Drei Typen aus dem Leipziger Szeneviertel Connewitz, die tagsüber bei der Polizei ihr Geld verdienen und abends für die linke Szene aufspielen. V-Männer, oder was? So lautet zumindest die Legende der Plattenfirma. Eher ein Riesenspaß. Tatsächlich sind SOKO LiNX drei Musiker, die sich Anagramme des Bandnamens als Pseudonyme verpasst haben und ihre Identität hinter bunten Strumpfmasken verstecken wie MASKED INTRUDER. Musikalisch pendelt das Trio zwischen Pop-Punk, Zecken-Rap und Rollschuh-Disco hin und her. Songs über Randale, Ärger mit Bullen oder Kartoffelsalat. Die Stimme auf dem Debütalbum „Auf die Fresze. Fertig. Los!“ erinnert ein bisschen an Farin Urlaub. Ein spannendes Projekt aus dem Osten der Republik. Im Interview erzählen Siko Lonx und Oxon Kils wie das Projekt entstanden ist.
Wie seid ihr auf den Bandnamen SOKO LiNX gekommen? Und gab es schon Reaktionen von der Staatsmacht?
Oxon: Zum Jahreswechsel 2019/20 gab es wie jedes Jahr eine Silvesterparty am Connewitzer Kreuz. Da treffen sich einfach Leute, trinken zusammen Bier und quatschen. Die Polizei in Leipzig nimmt das immer zum Anlass, genau dort sehr schweres Gerät aufzufahren und ihre eigene Party zu feiern. Schlussendlich gab es eine Rangelei und die Bullen sind in die Menschenmenge vorgestoßen. Dabei wurden auch Polizisten getreten und bei einem Beamten ist ein Ohrläppchen eingerissen. Das war nicht weiter wild, ist kurz im Krankenhaus genäht worden. Daraus wurde in den nächsten Tagen aber ein Mordversuch konstruiert. Daraufhin hat sich eine Sonderkommission gegründet und dann hieß es immer „Die Soko LinX ermittelt“. Den Begriff hat man seitdem ständig in der Zeitung gelesen, und weil wir zum damaligen Zeitpunkt noch keinen Namen hatten, haben wir einfach den genommen. Von der Polizei haben wir zumindest offiziell noch keine Reaktion auf unseren Bandnamen erhalten. Es gibt aber durchaus kleinere Clubs in Sachsen, die mit staatlichen Geldern gefördert werden und sehr vorsichtig sind, wenn es darum geht, uns spielen zu lassen.
Siko: Der Name wird ständig falsch geschrieben, denn unsere SOKO LiNX und die der Polizei unterscheidet sich in der Schreibweise. Wir schreiben alles groß außer das „i“. Das macht die Polizei nicht. Das ist übrigens die Abkürzung für „Sonderkommission linksextrem“. Daher das X am Ende.
Wo tretet ihr auf? In autonomen Zentren? Jugendclubs? Besetzten Häusern? Und müsst ihr da aufpassen wegen Überfällen von Rechten?
Siko: Wir haben das Glück, dass sich unser Booker in der Szene sehr gut auskennt und schon weiß, wo er uns hinschicken kann. Außerdem haben wir auch ein Gefühl dafür entwickelt, wo wir spielen können und wo nicht. In einigen Läden standen wir ja schon mit anderen Bands auf der Bühne, da ist es ziemlich klar, wo die politisch stehen. In den alten Bundesländern passiert es immer wieder, dass der Zusammenhang zum Namensgeber nicht wirklich ersichtlich ist. Im Osten ist das immer ziemlich schnell klar.
Oxon: Wir sind ja alle in Sachsen aufgewachsen, also nicht in Leipzig direkt. Wir kennen das gar nicht anders, als dass der Konsens in der Jugendkultur auf dem Land überwiegend rechtsgerichtet ist. Das war schon immer so, deshalb können wir ganz gut damit umgehen.
Kommt ihr also aus der Leipziger Punkrock-Szene?
Siko: Wir haben zwanzig Jahre Musikgeschichte auf dem Buckel. Zwar nicht besonders erfolgreich, aber immerhin zwanzig Jahre, haha. Wir wissen jetzt, was wir bisher falsch gemacht haben und sind zum Beispiel auch was Themen wie Sexismus betrifft sensibilisiert. Wir sind inzwischen sehr aufmerksam, was Alltagsrassismus betrifft. Davon sind wir, wenn in Sachsen aufgewachsen, auch selbst nicht ganz frei. Da muss man sehr auf sich selbst schauen und immer wieder prüfen, ob man sich nicht auch sexistisch oder rassistisch verhält. Deshalb haben wir die ersten Jahre mit unseren anderen Bands sehr genau reflektiert.
Welche Rolle spielt Connewitz als Homebase für euch, also das links-alternative Viertel von Leipzig?
Oxon: Connewitz ist natürlich schon eine Art Label. Wenn in Deutschland über Linksextremismus gesprochen wird, dann fallen immer gleich Namen wie Rote Flora, die Liebigstraße in Berlin und eben Leipzig-Connewitz. Dabei gibt es dort viele unterschiedliche Szenen, nicht nur die politische. Wir spielen genau mit diesem Framing, das in der Presse so herumgeistert.
