Fünf dünne Papphüllen mit dem LP-Artwork in einem Pappschuber – ohne Bonusmaterial, ohne Linernotes –, das kann man als spartanisch bezeichnen. Andererseits bekommt man so das komplette Frühwerk der Los Angeles-Punk-Pioniere im Kompaktformat und zu einem Preis, den man auch für eines der fünf Alben im neu aufgelegten Vinylformat bezahlt.
Wem also der Inhalt wichtiger ist als die Verpackung, der sollte zugreifen, sind doch „Los Angeles“ (1980), „Wild Gift“ (1981), „Under The Big Black Sun“ (1982), „More Fun In The New World“ (1983) und „Ain’t Love Grand“ (1985) bei allen stilistischen Unterschieden absolute Klassiker des kalifornischen (Post-)Punks.
1977 gründeten Exene Cervenka und John Doe die Band in Los Angeles, und nach ersten Single-Releases auf dem legendären Dangerhouse-Label erschien das Debüt „Los Angeles“ 1980 auf Slash Records und wurde von Ray Manzarek produziert, dem einstigen Keyboarder der DOORS.
Musikalisch hatte sich die Band „weiterentwickelt“, wurde dem Punkrock der Anfangsjahre also mal mehr, mal weniger stark untreu, und erst mit „Wild Gift“ von 1981 wurden X wieder etwas punkiger.
Generell hatten sie im Gegensatz zu vielen ihrer Zeitgenossen schon früh einen Weg eingeschlagen, der sie mit den weiteren Aufnahmen immer mehr wegführen sollte von den Punk-Stereotypen. Country und Rockabilly waren klar erkennbare Einflüsse, der Doppelgesang von Doe und Cervenka, die damals auch ein Paar waren, ist markant, und es gibt gute Gründe dafür, dass „Wild Gift“ in den USA immer wieder in Listen einflussreicher Klassiker auftaucht.
Auch bald 30 Jahre später noch begeistern Songs wie „Adult books“, White girl“ oder „Beyond and back“. „Under The Big Black Sun“ (1982) ist das dritte Album, mit dem X von Slash zum Major Elektra wechselten.
Die klare Punk-Orientierung der Frühphase war nun endgültig passé, und so muss „Under The Big Black Sun“ fairerweise losgelöst von dieser Hypothek gesehen werden. Lange bevor beispielsweise SOCIAL DISTORTION den Weg einschlugen, auch Country und klassischen Rockabilly mit „alternativer“ Rockmusik zu verbinden, hatten das X schon getan – und das sehr überzeugend und erfolgreich.
1983 kam dann mit „More Fun In The New World“ das dritte Album von X, und der etwas nebulöse Begriff des „Alternative Country“ mag eine Prägung der Neunziger sein, seine Wurzeln liegen aber schon in den Achtzigern.
X waren neben beispielsweise GUN CLUB frühe Vertreter von Americana, der Verquickung von Counterculture-Klängen mit Elementen mehrheitlich reaktionärer Country-Musik. Produziert wurde auch diese Platte wieder von DOORS-Keyboarder Ray Manzarek, doch wer seltsame Achtziger-Rockmusik befürchtet, die mit Punk nur noch begrenzt in Verbindung gebracht werden kann, sollte sich nicht einschüchtern lassen: X haben mit „More Fun ...“ ein Album aufgenommen, das mit Songs wie „True love“, „Poor girl“ oder „Make the music go bang“ echte, mitreißende, hymnische und leidlich schnelle Hits aufweist.
Ihre bisherigen Fans dankten der Band die schon mit „Under The Big Black Sun“ eingeschlagene neue Richtung nicht, es gab Ausverkaufsvorwürfe, doch mit über 25 Jahren Distanz sieht so was ganz anders aus.
„Ain’t Love Grand“ schließlich erschien 1985 und fängt horrormäßig an, mit schrecklichen Achtziger-Hardrock-Synthies, und ist auch sonst nur punktuell erträglich. Das Album wurde produziert vom ehemaligen ACCEPT-Gitarristen Michael Wagener, der sonst eben mit Metal- und Hardrock-Bands wie DOKKEN und SKID ROW arbeitete.
X wollten endlich den großen kommerziellen Erfolg, Wagener sollte helfen, von Punk ist hier nichts mehr zu hören, und beim besten Willen kann man dieses Machwerk nur aus Vollständigkeitsgründen in dieser Box akzeptieren.
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