Während manch andere Combo über die Jahre Feuer und Durchschlagkraft verloren hat, ist es bei den OFFENDERS genau umgekehrt. Der Vierer ist absolut on fire und hat sich in den vergangenen zwei, drei Jahren neu sortiert. Mehr Power, mehr Biss, mehr Kick-Ass-Sound, Kompromisse und Gefangene werden gar nicht erst gemacht. Hasta la Muerte! Valerio und seine drei OFFENDERS – Checco: Schlagzeug, Janusz: Bass, Daiko: Gitarre, Mandoline, Bouzouki – leiten mit ihrem neunten Album ein neues, unüberhörbar kämpferisches Kapitel ein. „Orthodoxy Of New Radicalism“ ist die geballte Ladung Combat-Rock. Selbstredend, dass der Albumtitel dabei Programm ist. Alerta!
Die neue Platte ist da und sie ist klasse! Die Entwicklung des Sounds ist bemerkenswert, also kein „Hooligan-Reggae“ mehr in der Zukunft, sondern Combat-Rock? Und hast du einen Lieblingssong?
Freut mich, dass dir der Sound gefällt! Ich würde nicht sagen, kein „Hooligan-Reggae“ mehr oder kein Offbeat, OFFENDERS-Sound beinhaltet alles, vielleicht war nur dieses Mal das Punk-Herz dominant und wir haben das einfach rausgelassen. Unser Sound wurde automatisch lauter und lauter, wir haben an der Geschwindigkeit gedreht, und wir mochten es so sehr, dass wir es mit unserer Community teilen wollten! Ich würde sagen, „Orthodoxy Of New Radicalism“ ist der nächste Schritt nach „Class Of Nations“, da ist immer noch unser Drive drin, all unsere Botschaften, die Mitsinglieder, aber es ist immer ziemlich schwer zu sagen, welcher Song mein Favorit ist. Ich würde die ersten drei Singles erwähnen, „Messenger“, „Carla e Paolo“ und „Tales from my neighborhood“, weil sie alle auf eine Art und Weise unterschiedlich sind. Aber ich würde auf jeden Fall noch „Hasta la Muerte“ und „Invisible“ hinzufügen, weil ich nie einen Song über ein solches Thema geschrieben habe. Der neue Sound funktioniert perfekt mit den älteren Songs, es gibt Offbeat, Punkrock, Bouzouki und Mandoline-Reels auf Streetpunk-Beat, Singalongs. Es macht höllisch Spaß, auf der Bühne zu stehen und die Leute im Moshpit gehen ab. Was will man mehr?
Gib uns mal einen Einblick in euren Songwriting-Prozess. Eher jammend oder nach Plan?
Ich schreibe immer noch jeden Tag, ich schreibe Melodien, Riffs, Texte. Ich nehme alles einfach zu Hause auf, wie eine grobe Vorproduktion mit ein paar Plug-ins, einem Audio-Interface und einer Aufnahme-Software. Einige dieser Songs gehen dann zu Checco, um den Beat/Groove besser zu definieren, und dann gehen wir in den Proberaum, wo wir normalerweise unsere letzte Auswahl treffen. Als ich anfing zu schreiben, hatten wir natürlich keine Plug-ins oder solche Geräte, oder zumindest war mir das nicht bewusst oder ich konnte es mir nicht leisten, damals in den späten Neunzigern, haha.
Es gibt explizit politische Songs auf dem Album. Welche Themen sind euch am wichtigsten und was ist mit den Konsequenzen fürs reale Leben?
