedenfalls stark von Stanley Kubrick und seinen Filmen beeinflussen lassen. Wer genau hinhört, wird ein paar Anspielungen entdecken. Ansonsten bietet das, was zur Zeit unter Trump passiert, natürlich auch genug Stoff für ein Album.
Interessant, dass du so etwas sagst. Du äußerst dich zwar politisch in den sozialen Netzwerken, aber ALKALINE TRIO haben ihre Popularität ja nicht gerade durch ihre politischen Texte erlangt.
Ich weiß noch, als die Wahlergebnisse bekannt gegeben wurden. Ich war mit Mark in Europa, um Promo für die bevorstehende BLINK-182-Tour zu machen. Wir waren gerade in Paris und ich hatte den Wecker auf vier Uhr morgens gestellt, da zu dieser Zeit mit den finalen Ergebnissen zu rechnen war. Ich bin aufgewacht, habe die Nachrichten gesehen und konnte es nicht fassen. Ich habe geweint. Den nächsten Tag hatten wir dann Pressetermine und ein Akustik-Set im französischen Radio. Wir haben „Boys don‘t cry“ von THE CURE gecovert und ich war so neben der Spur, dass ich es total verbockt habe. Und seit diesem Tag wird es schlimmer und schlimmer. Ich liebe Bands wie ANTI-FLAG oder RISE AGAINST, und kann verstehen, warum sie darüber singen. Aber wir gehen anders an so etwas heran. Unsere Lieder über Romanzen oder Tod sind oft nur als Metaphern zu verstehen. Interpretiere sie, wie du willst. Ich lasse meine politischen Ansichten nicht direkt in die Musik einfließen. Ich muss mich nicht hinstellen und sagen, wie scheiße ich Donald Trump finde. Das ist zum einen offensichtlich, zum anderen gibt es Menschen, die dieses Thema viel besser behandeln können.
Glaubst du, dass es für Kunst überhaupt möglich ist, unpolitisch zu sein?
Nein, Kunst kann nicht unpolitisch sein. Nichts kann unpolitisch sein. Jede unserer Handlungen ist politisch.
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