Siko: Wir sind ja alle Zugezogene und es ist gar nicht so einfach, da Fuß zu fassen. Nicht was Feiern betrifft oder wenn man auf Konzerte geht, sondern die politischen Gruppen. Je mehr die Leute den Rahmen der Legalität für ihre Aktionen verlassen, desto weniger Lust haben sie, ihre Identität oder ihr Privatleben gegenüber Wildfremden preiszugeben oder neue Leute in die Gruppe zu lassen. Ist ja auch nachvollziehbar. Wenn wir zu einer Demo kommen, sind wir aber inzwischen auch maskiert, damit uns die Faschos nicht abseits der Bühne fotografieren können.
Eure Texte sind in meinen Augen weniger politisch, als das Konzept vermuten lässt. Welche Rolle spielt der Spaß bei SOKO LiNX?
Siko: Meine Motivation war vor allem, die Leute zu irritieren. Sie haben Punkrock erwartet und was sie bekommen, ist elektronischer Sound mit halbwegs gut gemachtem Sprechgesang. Es gibt schon Missstände, auf die wir aufmerksam machen wollen, aber wir haben keinen Plan, wie man sie abstellen kann. Wir verfolgen also keine politische Agenda, oder so.
Oxon: Wir wurden auch noch nicht mit Mollis und Steinen für unsere Texte beworfen, weil man uns nicht versteht. Unser Publikum ist intelligent genug, um unsere Musik und unsere Texte entsprechend einzuordnen. Ich finde schon, dass wir trotz der poppigen Aufmachung schon einige politische Inhalte transportieren. Politik spielt also schon eine große Rolle, ist aber nicht alles. Es gibt auch viele zwischenmenschliche Themen, die uns beschäftigen, und da gehört eben der Spaß an der Sache auch dazu. Auch Linksextreme haben Gefühle, haha.
Wie ist euer Sound entstanden? Wer stand Pate dafür?
Siko: Wir haben alle völlig unterschiedliche Musik gehört. Worauf wir uns aber einigen konnten, ist positive Partymucke mit Inhalt. Dass unsere Botschaften dank poppiger Melodien auch beim Hörer landen, das ist unser Ansatz bei SOKO LiNX. Dass eben die Lebensfreude nicht auf der Strecke bleibt. Wir sehen uns also schon als linke Band, aber versuchen gleichzeitig immer einen Spagat zur Unterhaltungsbranche hinzukriegen. Mit ironischen Texten und Augenzwinkern. Unser Produzent Sascha Höhm hat gehörigen Anteil am Sound der Band, der macht ja auch viel elektronische Musik, und wir mögen tatsächlich Bands wie DEICHKIND, die mehrere Ebenen in ihren Texten haben. Und auf BLINK-182 können wir uns alle einigen.
Als ich eure Musik zum ersten Mal gehört habe, habe ich euch spontan für eine Audiolith-Band gehalten.
Siko: Das ging mir auch so, haha. Wir haben die sogar angeschrieben und eine Absage bekommen. Deshalb haben wir Bönx gefragt, weil uns Frank von DETLEF ermuntert hatte, bei Bakraufarfita anzufragen. Er sagte wörtlich „die nehmen eh alles“. Haha!
Oxon: Bönx kenne ich schon seit ein paar Jahren, das war immer eine klassische Internet-Freundschaft über Facebook. Er wusste auch, dass wir eine Band haben, und irgendwann haben wir ihn dann angeschrieben. Die Antwort war: „Auf eure Bewerbung haben wir schon lange gewartet. Endlich meldet ihr euch.“ Und inzwischen haben wir auf Spotify die viertmeisten Hörer von allen Bakraufarfita-Bands.
Ihr hattet ja ein paar Gäste im Studio, etwa die Rapperin Yetundey oder Rodi von 100 KILO HERZ. Überrascht war ich von Sebastian Krumbiegel von den PRINZEN? Wie seid ihr denn an den geraten?
Siko: Bei SOKO LiNX sind wir sehr offen für Einflüsse von außen. Auch für Partnerschaften auf Zeit. Sebastian Krumbiegel haben wir zufällig bei einem Konzert getroffen und ihn spontan gefragt, ob er nicht bei einem Song mitwirken will. Und er hat sofort zugesagt. Bei Yetundey ist es ähnlich gelaufen, die war auch sofort Feuer und Flamme für der Idee. Und Rodi hat sich selbst angeboten, weil wir mit 100 KILO HERZ ja den Proberaum teilen.
Nerven euch eigentlich die Vergleiche mit DIE ÄRZTE? In einigen Reviews werden hinter euren Masken sogar Farin, Bela und Rod vermutet.
Siko: Meine Stimme habe ich ja schon eine Weile und es gab Phasen in meinem Leben, in denen es mich massiv genervt hat. Aber inzwischen kann ich ganz gut damit umgehen. Ich mag punkige Musik mit charmanten Texten, aber inzwischen fühle ich mich von solchen Vergleichen eher gebauchpinselt. Wir finden übrigens nicht, dass wir wie DIE ÄRZTE klingen.
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