Michael Gira, Jahrgang 1954, ist gerade 60 geworden. 2010 reaktivierte er die SWANS, jene Band, die er 1982 zusammen mit Jarboe im New York der Post-Punk/No Wave-Bewegung gegründet hatte und die neben SONIC YOUTH und FOETUS für musikalische wie künstlerische Eigenwilligkeit bei gleichzeitig großer Fangemeinde stand – gerade auch in Europa.
1997 war Schluss, Gira veröffentlichte unter eigenem Namen und auf seinem Young God-Label, doch 2010 dann eine Neuauflage der SWANS, wenn auch ohne Jarboe. Mit „My Father Will Guide Me Up A Rope To The Sky“ erschien im gleichen Jahr das elfte Studioalbum, es folgten erfolgreiche Touren, 2012 dann kam, wieder auf Young God, „The Seer“, angesichts von knapp zwei Stunden Spielzeit veröffentlicht auf Doppel-CD und Triple-LP, es war, so Gira, „the culmination of every previous SWANS album“.
Kann „To Be Kind“, ebenfalls rund zwei Stunden lang, da überhaupt mithalten? Auch dieser Longplayer – im wahrsten Sinne des Wortes – erscheint als Doppel-CD und Triple-LP, zusätzlich aber, so Giras Planung, als USB-Stick, um das Album unterbrechungsfrei abspielen zu können.
Was man natürlich auch kann, wenn man sich die CDs auf den Rechner zieht oder die LPs mit Downloadcode ausstattet ... Aufgenommen wurde „To Be Kind“ mit dem famosen John Congleton (der sich doch endlich mal wieder seiner eigenen Band PAPER CHASE widmen sollte) in dessen Studio in Dallas, TX, und der ist nun ein ausgewiesener Meister in Sachen Musik von großer Dramatik und Tiefe.
Will heißen: zum Schaffen von Gira/SWANS passt das ideal. „To Be Kind“ ist ein orchestrales Album ohne orchestrale Instrumentierung, ein akustisches Erlebnis der Extraklasse, weitaus beeindruckender als alles, was SONIC YOUTH, Nick Cave und EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN zuletzt hinbekommen haben.
SWANS lassen konventionelle Rockmusik einerseits weit hinter sich, bleiben aber dennoch im Rahmen dessen, was man irgendwie von ihnen erwartet, und haben so einen zweistündigen Noise-Trip geschaffen, nach dem man verschwitzt und erschöpft ist, ganz so wie nach ihren Konzerten, deren ungeheure Lautstärke und Intensität die Konserve freilich niemals wiedergeben kann.
Ein Trip von einem Album, von einem Mann, der gerade seinen zweiten Frühlig erlebt.
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