Foto

BLACK ANGELS

Wilderness Of Mirrors

Es gibt Menschen, die sind von ihren Lieblingsbands tagesaktuell informiert. Mag sein, dass das zu schaffen ist, wenn man – altmodische Vorstellung – ein, zwei Handvoll davon hat und sklavisch an deren Social Media-Posts hängt. Ich würde das gar nicht schaffen, verfalle so aber in Folge immer in einen Panikmodus, wenn plötzlich ein neues Album auftaucht, das vorherige aber gefühlt eine halbe Ewigkeit her ist. Hab ich was verpasst? Hektisches Recherchieren und im Falle der BLACK ANGELS die Feststellung, dass da tatsächlich fünf Jahre nichts war. Krasse Zeiten, krasse Distanz: Die einen hauen permanent Singles raus, haben sich vom Album verabschiedet, sind omnipräsent, die anderen machen das Gegenteil und treten weit zurück etwa zum Output – nur so als Gegenbeispiel – von HÜSKER DÜ, die teilweise zwei Alben im Jahr veröffentlichten. Tatsächlich also ist seit „Death Song“ von 2017 kein neues Album der Texaner erschienen, die sich auch damals schon vier Jahre seit dem letzten Album „Indigo Meadow“ (2013) Zeit gelassen hatten. Die Neo-Psychedeliker THE BLACK ANGELS aus Austin, Texas, die seit 2004 schon auf den Spuren ihrer Namenspaten (via Songtitel und dem 2017er Albumtitel) THE VELVET UNDERGROUND und von Lokalheroe Roky Erickson (mit dem sie einst als Backing-Band tourten) wandeln, haben ja eine erstaunliche Karriere hingelegt. Ihr extrem dichter, schwirrender Sound mit dem beschwörenden Rhythmus einer Schwitzhüttenmeditation (siehe „La pared (govt. wall blues)“) hatte sich, obwohl eigentlich Minderheitenmusik, spätestens mit „Death Song“ vom Geheimtipp zum Mini.-Hype entwickelt. Ich war sehr erstaunt, bei der damaligen Tour nicht mit 100 Leuten in einem Club zu stehen, sondern mit 800 – die mediale Wahrnehmung war dem nicht angemessen, weit weniger beachtete Bands waren seinerzeit weitaus präsenter. Markant und präsent ist weiterhin der mit viel Hall hinterlegte Gesang von Bassist und Organist Alex Mass, der wohl der Kopf der Band ist. „Wilderness Of Mirrors“, im heimischen Texas unter Obhut von Brett Orrison und John Agnello entstanden, ist ein begeisterndes, 15 intensive Songs langes Album einer Band, die es lange schon geschafft hat, in Nachbarschaft von etwa BLACK REBEL MOTORCYCLE CLUB, A PLACE TO BURY STRANGERS, THE FLAMING LIPS, THE JESUS AND MARY CHAIN und THE RAVEONETTES ihre eigene Klangfarbe zu schärfen und lange schon nicht mehr eine zu sein, bei der man sich denkt „Das klingt doch wie ...“ Ich mag an THE BLACK ANGELS deren Fähigkeit zum differenzierten Songwriting (meine Highlights: „Here & now“ und „History of the future“) und zur zeitgemäßen Umsetzung, denn das hier ist kein lahmer Retrozock mit permanentem Rückgriff auf irgendwelche Helden aus den Sechzigern – von den zeitlosen VU mal abgesehen ...