PETROL GIRLS

Foto

Wütender feministischer Post-Hardcore

Als im Juli 2016 diese drei Jahre zuvor gegründete Band aus London im Grazer Music-House spielt, bin ich leider nicht vor Ort. Und bereue dies, als mir einige Zeit später die zehn Songs ihres ersten Albums „Talk Of Violence“ entgegen knallen. Warum aber mit Zock von ASTPAI ausgerechnet der in Graz lebende Frontmann einer Wiener Neustädter Band die Fragen dieses Interviews beantwortet und was ihr euch unter „raging feminist post-hardcore“ vorstellen könnt, gilt es im Folgenden zu klären.

Zock, du bist Sänger bei ASTPAI und Drummer bei PETROL GIRLS. Wie kommt’s?

Ich habe die letzten drei Jahre relativ viel Zeit in England verbracht und so über Jack von DESPITE EVERYTHING, der damals die rste PETROL GIRLS-7“ produziert hat, zu der Band gefunden. Als Schlagzeugerin May kurz vor dem Release ausgestiegen ist, bin ich vorerst nur eingesprungen und schließlich fix eingestiegen.

Die eine Band ist in London zu Hause, die andere in Wiener Neustadt. Wie ist das machbar?

Tja, das war tatsächlich für die längste Zeit ein logistischer Albtraum. Ich hatte neben den Bands auch noch Jobs on the road und musste das alles irgendwie zeitlich abstimmen, wodurch ich nahezu drei Jahre lang fast durchgehend unterwegs war. Zum Glück hatten alle meine BandkollegInnen und meine Partnerin die nötige Geduld und das Verständnis für all das.

Wo habt ihr euren Lebensmittelpunkt, wie wird geprobt, getourt, wie und wo wird aufgenommen?

Mittlerweile hat sich unser bandinterner Lebensmittelpunkt nach Graz verlagert. Zwei von uns leben nun hier, während der Rest außerhalb von Bristol aufs Land gezogen ist. Wir haben also quasi zwei Tourausgangspunkte, je nachdem wo diese beginnt. Geprobt wird intensiv vor den jeweiligen Touren. Bei dem Album war es so, dass wir erst nach Fertigstellung aller Songs aus London weggezogen sind, was in meinem Fall gut gepasst hat, da wir in Tom Zwanzgers S.T.R.E.S.S. Studio in Graz-Puntigam aufgenommen haben. Somit wurde die Studiozeit gleich mit dem Umzug nach Graz kombiniert.

Euer Debütalbum ist dieser Tage erschienen.

„Talk Of Violence kam offiziell zwar erst am 18.11. via Bomber Music raus, wir hatten aber ein paar CDs und auch Platten zuvor schon mit auf Tour. Der Aufnahmeprozess war sehr intensiv, da wir in der Besetzung noch nie gemeinsam ein ganzes Album aufgenommen hatten. Im Vergleich zu meinen anderen Projekten und Bands treffen hier nun gleich vier Songwriter aufeinander, was das gemeinsame Schreiben sowohl spannend und aufregend als auch intensiv und mühsam gestalten kann. Am Schluss standen wir zehn Songs gegenüber, mit denen wir nicht glücklicher sein könnten.

Davor gab es zwei EPs, eine davon auf LaserLife Records, jetzt seid ihr beim UK-Label Bomber Music. Warum der Wechsel?

Bomber Music hat uns explizit einen Albumdeal angeboten. Nach etlichen Gesprächen waren wir schlussendlich an einem Punkt, an dem wir uns sicher fühlten, den Vertrag mit Bomber zu unterschreiben. LaserLife ist ein großartiges kleines Label aus dem Wiener Neustädter „Neustadtpunk“-Umfeld, welches gemeinsam mit Panic State Records einen großartigen Job bei der „Some Thing“ 7“ abgeliefert haben. Ich würde nicht ausschließen, dass wir in Zukunft noch mal etwas Kleineres bei LaserLife machen.

Wie ist das Label so, welche Acts treiben sich sonst da rum?

Alle bei Bomber und den involvierten Parteien sind unglaublich motiviert, das Meiste aus der Platte rauszuholen, was momentan das Wichtigste ist. Bomber Music haben bisher mit Bands wie THE SKINTS, CRAZYARM oder RANDOM HAND gearbeitet, was uns am meisten von einer Zusammenarbeit überzeugt hat.

Im Internet beschreibt ihr euch als „raging feminist post-hardcore“. Wie ist das zu verstehen?

Vor allem inhaltlich, unsere Songs drehen sich aber nicht nur um Feminismus. Oder sagen wir es so: Feminismus dreht sich nicht nur um Frauenrechte und den Kampf gegen das Patriarchat. Feminismus bedeutet ganz klar auch Antifaschismus, Antirassismus, Antiimperialismus und Antikapitalismus, sowie Pro-LGBTQ. Letzteres kommt bei so manchen FeministInnen leider immer noch zu kurz, vor allem wenn es um Queer und Transgender Communities geht. Da mangelt es manchmal immer noch an wahrer Akzeptanz, Anerkennung und Respekt aus feministischen Kreisen.

Und musikalisch?

Post-Hardcore ist die uns aufgezwungene Schublade, die aber anscheinend als einzige wirklich zu uns passt. Der Beisatz ist eigentlich nur ein notwendiges Übel, um PR-Leute glücklich zu machen.

Und wie würdest du Außenstehenden euren Sound erklären? Welchen Bands fühlt ihr euch nahe?

Unsere Songs sind alle recht unterschiedlich. Oft können sie aus vielen verschiedenen Teilen bestehen, die hektisch aneinandergereiht sind, oft gibt es ganz klare Strukturen und ganz selten ist mal was im Viervierteltakt. Wir sind begeisterte Anhänger der Siebenachteltakt-Bewegung. Wer hat heutzutage schon noch Zeit für dieses letzte Achtel. Alles bewegt sich doch viel zu schnell. Bands, die uns tiefgehend beeinflussen, sind beispielsweise WAR ON WOMEN, BIKINI KILL, WHITE LUNG, REFUSED, PROPAGHANDI, RVIVR, Björk, AT THE DRIVE-IN ...

Habt ihr bevorzugte TourkollegInnen, seid ihr viel unterwegs?

Wir hatten das Glück, ein paar Touren mit großartigen Bands zu spielen, obwohl wir eigentlich eher alleine unterwegs sind. Gemeinsam on the road waren wir etwa mit TYPESETTER aus Chicago, THE EXHAUSTS aus London, WAR ON WOMEN aus Baltimore und JOLIETTE aus Mexico City – allesamt Hammerbands!

Zurück zur Eingangsfrage: ASTPAI sind ja als Band auch sehr aktiv. Wie lässt sich das für dich und die beiden Bands vereinbaren?

Wir haben mit ASTPAI anlässlich unseres 15. Geburtstags die Aktivitäten mal etwas zurückgeschraubt, anstatt wie die Jahre davor immer wieder einen draufzulegen. Das tat eigentlich auch ganz gut. Dadurch wurde mehr Zeit und Platz für PETROL GIRLS geschaffen, was natürlich zeitlich immer noch sehr beanspruchend ist. Aber so ist das eben, wenn man eine viel tourende Band sein möchte. Das Stichwort ist hier Vorausplanung. Ich weiß meistens Anfang des Jahres, was ich bis Silvester anstehen habe – was nüchtern betrachtet eigentlich ziemlich frustrierend klingt.