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FJØRT

Nichts

Nichts an dieser Band ist irgendwie normal. Oder egal. Oder durchschnittlich. Im Falle von FJØRT hört man jedem einzelnen Ton an, wie diese Musiker das Spektakel geradezu jagen. Nicht aufdringlich und lautstark in der Art von – sagen wir – RAMMSTEIN, denen man stets dieses unangenehm brüllende „Wir! Wir! Wir!“ anhört. Nein, bei FJØRT findet diese Jagd gänzlich und ausschließlich im Sinne der musikalischen Dramaturgie statt. Die Musiker treten zurück hinter ihre Musik. FJØRT sind die epischste unter den Bands ihres Genres, dem Post-Hardcore. Und ihre Epik ist eine, die ohne Schmalz und dicken Aufstrich daherkommt. Eine, die dem Song dient. Die nichts anderes will und tut als gefangen nehmen und bannen. Wenn der Einstieg in „Nichts“ mit kalt wabernden Synthesizern zunächst langsam vonstattengeht, ehe sich dieses FJØRT-typische Klangbild einstellt, die Gitarren hallen, das Schlagzeug pointiert krachende Ausrufezeichen setzt und schließlich das, eben, Spektakel in Form zwar infernalischen, aber doch so unendlich melodischen Lärms losbricht, dann schafft auch diese neue Platte das, was FJØRT-Alben seit jeher so eigen ist: Sie zieht einen hinein in sich. Umkreist einen. Hält einen fest. Überschüttet einen mit Wucht, Wut, Tragik, Melancholie. Und lässt einen bis zum Ende nicht mehr los. Ein Trip ohne Drogen. Ein Trip im Rausch der Musik. Ja, auf „Nichts“ machen FJØRT einiges anders. Frontmann Chris singt stellenweise so klar wie noch nie. Es haben sich noch mehr elektronische und klassische Elemente eingeschlichen in diese gewaltigen Arrangements. Aber nichts davon verrät den Sinn und Zweck, der hinter der Musik dieser Band steckt, nämlich dem Post-Hardcore jene maximal poetischen Momente zu schenken, die ihm sonst niemand schenkt. Anders gesagt, wenn wir von Musik als Kunst reden, dann sind FJØRT die Blaupause. Das setzt sich ja auch im einmal mehr grandiosen Artwork fort. Die Songs zu hören, die Texte aufzunehmen und sich dabei diese seltsam harten und doch filigranen Drahtgebilde auf dem Cover anzusehen, ist wie das Schauen eines Films oder das Lesen eines Buchs, in dem die Genregrenzen zwischen Roman, Graphic Novel, Lyrikband und Kunstkatalog verwischen. Haptik pur. Mehr geht nicht. Alles passt zueinander. Alles bedingt einander. Apropos Texte: Zwar kommen sie oftmals kryptisch und beinahe mystisch daher. Doch stets mit Momenten, mit Worten und Sätzen, die einem in Seele und Herz krachen und die Botschaft greifbar machen: „Nichts nimmt dich in Kauf. Nichts ist, was du brauchst“ („Nichts“). „Die Welt hat Bock, dass wir alle, alle sterben gehen“ („Schrot“). „Ich tue nichts. Ich tue gar nichts, weil es gemütlich ist hier bei uns“ („Kolt“). Das ist umwerfend. Das ist unfassbar schön. Das ist stimmungsmäßig nicht nur das Herbst- und Winter-Album. Das ist ein potenzielles Album des Jahres.