Der „Musikexpress“ ist das mit Abstand langweiligste Musikmagazin auf dem deutschen Markt, so schnarchnasig und konturlos, dass man sich immer wieder fragt, was für Menschen das eigentlich lesen – und warum.
Dieses Springer-Heft hat sich nun das im Dezember 1979 erschienene THE CLASH-Doppelalbum „London Calling“ als Aufhänger für eine Titelstory auserkoren und damit verdeutlicht, was man alles gegen „London Calling“ an Argumenten aufbringen kann, ohne dass das Album und die Band an sich was dafür können.
„London Calling“, so brachte es kürzlich noch jemand auf den Punkt, sei ein Album, bei dem man sich frage, warum das eigentlich als Punk-Platte angesehen werde. Eine ketzerisches und durchaus in polemisierender Absicht getätigtes Statement, aber bei aller Begeisterung und Wertschätzung für THE CLASH kann man diese Meinung durchaus gelten lassen.
Mit ihrem dritten Album waren Strummer & Co. nämlich so dermaßen Post-Punk, dass die Platte bei allen großartigen Songs, die sie enthält, bestens als Alibi-Punk-Platte in jeder langweiligen Plattensammlung stehen kann, deren Besitzer sich dann damit brüsten kann, er höre ja sogar auch Punk.
Nun mag es ja sein, dass die ersten Protagonisten des Punks 1979/80 schon längst wieder raus waren aus der ihrer Meinung nach viel zu konservativ gewordenen „Alles geht“-Punk-Experimentierbühne, aber dieses Geschwätz hat mich noch nie gekümmert – und eine Breitseite SLIME, DEAD KENNEYS, DISCHARGE, CRASS oder was sonst gerade an hochdosierter Aggro-Musik zur Hand ist, sollte alle Fragen nach der Relevanz von Punk nach 1980 mit der Nachdrücklichkeit eines Stiefeltritts beantworten.
„London Calling“ jedoch ist ein Album, das rein musikalisch gesehen keinem was tut – damals nicht, heute nicht. 19 eingängige, melodiöse Pop-Songs, an deren wundervoller Eingängigkeit kein Zweifel besteht, die mitreißen, begeistern – aber nur sehr bedingt dazu taugen, Menschen vor den Kopf zu stoßen.
Genau diesen querulantischen Anspruch habe ich aber eine Punk-Platte: Sie soll aufregen, provozieren – gerade auch musikalisch. In der Hinsicht aber ist „London Calling“ so ausgereift, so durchproduziert, so vielfältig, so gefällig, so ein herrlicher Crossover aus (Punk-)Rock, Ska, Reggae, Rockabilly, sind Songs wie „London calling“, „Brand new Cadillac“, „Jimmy Jazz“, Rudie can’t fail“, „Spanish bombs“, „Lost in the supermarket“, „The guns of Brixton“, „Death or glory“ oder „Lover’s rock“ solch eingängige Nummern, dass man sich wirklich nur ehrfürchtig verbeugen kann vor einer Band, die es schaffte, auf einem Album so eine unglaubliche Hit-Dichte zu erzeugen, die mit aggressivem Gebelle nicht machbar ist, denn das geht nur mit den Mitteln des Pop.
Punk oder Pop, auch das mag man als akademische Diskussion ansehen, Fakt ist aber, dass THE CLASH eine explizit politische Band waren, wie die Texte etwa von „Spanish bombs“, „Guns of Brixton“ oder „Lost in the supermarket“ beweisen – gefällige Musik und klare Aussagen müssen kein Widerspruch sein und sind durchaus ein Gegenkonzept zu herausgebrüllten Parolen.
„London Calling“, das ist ein epochales Album, dessen Jubiläums-Edition im Pappschuber veröffentlicht wurde, in dem sich statt zweier LPs eine CD und eine DVD (mit der Don Letts-Doku „The Last Testament: The Making of London Calling“) finden, in Hüllen mit dem originalen Artwork nebst Texten, ergänzt um ein dickes Booklet.
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