David ist erwachsen geworden. Der Typ, den wir als den Fabriken anzündenden Rebellen von „David Comes To Life“ kennen, mit dem wir schon Hardcore-Weihnachten feierten, hat jetzt einen Bürojob. Es ist übrigens okay, hier Parallelen zum eigenen Lebenslauf zu ziehen.
FUCKED UP, oder eher Mike Haliechuk betont allerdings, dies hier sei kein Sequel, sondern einfach nur eine weitere Geschichte über David. Der gleiche Held, ein neues Abenteuer – und was für ein abgefahrenes.
David haut aus seinem Büro ab und trifft im Hof auf Joyce, die im Mülleimer wohnt. Sie schickt ihn auf eine spirituelle Reise, er soll ihre alte große Liebe Lloyd finden. Ihn hat sie einst auf die gleiche Reise geschickt, nur blieb er verschollen.
Es empfiehlt sich, die Lyrics zu lesen, um die Geschichte wirklich zu verstehen. Und selbst dann bleibt alles ziemlich kryptisch. Der Name Joyce ist übrigens nicht zufällig gewählt, Vorlage oder eher Inspiration für „Dose Your Dreams“ ist James Joyce’ Klassiker „Ulysses“.
FUCKED UP waren immer schon herausragend in der Hardcore-Szene. Sie können das klassische, anklagende Gepolter hervorragend, lieben es aber ebenso sehr zu experimentieren. Auf „Dose Your Dreams“ werden sie vollends wahnsinnig.
„The one I want will come for me“ klingt nach THE CURE, „Mechanical bull“ würde sich in einem Berliner Elektro-Club gut machen, „Came down wrong“ wäre ein Spitzen-Song für DINOSAUR JR. und „Love is an island in the sea“ könnte eine SHINS-B-Seite sein.
Laut wird es trotzdem, nach dem sphärischen Intro zu „None of your business, man“ darf Damian Abraham rotzen wie ein Verrückter und auch „House of keys“ wird die Wut-Vermisser unter euch besänftigen.
Darauf folgen dann aber wieder sanfte Klavierparts, verhuschter Frauengesang, Flüstern und Streicher. Die wurden von Owen Pallet arrangiert, der sonst auch mal für angesagte Popsternchen die Geigenparts schreibt.
Pallet ist nicht der einzige Gast, unter anderem hört man J Mascis, Ryan Tong (SHIT) und Mary Margaret O’Hara auf der Platte. „Dose Your Dreams“ ist ein größenwahnsinniges, völlig beklopptes Doppel-Album.
Und es ist richtig gut. Man kann es vierzig Mal hören und findet noch was Neues, Hair-Metal-Gitarren zum Beispiel oder noch ein Saxophon. Als Band so spannend zu bleiben, ist ein Kunststück.
Vielleicht wäre das so nie zustande gekommen, wenn Damian Abraham nicht einfach nebenbei noch so viel zu tun hätte mit seinem Podcast und Dokus. Mike Haliechuk hat das Album zum ersten Mal ohne ihn geschrieben und offenbar alles reingesteckt, was ihm in den Sinn kam.
Gut so. Jetzt müssten FUCKED UP es nur noch schaffen, aus diesem Spektakel einen Film zu machen. Endlich mal ein Musical, das sich wirklich lohnt. Wer das hier im Ernst „Rock-Oper“ nennt, wird übrigens verhauen.
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