TACKLEBERRY

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Resignation is the enemy

TACKLEBERRY sind erst seit August 2004 aktiv, haben aber schon unzählige Gigs gespielt, wie kommt's?
"Na ja, die Gründung war eher unspektakulär, da wir uns über eine Anzeige gefunden haben, aber wir sind im Moment alles Taugenichtse, Peder und ich sind faule Studenten und die anderen beiden sind mit ihrem Zivi durch, wir können uns also voll auf die Band konzentrieren. Leider kann man von der Musik, die wir machen, ja nicht wirklich leben, aber ich könnte mir vorstellen noch die nächsten 20 Jahre zu touren, wobei ich natürlich nicht weiß, ob das für uns jetzt eintreffen wird. Immerhin gibt es abends immer was zu essen", outet sich Hannes.

Auf meine Frage, wie es zur Russlandtour, die ja doch recht heftig verlief, gekommen ist, grinst Peder:
"Na, durch Schnaps natürlich."
"Nee", ergänzt Hannes, "wir haben letztes Jahr mit DISTEMPER aus Russland in Magdeburg gespielt, die machen Skapunk und alle wollten nur Skapunk hören. Wir spielen aber Hardcore, keiner bewegt sich, dafür wirst du aber ausgebuht. Der Tourbegleiter von DISTEMPER fand es aber trotzdem geil und hat uns gefragt, ob wir in Russland spielen wollen. Ich hab es natürlich erstmal für Geschwafel gehalten, aber ihm doch noch eine Mail geschrieben. Es ging noch ein halbes Jahr hin und her und dann waren wir im April in Russland. Es ist ungefähr alles, was schief gehen kann, schief gegangen, aber was soll's. Wir hatten ein falsches Visum, das nur zur einmaligen Einreise berechtigt, sind aber von Russland in die Ukraine und zurück, mussten also zweimal einreisen. Wir haben dann in der Ukraine für horrendes Geld Beamte geschmiert und neue Visa gekauft. Den Tag, den wir länger da waren, haben wir bei irgendwem übernachtet, bei dem die Mutter im Wohnzimmer gewohnt hat, alles lag voll Müll und der Hund hat in die Wohnung gepisst. Das war richtig heftig. Stell dir vor, du bist in der Ukraine und der Typ, der die Tour organisiert, sagt dir vor dem ersten Gig: I need all your money.' Da kommst du doch schon mal ins Grübeln."
"Aber wir haben dann gemerkt, dass die Russen auch alles Geld zusammengeklaubt haben, das sie auftreiben konnten. Der eine hat sogar seinen Vater angepumpt, mit dem er eineinhalb Jahre nicht mehr gesprochen hatte", fügt Peder an. "Da gab es auch ganz klare Ansagen: Ohne uns lauft ihr hier nicht auf der Straße rum, das ist für Leute aus der linken Szene zu gefährlich.' Zum Glück sehen wir ja wie Studenten aus, deshalb ging es."

Unsere Frage, ob es eine Hardcore-Szene in Russland gibt, verneinen Hannes und Peder."Eine wirkliche öffentliche Szene wie hier gibt es dort nicht. Das wäre zu gefährlich. Da ist alles noch richtig Underground. In Petersburg ist man in den Keller, in dem das Konzert stattfand, nur mit Klopfzeichen reingekommen, von draußen hast du nichts gesehen. Das Problem ist, dass dort die Bullen die Nazis in Uniform sind."

Dass das alles nicht übertrieben ist, haben TACKLEBERRY noch auf brutale Weise erfahren müssen: "Vor unserem letzten Moskau-Konzert ist ein Zuschauer, der auf dem Weg zu unserem Konzert war, 300 Meter vorm Laden von Nazis erstochen worden. Es hat eine halbe Stunde gedauert, bis ein Krankenwagen kam, aber da war es schon zu spät. Der Bulle, der das aufgenommen hat, war auch nicht wirklich interessiert. Er deutete nur auf den Button mit dem durchgestrichenem Hakenkreuz und meinte: Ah, ein Nazi.' Für ihn wurde ein Nazi von Antifas umgebracht. Es hat ewig gedauert, bis das dann richtig gestellt war. Aber so wird natürlich nie irgendwas aufgeklärt. Und wenn dir dann der Sänger einer anderen Band sagt: Die finden eh niemanden, also werden wir uns die Nazis vornehmen müssen', dann ist das ein mulmiges Gefühl, wenn du nach Hause fliegst und nicht weißt, was deine Freunde durchziehen werden. Zum Glück haben wir noch nichts wieder in der Richtung gehört."

Auf meine Frage, wie man so etwas wegsteckt, meint Peder: "Wenn du dann wieder hier bist, stumpfst du schon ab, aber die Woche danach war heftig. Du merkst natürlich, wie gut du es hier hast und wie sicher du hier bist. Das sind in Russland hammerharte Umstände. Aber ich glaube, dass es die ganze Band reifer gemacht hat." Hannes ergänzt: "Wir sind ja als Band eher alberne Jungs, aber das hat uns zu einer politischeren und auch politischer agierenden Band gemacht. Man tritt einfach überlegter auf. Vorher waren wir sicher unbeschwerter. Hier ist es schon ein Aufreger, wenn sich 20 Nazis vor einer Kneipe versammeln und nachts besoffen Leute anpöbeln. Versteh mich nicht falsch, aber das war schon ein anderes Kaliber."

Weise gesprochen Hannes. Wir unterhalten uns noch lange, nachdem der Recorder ausgestiegen ist, über Hannes Krebsoperation und Peders Vogelphobie, die durchaus unterhaltsame Züge hat. Danke Hannes, danke Peder, viel Erfolg und vielleicht auch etwas ruhigere Zeiten mit TACKLEBERRY.