TIGER ARMY

Tiger auf der Love-Parade

Schon das ´99er Debüt von TIGER ARMY fand ich begeisternd gut, diese eigenwillige Mischung aus klassischem Psychobilly und Goth-Punk.

So recht nahm von dem kalifornischen Trio hierzulande jedoch, wie mir scheint, niemand Notiz, und ich hoffe, das wird sich beim neuen Album „II: Power Of Moonlite“ anders verhalten, denn für mich ist die Scheibe eine der besten Platten der letzten Monate. Ich unterhielt mich mit Sänger und Gitarrist Nick 13 über die Rockabilly-Szene hier und dort, über die Roots von Punkrock und den Ausstieg von London May, dem Ex-SAMHAIN-Drummer, der beim Album noch mit von der Partie ist.

Nick, du bist nur ein paar Tage zuhause, kommst aus Japan und gehst gleich wieder in den USA auf Tour.


Ja, wir waren in Japan, waren dort mit BATTLE OF NINJAMEN unterwegs und haben auf dem Rockabilly-Festival „Tokyo Big Rumble“ gespielt: 15 japanische Bands und wir! In Japan gibt es eine sehr große Rockabilly- und Psychobilly-Szene, und ich war echt überrascht, dass die japanische Szene so viel hergibt. Ich war ´95 mal in München auf einem ähnlich großen Festival, aber da waren Bands und Besucher aus ganz Europa.

Wie ist denn die Szene in den USA?

Es ist eine ziemlich kleine Szene, und es finden auch - anders als im Punkrock - ständig irgendwo Konzerte statt. Es gibt immer wieder mal ein Festival, wo die Leute dann auch von weit her kommen. Bis vor ein paar Jahren war Psychobilly eine völlige Insidersache, das hörten nur ein paar Handvoll Leute. Aber in den letzten Jahren ist die Szene gewachsen, man bekommt auch mal ein Konzert voll, und ich hoffe, die Szene wird bald so groß wie in Europa oder Japan.

Wie lange hörst du diese Musik denn schon?

So genau kann ich das nicht sagen. Ich bin schon sehr früh übers Skateboarden zum Punkrock gekommen, und irgendwann habe ich angefangen, mich für Rockabilly und die in den Fünfzigern liegenden Roots des Punkrock zu interessieren. So mit 19, 20 bin ich dann auch so richtig rockabillymäßig rumgelaufen, bis ich auf die ganzen europäischen Psychobilly-Bands gestoßen bin, und das war dann genau mein Ding. Bands wie die METEORS, MAD SIN, KREWMEN, DEMENTED ARE GO, GUANA BATZ, und seitdem besorge ich mir alles an europäischem Psychobilly, was ich kriegen kann.

In der Tat scheint es in jedem Land in Europa oder in Japan mehr Psychobilly-Bands zu geben als in den USA - komisch irgendwie.

Ich habe auch schon versucht zu verstehen, warum es hier bei uns so wenige Psychobilly-Bands gibt, geschweige denn gute. Immerhin gibt´s hier ja auch eine ganze Menge guter Punkbands. Ich denke, die Leute hier kennen diese Szene einfach nicht, die nehmen diese Bands gar nicht wahr, doch ich habe die Hoffnung, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird.

Siehst du deine Band da auch als „Türöffner“, die in diesem Bereich Pionierarbeit leistet?

Ja, schon, und ich merke ja, dass die Kids bei unseren Konzerten richtig Spaß haben, und es ist echt nur die Sache, dass die bislang keine Chance hatten, eine Band wie uns live zu sehen. Die Kids, die Punkrocker, kommen auf mich zu und fragen mich, wo sie mehr solche Musik herbekommen können, die wollen selbst so eine Band gründen, und so weiter - das Interesse an dieser Musik ist also da.

Bei Punkkonzerten in den USA gibt es ja von jeher das Problem, dass Leute gewalttätig werden, und ich kann mich auch daran erinnern, dass die Konzerte in Deutschland, als Psychobilly Ende der Achtziger boomte, nicht immer besonders friedlich waren.

