Ein Albumtitel wie „Is This Thing Cursed?“ wirft Fragen auf. Ist die Band mit den beiden Sängern Matt Skiba und Dan Andriano sowie Schlagzeuger Derek Grant gemeint, die fünf Jahre gebraucht hat, um den Nachfolger von „My Shame Is True“ zu schreiben? Hat Skibas Beteiligung an BLINK-182 die Band doch auf eine Bewährungsprobe gestellt? Befindet man sich in einer Schaffenskrise, die nur mit neuen Songs bewältigt werden kann? Oder ist es gar unsere Gesellschaft, die sich mit Dämonen wie Donald Trump herumschlagen muss und dem Untergang geweiht ist? Vielleicht ist auch alles nur ein morbider Scherz, den sich die Band erlaubt hat. Fest steht, dass ALKALINE TRIO ein Album veröffentlicht haben, das eigentlich niemanden enttäuschen wird. Wer oder was hier nun verflucht ist, erklärt uns Matt Skiba.
Matt, in den zwanzig Jahren seit der Veröffentlichung des ersten Albums „Goddamnit“ ist bei euch einiges passiert. Neben unzähligen Soloausflügen und deiner Beteiligung an BLINK-182 habt ihr es nach fünf Jahren nun wieder geschafft, als ALKALINE TRIO eine Platte aufzunehmen. Inwieweit ist der Titel „Is This Thing Cursed?“ symptomatisch für euch im Jahr 2018?
Um die Sache direkt etwas zu entschärfen: Der Titel stammt vom gleichnamigem Song, den Dan relativ früh zu Beginn der Aufnahmen schrieb. Er handelt von seiner Depression und davon, dass nichts so zu funktionieren scheint, wie es eigentlich sollte. Hoffentlich ist unsere Platte jetzt nicht verflucht. Bis jetzt haben sich Unfälle und sonstige unangenehme Vorkommnisse auch noch in Grenzen gehalten. Ein alternativer Albumtitel wäre übrigens „Destination Failure“ gewesen. Den haben SMOKING POPES aber schon im Jahr 1997 verwendet. Dabei hätte er auch bei uns so gut gepasst.
Immerhin ist „Is This Thing Cursed?“ schon euer zehntes Studioalbum. Musikalisch habt ihr euch anscheinend auf eure Anfangstage besonnen. Wie kam es dazu?
Über die Jahre entwickelt man als Musiker eigentlich ein gutes Gespür für das, was von einem erwartet wird und was man auf der anderen Seite gerne macht. Jeder, der mal in einer Band gespielt hat, kennt diesen Moment, wenn man sich hinsetzt und einfach drauflos spielt. Ohne sich an irgendwelchen Erwartungen oder Inspirationen abzuarbeiten, kommt dabei etwas sehr Ehrliches heraus. So war das auch dieses Mal bei uns. „Is This Thing Cursed?“ ist auf Grund unserer damaligen Verpflichtungen komplett im Studio entstanden. Das ist einerseits sehr gut, weil du konzentriert arbeiten musst. Es funktioniert aber auch nur, wenn du und deine Leute perfekt harmonieren. Das ist bei Derek, Dan und mir der Fall. Wir wissen, was wir aneinander haben und lassen uns gegenseitig die nötigen Freiheiten. Ein bisschen erinnerte mich der Aufnahmeprozess an die Zeit, als wir „Maybe I’ll Catch Fire“ aufgenommen haben.
Was nehmt ihr mit, wenn ihr ins Studio geht, um ein neues Album aufzunehmen? Was passierte im Vorfeld?
Natürlich bringen wir alle unsere Inspirationen mit ins Studio. Ich lese viel, sauge alles um mich herum auf und versuche am Ende, so viel, wie es geht, in den Songs zu verarbeiten. Eine Platte schreibt sich nicht mal eben so. Wenn wir drei nicht die Notwendigkeit gesehen hätten, wäre „Is This Thing Cursed?“ auch sicher nicht entstanden. Es fühlte sich zu der Zeit einfach richtig an, wieder als ALKALINE TRIO zusammenzuarbeiten. Niemand musste sich reinarbeiten oder erst wieder in die Stimmung kommen, mit den anderen Musik zu machen. Es funktionierte einfach. Da gab es zum Beispiel ein Riff, mit dem Dan „Demon and division“ anfing. Ich konnte mir dazu direkt etwas vorstellen. So haben wir uns gegenseitig angestachelt. Falls es während der Aufnahmen jedoch tatsächlich mal zu positiv oder gar zu lasch geklungen hat, haben wir ein Codewort genutzt, dass Mark Hoppus bei BLINK-182 eingeführt hat: Wenn jemand die Frage „Too cute?“ mit ja beantwortet hat, muss auf jeden Fall etwas geändert werden.
Inspirationen gibt es momentan ja wohl genug. Ihr wart mit „Warbrain“ einst auf der „Rock against Bush“-Compilation vertreten. Findet sich ein ähnliches politisches Statement auch auf der neuen Platte?