Es sind verschiedene Themen, einige mischen Geschichte und Fiktion wie „Carla e Paolo“, mein eigenes Porträt des Via Rasella-Attentats, des größten Partisanenangriffs auf die Nazis, der auf italienischem Boden stattfand, wobei ich mir den Moment vorstelle, in dem die Bombe detonierte. Das ist eindeutig Fiktion, die aber auf wahren Fakten beruht. Der Tod Guevaras, der von Simeon Sarabia, dem letzten Mann an seiner Seite in Bolivien, geschildert wird, wurde zu „Hasta la muerte“, ebenso wie die Liste einiger berühmter Antifaschisten und ihr bedeutungsvolles Leben, das in „Hall of fame“ beschrieben wird, aber auch soziale Themen, wie in „Invisible“, das allen Opfern von sexuellem, physischem oder psychologischem Missbrauch gewidmet ist, oder meine ganz persönlichen Alltagsprobleme dank Gentrifizierung und herzloser Geschäfte in „Tales from my neighbourhood“ oder „To have not“. Die Folgen der Politik im wirklichen Leben sind simpel und wir können sie so zusammenfassen: Die wenigen, die Geld haben, genießen Annehmlichkeiten jeglicher Art. Denjenigen, die kein Geld haben, bleibt das, was übrig ist und das bedeutet meistens: nichts. Das Leben der meisten Menschen sollte nicht von den wenigen „Glücklichen“ beherrscht werden, die alles haben. Reichtum sollte gleichmäßig verteilt werden, ebenso wie Dienstleistungen, Chancen und Möglichkeiten, denn ein „Edelstein“, der in der Sozialsiedlung geboren wurde, hat ebenso das Recht zu glänzen, wie das Kind eines Arztes oder Anwalts, das so eine Erfahrung erst machen muss, um das Leben wert zu schätzen und zu verstehen. Ich glaube, dass diese einfache Art, die Realität zu beschreiben, einige Themen einschließen kann, die du erwähnt hast. Der fette SUV eines herzlosen Reichen und sein Privatjet richten sicher mehr Schaden an als unser alternder Van.
Kürzlich habt ihr eine nette Koop mit ALARMSIGNAL und ERECTION gemacht, „Rebel music“. Wie kam es dazu, kommt da noch mehr?
Yeah, coole Aktion! Die Sache kam backstage während einer unserer gemeinsamen Shows auf. Unser Bassist Janusz verkaufte mich billig und sagte: „Valerio wird es sicher machen!“ Was auch stimmte, aber ja, in dem Moment war er mein „Manager“, haha. Ich mag die Jungs wirklich, es hat so viel Spaß gemacht, während des Videodrehs in Berlin zu sein, auch wenn es einer der kältesten Tage war, die wir im letzten Winter hatten.
Orthodoxie ist generell eher negativ behaftet, Punk als Bewegung per se liberal und prinzipiell „unorthodox“ – nun stellst du deine radikal-kämpferische Haltung in genau diesen Kontext. Warum?
„Orthodoxie des neuen Radikalismus“ steht für die Bedeutungen beider Wörter. Orthodoxie ist etwas, dem manche Menschen aus Überzeugung folgen, was leider oft in Fanatismus oder Überlegenheitsgefühl umschlägt, so wie Radikalität leicht ins Negative umschlagen kann. Meine Absicht war es, die beiden Substantive umzudrehen und sie anders zu gestalten, indem ich beide Bedeutungen anschaulich darstelle – meine eigene Orthodoxie des geteilten Wohlstands, der Solidarität, des Respekts, der Chancen und Rechte, die gleichmäßig verteilt werden und nicht von Bankkonten abhängen, ist etwas, an das ich seit langem glaube und das ich versuche, mit meinen eigenen „Waffen“ zu verbreiten. Mit Worten, Musik und Fakten, wenn ich irgendwo sein muss, um etwas zu unterstützen oder zu verteidigen, an das ich glaube. Auf diese Weise bin ich „radikal“, weil ich glaube, dass in dem Moment, in dem dies wahr wird und wer dann auch immer ein besseres Leben führen wird, nicht nur wir diejenigen sein werden, die davon profitieren. Lennon sagte „Give peace a chance“, ich würde noch hinzufügen: Vor dem Frieden kommt die soziale Gerechtigkeit, dann können wir alle eine Chance haben, in Frieden zu leben.
Unterschrieben! Bei dem ganzen Weltdrama hoffnungsvoll und im Glauben an das Gute voranzugehen, gefällt mir. Wo kämen wir denn sonst hin?! Dass aber Lennons Friedenssong immer noch oder wieder Gänsehaut verursacht, ist schon bezeichnend. Trotzdem: Euphorie statt Dystopie?