In der Hinsicht habe ich noch keine negativen Erfahrungen gemacht, weder in Deutschland noch in Japan oder den USA. Bei den Konzerten steht der Spaßfaktor im Vordergrund, und die Leute haben die Konsequenzen aus den Erfahrungen von früher gezogen: no politics, no violence, das gefällt mir. Die Szene ist viel zu klein, um sich untereinander noch weiter abzugrenzen. Und ich habe in all den Jahren in dieser Szene auch nur coole Leute getroffen, ob sie jetzt aus Japan, Südamerika, England oder den USA kommen.

Wie viele Leute kommen denn in den USA zu euren Shows?

Hier in Los Angeles haben wir mittlerweile ein paar Fans, und zu unseren Shows hier in der Stadt kommen schon so fünf- bis sechshundert Leute. Sonst sind´s viel weniger, eher 100 bis 200, wenn wir aussserhalb von Kalifornien spielen. Wir sind also noch eine richtige Undergroundband, wir müssen uns erst noch ein Publikum erspielen.

MAD SIN hatten hier in Deutschland zwischenzeitlich einen Majordeal - ist sowas in den USA in Sicht?

Die Musikindustrie hier dreht sich nur um Trends, und wenn die Majors der Auffassung wären, Psychobilly ließe sich verkaufen, würden sie sicher auch versuchen eine Band aufzubauen. Ob Psychobilly freilich überhaupt im größeren Rahmen laufen würde, weiss ich nicht. Punkrock ist hier ziemlich groß, Oi! und Ska sind es auch, doch Psychobilly hat nicht mal ansatzweise so eine Underground-Anhängerschaft wie diese Szenen, von daher wäre ich schon froh, wenn da wenigstens etwas mehr Interesse bestehen würde und sich da eine lebensfähige Szene entwickelt. Ich finde die Musik einfach so gut, dass ich es schade fände, wenn nicht ein paar mehr Leute damit in Kontakt kommen.

Was einheimische Pioniere dieses Sounds anbelangt, so fallen mir die frühen CRAMPS und die STRAY CATS ein.

Ja, und die einzige Band dieses Kalibers, die man in diesem Zusammenhang noch nennen muss, sind die QUAKES. Die sind meine Lieblingsband, was US-Psychobilly anbelangt. Das ist eine alte Band, die Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger in Europa lebte und dort natürlich sehr viele Konzerte spielte. Die waren seinerzeit auf Nervous Records, und für mich waren die die erste „neue“ US-Psychobilly-Band. Neben den CRAMPS und den STRAY CATS haben die USA in dieser Hinsicht aber auch nicht viel mehr zu bieten.

Rob Peltier von den QUAKES hat ja dann auch zwischenzeitlich bei TIGER ARMY den Slap-Bass gespielt, war bei den Aufnahmen zum Debüt-Album dabei.

Ja, damals brauchte ich einen guten Bassisten für die Aufnahmen, und so kontaktierte ich Rob, der damals in New York lebte. Es war cool, mit ihm zusammen in einer Band zu spielen.

Und wie bist du an London May geraten, dem Drummer von SAMHAIN?

Ich hatte ihn vor Jahren mal auf einem Konzert getroffen, und ausserdem war ich auch mal mit meinen guten Freunden von AFI unterwegs. Wir kommen aus der gleichen Stadt, kennen uns schon ewig, und Adam Carson von AFI hat auch auf dem ersten Album getrommelt. AFI waren unlängst mit SAMHAIN und DANZIG auf Tour, und auf dieser Tour habe ich London dann in Portland nochmal getroffen. Ich drückte ihm meine erste CD in die Hand, sie gefiel ihm, und später dann, als ich nach Los Angeles umgezogen war, nahmen wir erneut Kontakt auf, und er hatte Lust auf TIGER ARMY. Er ist übrigens vor kurzem ausgestiegen, vor der Japan-Tour. Er war ungefähr ein Jahr dabei, wir spielten 30 Shows zusammen und es war okay.

Ein Verlust für die Band?

Eigentlich nicht, wenn ich ehrlich sein soll. Wir haben jetzt in Japan mit verschiedenen Drummern gespielt, es hat auch funktioniert, und der neue Drummer, den ich jetzt habe, ist auch sehr gut.