Unser Verhalten miteinander hat sich in den letzten Jahren sehr stark verändert. Jeder, der sensibel genug ist, kann erkennen, wie frustriert viele Leute inzwischen sind. Das spiegelt sich in unglücklichen Beziehungen wider, wie ich sie zum Beispiel in „Blackbird“ besinge. Natürlich geht jeder von uns anders mit großen Veränderungen um. Ein wichtiges Thema auf der Platte ist auch der Umgang mit Depressionen. Für Dan und mich hat das Songschreiben eine kathartische Wirkung. Wir brauchen ALKALINE TRIO. Im Song „I can’t believe“ geht es darum, dass Trump im Grunde alles verkörpert, wogegen ich bin. Nach der Veröffentlichung des „Grab them by the pussy“-Tapes dachte ich eigentlich, dass diese Horrorshow ein Ende hat. Ich meine, im 21. Jahrhundert sollte ein sexistisches, konservatives, homophobes und frauenverachtendes Rassisten-Arschloch doch eigentlich keine Chance haben, der Präsident der USA zu werden. Das Resultat der Dummheit vieler Menschen hier ist, dass wir uns im Inneren immer weiter spalten und uns nach außen abschotten. Dabei verlieren wir jedoch alle. Im Song „Goodbye fire island“ geht es auch um die Folgen des Klimawandels, dem größten Verbrechen an unserer Erde und den zukünftigen Generationen, die hier leben sollen. Gegen Ende verbrennen die Menschen im Song ihr Geld, um nicht zu erfrieren, und bringen sich gegenseitig um. Im Grunde ist es im Moment absolut logisch, dystopische Songs zu schreiben.
Siehst du eine Möglichkeit, diese Menschen irgendwie zu erreichen und ihnen klarzumachen, auf wen sie sich da eingelassen haben und welche Folgen das haben wird?
Grundsätzlich kann ich sagen, dass ich mit niemandem etwas zu tun haben möchte, der Menschen „Schwuchteln“ nennt und Frauen als Gegenstand betrachtet. Allein die Äußerung „Grab them by the pussy“ ist so abscheulich. Das Problem ist ja auch, dass diese Menschen oft nur in einer Gruppe oder anonym im Internet stark sind. Nach einem Statement zu Hate Speech auf einem meiner Social-Media-Kanäle waren bestimmt tausend Leute angepisst. Auf die verzichte ich gerne. Dabei ist es eigentlich unglaublich traurig, dass statt dem Miteinander das Gegeneinander immer stärker wird. Natürlich gab es so was schon immer, aber irgendwie wirkt es so, als sei jetzt viel mehr Verbitterung und Hass vorhanden.
Inwiefern hat sich deine Perspektive auf das Musikbusiness geändert, seit du als Gitarrist bei BLINK-182 bist?
Außer dass mich jetzt mehr Leute auf der Straße erkennen, hat sich tatsächlich nicht viel geändert. Ich habe jetzt die Möglichkeit, mit Travis und Mark, zwei weiteren fantastischen Künstlern, zusammenzuarbeiten. Was das angeht, könnte es nicht besser laufen.
Kannst du irgendwelche Parallelen zwischen den beiden Bands ziehen, in denen du ja auch ein wichtiger Songschreiber bist?
Ich würde sagen, dass bei beiden Bands die Leidenschaft im Vordergrund steht. Ebenso wie der Drang, sich ständig selbst zu verwirklichen. Ich weiß, was ich an Dan und Derek habe. Mit ihnen bin ich musikalisch großgeworden. So etwas schweißt zusammen, so dass wir nach mehr als zwanzig Jahren ALKALINE TRIO wissen, was der andere denkt, ohne dass nur ein Wort gesprochen werden muss. BLINK-182 sind eine Herausforderung, die ich sehr zu schätzen weiß. Nicht weil ich gelangweilt war. Eher, weil ich jetzt noch mehr Gründe habe, mich mit Musik zu beschäftigen.
Wie setzt du als Mitglied von BLINK-182 und eine der beiden Stimmen von ALKALINE TRIO jetzt deine Prioritäten?
Eigentlich versuche ich, von Stunde zu Stunde zu planen. Ich habe es mir abgewöhnt, große Projekte über Monate hinweg im Vorfeld zu organisieren. Ich sehe davon ab, zu viel über Dinge, die ich vielleicht machen möchte, nachzudenken. Ich tue es einfach. Daraus haben sich bis jetzt durchweg positive Sachen entwickelt, wie zum Beispiel „Is This Thing Cursed?“, oder besser gesagt, die Idee mit Dan und Derek aufzunehmen. Es gibt keinen Terminkalender, in dem eine BLINK-182- oder ALKALINE TRIO-Zeit eingetragen ist. Natürlich gibt es die üblichen Dinge wie Konzerte oder Interviewtermine. Neue Projekte jedoch fange ich sofort an. Oder ich lasse sie einfach bleiben.
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