Hier geht es um Vergangenheitsbewältigung. Allerdings weniger um die der Band, als vielmehr um meine. Der Hochzeitstanz zu „Girl from Mars“ hat mir zwar alles andere als Glück gebracht, aber die Tatsache, dass ein Song von ASH damals den Ball zur Feier des vermeintlich schönsten Tag im Leben (das war er sicher nicht ...
und dass nicht nur, weil ich tanzen musste) eröffnet hat, zeigt doch ein wenig den Stellenwert, den die Band vor mehr als zehn Jahren für mich, für uns, und noch so viel Leute mehr hatte.
Ich weiß nicht mehr, in welchem Jahr ich zum zweiten Mal geheiratet habe, und ich weiß noch weniger, seit wie vielen Jahren das „Girl from Mars“ zu diesem Zeitpunkt schon und immer wieder gern gesehener Gast in allen Indie-Diskotheken weltweit war ...
aber ich bin mir sicher, dass sie es war. Ein zeitloses Stück Pop mit Punk-Anleihen (oder umgekehrt), szeneübergreifend und damals wie heute Garant für eine volle Tanzfläche. Ein Lied, Hunderte von Malen gehört, und doch immer wieder schön.
Und gäbe es die Wahl zum sympathischsten Musiker, der Sänger und Gitarrist Tim Wheeler müsste seit etwa Mitte der Neunziger Dauergast auf den ersten Plätzen sein. Ich durfte mich im Rahmen eines Interviews selbst einmal davon überzeugen, was für ein netter, bescheidener und aufgeschlossener Mensch dieser Tim Wheeler ist, und allein deshalb drücke ich dem Trio (von 1997 bis 2006 zu viert , wir erinnern uns gerne an Charlotte Hatherley) bei jeder Neuveröffentlichung die Daumen, weil ich ihnen von Herzen nur Gutes wünsche.
So auch diesmal, wobei es sich bei „A-Z Vol. 1“ und „Vol. 2“ nicht um neue Alben im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr um zwei Compilations mit zusammen 26 Singles handelt, die das Trio seit Oktober 2009 im 14-tägigen Abstand als Download auf ihrer Seite und als limitiertes Vinyl vertrieben hat.
26 Singles? Man ist fast gewillt, skeptisch die Stirn zu runzeln und sich zu fragen, ob das so funktionieren kann. Alle 14 Tage eine Single? Ein Jahr lang? Da sind Lückenfüller vorprogrammiert.
Oder? Nun ja, Geschmäcker sind nunmal verschieden und – um es kurz machen – als Album betrachtet halte ich „A-Z Vol. 1“ für eines ihrer besten. Keine der 13 Singles erreicht „Girl from Mars“, keine meinen persönlichen Lieblingssong „Jesus says“, aber fast alle sind nicht weit davon entfernt.
Und ich habe das Album beziehungsweise die Singles zum gegenwärtigen Zeitpunkt erst zweimal gehört. Es kann noch wachsen. „A-Z Vol. 1“ ist unverwechselbar ASH, und das nicht nur wegen Tim Wheelers markanter Stimme.
ASH sind sich treu geblieben, servieren unpeinlichen Pop mit einer gehörigen Portion Punk, sicherlich auch Rock, spielen die eine oder andere Ballade, machen in Achtzigern („True love 1980“) und – wo gerade das Album im Hintergrund seine dritte Runde dreht – hauen mit „Ichiban“ richtig einen raus, der sich vielleicht doch irgendwann zu „Girl from Mars“ und „Jesus says“ gesellen darf.
Nein, so muss ich mir keine Sorgen um Tim Wheeler machen. So nicht. Wäre da nicht „Vol. 2“. Vielleicht bin ich überdosiert, aber „Vol. 2“ fast im direkten Anschluss scheint mir zuviel und ich habe die Befürchtung, dass sich die Band zu guter Letzt übernommen hat.
Dass die Luft einfach raus war. Das kreative Potenzial erschöpft. Zwangsläufig, und keinesfalls böse gemeint. Zwar hauen sie mit „Physical world“ noch mal richtig einen raus, aber gesamt gesehen trübt Teil 2 das Bild enorm.
Doch war es die falsche Herangehensweise? Sicherlich war es keine schlechte Idee, mit der Veröffentlichung von 26 Singles im Zeitraum von einem Jahr die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber – und nachher ist man ja immer klüger – die Highlights auf ein Album komprimieren und mit zwei oder drei der herausragenden Songs in die Radiopromo gehen, hätte eventuell effektiver sein können.
Aber wer weiß das vorher schon? Gerade in der heutigen Zeit. Ich zumindest nicht. Ich klugscheiße in der Nachbetrachtung. Und „Vol. 2“ wird mit etwas Abstand in ein paar Tagen sicher noch eine Chance bekommen, und gebe mit ruhigem Gewissen und etwas mehr Gewichtung auf „A-Z Vol.
1“ eine gute 8.
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