Mit seinem Ausstieg ist mir natürlich beinahe die Möglichkeit genommen, den Sound von TIGER ARMY - was ich für angemessen halte - als Mischung aus klassischem Psychobilly und Gothpunk/rock à la MISFITS oder SAMHAIN zu beschreiben.

London hat im Studio für das neue Album einen guten Job gemacht, und der Einfluß von MISFITS und SAMHAIN auf die Musik von TIGER ARMY ist für mich mindestens genauso wichtig wie die Psychobilly-Einflüsse. Das hat mich inspiriert, da kommt der Sound der Band her.

Damit hast du es auf jeden Fall geschafft, TIGER ARMY einen einzigartigen Sound zu verpassen, was mir gefällt, denn viele aktuelle Psychobilly-Bands klingen mir zu ähnlich, denen fehlt oft das gewisse Etwas.

Ich hatte schon immer den Eindruck, dass man bei den MISFITS einen Rockabilly-Einfluss heraushören kann, etwa bei „American nightmare“. Ausserdem ist da noch ihre Verwendung von Stilelementen aus Horrorfilmen aus den Fünfzigern, und irgendwie sahen die für mich auch immer aus wie die Geister von Typen, die in den Fünfzigern bei einem Drag-Race ums Leben gekommen sind. Und nicht zuletzt waren sie für mich von Anfang an eine der besten Punkbands. Meine andere Vorliebe gilt, wie schon gesagt, dem europäischen Rockabilly, und da war es nur logisch, in meiner Band die beiden Sachen, die ich am meisten liebe, zu kombinieren.

Der Name TIGER ARMY klingt für mich irgendwie nach Kung-Fu und chinesischer Mafia.

Haha, nein, damit hat das gar nichts zu tun. Die Idee zu diesem Namen kam mir bei meinem Besuch in Deutschland 1995. Ein Freund schleppte mich mit zur Love Parade nach Berlin, und es war schrecklich, eine grausame Erfahrung. Diese ganzen Leute, all die Raver, die Techno-Mucke, mir wurde echt schlecht davon. Ein paar Tage später waren wir dann abends in der Stadt unterwegs, und da hing ein Plakat, das wohl irgendwie was mit einer fernöstlichen Religion zu tun hatte, aber auch wie ein altes Zirkusplakat aussah. Wir fingen dann irgendwie an über Tiger zu sprechen, machten so unsere Witze, und ich meinte dann zu meinem Freund, ich würde mir gerade vorstellen, wie es wohl gewesen wäre, eine ganze Armee von Tigern auf die Love Parade loszulassen, die alle killen - bis auf die, die cool sind. Von „Army of Tigers“ kam ich dann auf TIGER ARMY, und die Idee dahinter war, dass es in der Gesellschaft eben ein paar Leute gibt, die wissen was Sache ist, im Gegensatz zu den ganzen Idioten, die da zu Techno rumtanzten, und die Tigerarmee wüsste eben, wer von denen zu den Guten zählt.

Und dann hast du die Band gegründet?

Ja, so ungefähr. Mein Deutschlandbesuch und die Psychobilly-Bands, die ich dort getroffen hatte, machten mir klar, dass ich schnellstens eine eigene Band gründen will. Ende ´95 hatte ich die Band zusammen, und im März ´96 war dann der erste Auftritt.

Gibt´s denn Pläne endlich mal auf Tour zu gehen?

Schon, aber ich weiss noch nicht wann. Wir haben noch nichtmal an der Eastcoast gespielt, übermorgen geht unsere erste Tour los, also mal sehen. Da der Ausgangspunkt der Band ja irgendwie in Deutschland liegt, wäre es an der Zeit, auch endlich mal bei euch zu spielen.

Deine Texte sind eher düster.

Stimmt, und da merkt man eben meine Einflüsse, etwa Edgar Alan Poe oder H.P. Lovecraft. Andere Songtexte sind klassischer Punkrock, etwa „F.T.W.“

Nick, ich danke dir für´s Interview.