SOKO LINX

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Das Ding mit dem „SZ“

Zu frühmorgendlicher Stunde sitze ich in meiner Küche und telefoniere mit Leipzig-Connewitz. Am anderen Ende der Leitung befindet sich Siko Lonx, Sänger und Gitarrist der Band SOKO LiNX. Ihr zweites Album „Blosz keinen Stresz“ wird am 26. April via Bakraufarfita veröffentlicht und dient uns als Anlass, über stilistische Besonderheiten, deutschsprachigen Punk und Bautz’ner Senf zu reden.

Wie viel Kaffee musstest du schon trinken, um jetzt aufnahmefähig zu sein?

Gar keinen, weil ich eigentlich versuche, keinen Kaffee zu trinken. Und abgesehen von dem Interview bin ich heute schon relativ früh wach gewesen. Ein bisschen verpeilt bin ich trotzdem, aber ich bin einsatzbereit.

Seit ich euren Song „FOT“ – Freundin ohne Tier – gehört habe, gehe ich davon aus, dass ihr keine Haustiere habt und vegetarisch lebt, stimmt das?
Wir leben alle vegetarisch, zwei sogar vegan. Uns ist Tierwohl auf alle Fälle wichtig. Wir wollen mit dem Text allen die Möglichkeit geben, etwas, das als so gegeben wahrgenommen wird, mal zu hinterfragen.

Mir scheint, als würdet ihr gerne mit der Sprache spielen. Man sieht das etwa an euren Pseudonymen, die Anagramme des Bandnamen sind.
Ich dachte, wenn wir uns schon Masken aufsetzen, sollten auch die Namen nicht die sein, die uns die Eltern gegeben haben. In der Tradition von Punkbands, die denselben Nachnamen tragen wie die RAMONES oder wie DETLEF den gleichen Vornamen, habe ich mir überlegt, dass wir unseren Bandnamen variieren.

Auch im Promotext und in euren Lyrics habt ihr eine Besonderheit, nämlich dieses „sz“. Was hat es damit auf sich?
Da hat sich unser Bassist durchgesetzt. Das ist eigentlich so ein linkes Szene-Ding. Ich habe es das erste Mal so richtig wahrgenommen, als ich in Leipzig in der Vleischerei essen war. Da wurde auch alles mit „sz“ geschrieben. Das fand ich erst mal cool, weil so die deutsche Sprache etwas umgemodelt wird, und man damit Leute, die sehr auf Rechtschreibung achten, noch so ein bisschen ärgern kann. Die eigentliche Idee dahinter ist, dass das Doppel-S ja sehr an das Dritte Reich erinnert. Um das zu umschiffen, haben wir uns entschieden, alles mit „sz“ zu schreiben.

Apropos Sprache: Bei dem Song „Oversize-Pullover“ wurde ordentlich in der Fremdwortkiste gekramt. Da wundert es mich, dass ihr bei so einer Wortgewandtheit diesen Titel gewählt habt.
Ich glaube, ich fand das Bild schön, dass man in einem viel zu großen Pullover auf der Couch sitzt und Dingen nachtrauert, die man aufs Spiel gesetzt hat, weil man keine Verantwortung übernehmen wollte oder die Dinge falsch eingeschätzt hat. Der Refrain wirft mit Fremdwörtern um sich, weil ich mir vorgestellt habe, dass man sich in der Situation selber nicht versteht. Manchmal ist es ja so, dass man in Momenten der Überforderung einfach mit sich selber nicht klarkommt und eine Sache, die man getan oder gelassen hat, gefühlsmäßig nicht einordnen kann. Außerdem habe ich eine Alliteration gesucht, weil das schön klingt.

Mir gefällt vor allem die Widersprüchlichkeit.
Widerspruch, weil im Refrain keine geläufigen Wörter genutzt werden und der Oversize-Pullover zunächst ein recht einfaches Anglizismus-geprägtes Wort ist. Einer Sache nicht gewachsen zu sein, bedeutet für mich auch, das Gefühl zu haben, unverstanden zu sein, sich klein zu fühlen bei einer Sache, die einem so groß erscheint.

