TURBOSTAAT sind auf ihrer fünften Platte wieder einen Schritt weiter gegangen, haben experimentiert, neue Dinge ausprobiert und mit Technik und Instrumenten gespielt. Mit dem Ausnahmeproduzenten Moses Schneider haben sie sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort getroffen, nämlich Ende September 2012 in den Clouds Hill Recording Studios in Hamburg, „einem renommierten Tonstudio mit viel altem Equipment“ (Tobert).
Die 15 Songs, die dabei entstanden sind, erweitern das TURBOSTAAT-Repertoire um einige deutschprachige Punkperlen und sind ein richtiger (besser: wichtiger) Schritt nach vorn. Sei es das schreiend aggressive „Pestperle“, in dem so deutlich wie nie politisch Stellung bezogen wird, oder das Offbeat-Ska-Bekenntnis „Tut es doch weh“, mit seiner (mal wieder) famosen Gitarrenarbeit.
Überhaupt muss man die künstlerische Entwicklung der Musiker betonen: zwar finden technisch-raffinierte Ausflüge ins Land der Frickler ihre immanente Begrenzung in der Fingerfertigkeit des norddeutschen Quintetts, aber wie hier Punkrock zelebriert wird und wie hier trotz der (nach wie vor) pessimistischen Texte Zuversicht und Spielfreude transportiert werden, ist und bleibt nun mal etwas Besonderes im deutschsprachigen Punk.
Der Opener „Eine Stadt gibt auf“ hat (wie die restliche Platte) einen wahnsinnig guten Schlagzeug-Sound, der einen umhaut und einstimmt auf die Schläge in die Magengrube, die da noch kommen; seien es Toberts hypnotisierende Basslinien, Rolands und Martens kratzige Gitarren oder dann (endlich!) Jans pressende Stimme: „Siehst du die Fassaden dieser wunderschönen Stadt?“.
Bereits in dieser ersten Zeile spiegelt sich der thematische Leitfaden der folgenden 42:42 Minuten (mit Bonus 50:32 min), der sein klaustrophobisches Ende erst in dem resignierten, mehrfach rausgebrüllten Fazit von „Sohnemann Zwei“ findet: „Der Krieg ist nie vorbei, solange er sich lohnt!“, Mutter Courage lässt grüßen.
„Fresendelf“ ist so ein Stück, dass im Kern eine traurige, ruhige Ballade (!) ist, aber durch das meditative Schlagzeug, die Räumlichkeit und den druckvollen Sound eine Tiefe erreicht, wie kaum ein anderes Lied aus der Feder von Gitarrist und Texter Marten.
Und die D-Seite mit „Fangarm Derbes“, „Aggewars“ und „Unendlich viel Geld“ ist mehr als irgendeine lose Bonustrack-Sammlung, reihen sich die Lieder doch nahtlos in die Gesamtaussage und Atmosphäre des Gesamtalbums ein: weil es wahnsinnig, wild, befremdlich und unkontrolliert ist, könnte „Unendlich viel Geld“ genauso gut auf Seite A sein.
„Stadt der Angst“ hat eine enorme atmosphärische Dichte, die die Grundstimmung der Texte, der Kompositionen und der liebevollen Arrangements bis aufs Äußerste verstärkt. Und es ist die Räumlichkeit, die diese Platte so groß macht.
Das fängt mit den noisigen Feedback-Gitarren beim knalligen Opener „Eine Stadt gibt auf“ an und zieht sich dann über das Intro/Solo/Outro-Rauschen bei „Psychoreal“, bevor es im brachialen „Sohnemann Zwei“ furios endet.
Ja, richtig gelesen, es rauscht! Problem für euch Digitalsnobs? Stinkefinger! Hier ist alles analog! Hier ist Sound! Hier ist Punk! (Diese Band war auf der Ox-CD 107 zu hören)
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