Von SUPERNICHTS hat man schon lange nichts mehr gehört. Wie konntet ihr die Band für das Feature bei „Möszenmarder“ dennoch ins Studio locken?
Vor SOKO LiNX hatten Oxon Kils und ich noch eine andere Band, mit der wir gelegentlich mit SUPERNICHTS gespielt haben. Oxon und ich sind relativ unterschiedlich und unser Musikgeschmack geht kaum zusammen. Es gibt nur ganz wenige Bands, die eine Schnittmenge bilden, und dazu gehören auch SUPERNICHTS. Weil in „Möszenmarder“ auch SUPERNICHTS-Zitate verwendet wurden, stand irgendwann die Idee im Raum zu fragen, ob ein Feature möglich wäre. Bei SUPERNICHTS gab es ja drei Sänger, von denen zwei heute bei DETLEF sind. Für den Überraschungseffekt war es uns wichtig, dass man Bert am besten hört, weil er derjenige ist, der ausgestiegen ist. Frank, Achim und Bert waren dann in Köln im Studio, haben ihre Sachen da eingesungen und wir haben uns mächtig gefreut. Wie gesagt, die sind schon so kleine Jugendhelden. Weil ich sonst mit Deutschpunk nicht so viele Berührungspunkte hatte, gab es kaum Bands, die mir richtig gut gefallen haben. Bei SUPERNICHTS dachte ich aber: Wow, die haben schöne Melodien und kurze knackige Texte, lustig und eloquent verpackt.

Spannend, dass du eigentlich deine Probleme mit Deutschpunk hattest und jetzt selber auf Deutsch singst.
Probleme ist übertrieben. Aber alles, was so wirklich in diese richtig krasse Deutschpunk-Ecke ging, damit hatte ich ein Problem. Ich möchte dazu sagen, dass ich selber keinen Alkohol trinke und es nicht so mag, wenn der Alkohol glorifiziert wird. Auch toxische Männlichkeit ist oft Thema in solchen Liedern und das war für mich ebenfalls ein bisschen problematisch. Also nicht problematisch im dem Sinne, dass ich der Band etwas vorwerfe, sondern ich konnte einfach nicht damit connecten. Bands, wie SUPERNICHTS, wie KNOCHENFABRIK, wie WIZO, die mochte ich, weil die einen anderen Blick auf die Welt geworfen haben. PASCOW zum Beispiel sind eine Band, die ich unfassbar mag, und von TURBOSTAAT mag ich die ersten drei Platten sehr gerne. Bei FRAU POTZ war es zu dem Zeitpunkt das erste Mal seit langem Instant-Liebe. FJØRT mag ich auch sehr gerne.

Ich würde zum nächste Song übergehen und zwar „Todesstrafe für alle“. Wieso seid ihr der Meinung, dass alle Menschen sterben müssen?
Wir wollen natürlich nicht, dass alle Menschen sterben. Wir wollen – auch wenn wir Nazis nicht toll finden –, dass keiner stirbt. Der Hauptgrund, warum der Song zustande kam, war, dass ich immer Wut im Bauch hatte, wenn ich die Heckscheibenaufkleber „Todesstrafe für Kinderschänder“ gesehen habe. Das ist ein neu-rechtes Ding. Das hat in meinem Menschenbild nicht angedockt. So sehr ich Vergewaltigung etc. auch verachte, sind das trotzdem Menschen, und denen eine Todesstrafe zu wünschen oder einzufordern, passt nicht in mein Rechtsempfinden. Ich dachte mir: Seid doch konsequent, dann machen wir einfach Todesstrafe für alle. Das ist wirklich sehr, sehr überspitzte Satire.

Wie kommt es, dass ihr so viele Musikvideos gemacht habt? Zufälligerweise waren die ersten beiden, die ich gesehen habe „Lala Lobbyland“ und „Sorgenkind des Lebens“, in denen eine Flasche Bautz’ner Senf ein wiederkehrendes Element ist. Welchen geheimen Deal habt ihr mit Bautzen?
Zur ersten Frage: wir sind eine Corona-Band. Wir haben uns 2019 gegründet. Auftreten ging nicht, also nutzten wir das Jahr 2020 und gingen ins Studio. Dann sind wir erst mal auf Labelsuche gegangen und haben glücklicherweise Bakraufarfita gefunden, was dazu geführt hat, dass wir ein bisschen mehr Rückendeckung bekommen haben. Die vielen Videos haben wir deswegen gemacht, weil wir irgendwie stattfinden wollten. Der Bautz’ner Senf war Oxons Idee. Er kam irgendwann mit ausgewaschenen Senfflaschen an, denn offenbar liebt er Senf. Ich war von dem Gag jetzt nicht wirklich überzeugt, aber tatsächlich kam er ziemlich gut an. Er kam sogar so gut an, dass er jetzt, nachdem er auf der Debütplatte gezündet hat, auch bei der nächsten Platte noch Einzug findet. Wir haben aber gar keinen Deal mit Bautz’ner Senf. Vielleicht kommt das irgendwann zustande. Vielleicht sagen die auch irgendwann: „Leute, es reicht. Wir wollen mit euch nichts zu tun haben. Lasst den Scheiß bitte.“

Plant ihr, ein bisschen großflächiger durch Deutschland zu touren?
Das ist alles noch nicht spruchreif, aber es ist so, dass wir eine neue Booking-Agentur-gesucht haben. Vorher waren wir bei Plastic Bomb Booking, aktuell buchen wir uns selber und das ist zusätzlich ein ganz schöner Aufwand.