Mir wäre der Lennon in „Jelous guy“ lieber als der in „Imagine“, nur um das klarzustellen! Haha. Ich bin ein großer Fan von „Blade Runner“, „Mad Max“, „Total Recall“, „Running Man“ ... Ich meine, auch wenn ich nicht allzu viel von den Achtzigern mitbekommen habe, bin ich in den Achtzigern geboren, habe also schon ein recht langes Leben für die Dystopie, so lange sie noch Fiktion ist! Leider scheint die Realität schlimmer zu sein als die Fiktion, Tausende von Unschuldigen, Zivilisten, Kindern sind in vielen Teilen der Welt mit täglichen Albträumen konfrontiert, nicht nur hier vor den Toren Europas. Die Realität kann brutal sein, Horror ist nicht nur ein Filmgenre, leider. Ich habe das Glück, die Brutalität des Krieges nie am eigenen Leib erfahren zu haben, aber dieses Gefühl gibt mir keine Sicherheit, es ist nur eine Warnung: Die Dinge können eskalieren, und die Scheiße kann im Handumdrehen hochgehen, die Folgen sind unvorhersehbar. Die Regierenden sollten, anstatt mit Konzernen und Waffenlieferanten zu verhandeln, endlich an der Front sein, in der Schusslinie stehen, die brutalen Folgen eines „Konflikts“ am eigenen Leib spüren, eine direkte Erfahrung machen, nicht nur Berichte, die von irgendwelchen Agenten auf Papier geschrieben werden, erhalten. Vielleicht werden dann einige erkennen, dass es besser ist, ein anderes Geschäft zu finden als Massenmord, aber das ist nur eine Vermutung, eine Hoffnung.
Der neueste und irgendwie schreckliche Hype ist ja KI, ChatGPT etc. Das wird definitiv eine neue Ära einleiten, auch für die Musik: Songs made by KI? Schrecklich oder zumindest einen Versuch wert? Tja, und Songtexte schreiben geht jetzt auch von alleine ...
Nun, als Fan von „Blade Runner“, dem ersten Teil, könnte ich dir auch sagen, dass mich so etwas fasziniert, aber da ich die Menschen ein wenig kenne, würde ich eher sagen: scheiß drauf! Schaut euch an, was seit einiger Zeit passiert, Leute, die nicht singen können, benutzen AutoTune, dazu einen hässlichen Beat, posten diesen Scheiß auf TikTok und verdienen damit massig Geld oder nennen es „Kunst“, vielleicht kann KI bessere Texte schreiben als diese Idioten oder sogar bessere Beats entwickeln. Es geht nicht darum, ein Teenager zu sein oder jung zu sein oder so, viele junge Leute spielen immer noch Instrumente, hören Musik und Billionen von Idioten sind komplett lobotomisiert durch Bullshit, heutzutage viel invasiver und dauerhafter als in der Vergangenheit „dank“ der sozialen Medien. Als ich Teenager war, hörten Popper Eurodance, heute ist Eurodance im Vergleich zu Trap Mozart, schon top, zumindest steckten einige gute Produzenten dahinter, na ja, nicht unsere Baustelle.
Die ersten Shows mit dem neuen Album im Gepäck sind gespielt – wie ist es bisher gelaufen, was ist dein Eindruck von den Post-Corona-Gigs?
Wir haben etwas Seltsames gemacht, sprich wir haben schon vor der Veröffentlichung angefangen zu touren und wir haben hauptsächlich neue Songs gespielt! Die Leute haben es geliebt, oder zumindest war unser Plattenkoffer nach einem Auftritt oft leer, vielleicht haben sie alles gekauft, nur um es zu verbrennen, wie sie es mit Manson oder ALICE COOPER gemacht haben, haha! Wir können nicht wirklich sagen, was vor Corona anders war, im Allgemeinen haben die Leute immer weniger Geld und das ist ein echtes Problem. Wir haben auch während der Pandemie Shows gespielt, 2021 ein paar Open Airs und drei Clubshows oder so. Die waren aber alle irgendwie seltsam, weil die Leute ein bisschen brauchten, um warm zu werden.
Wo soll es noch hingehen mit der Band, geht ihr das strategisch an?
Ich ergreife die Chance für diejenigen, die es lesen und vielleicht die „Macht“ dazu haben: Nach vielen Jahren auf Tour und Festivals in ganz Europa hatten wir noch nie die Chance, eine ganze Tour für einen Hauptact zu eröffnen, jemanden, der die Hallen füllt. Leicht zu erraten, welche Namen ich hier in Deutschland meine, sucht euch eure Favoriten aus, von denen ihr denkt, dass sie besser als Support passen würden. Diese Erfahrung könnte uns den richtigen Schub geben, ich weiß, dass ich nie in Wembley auftreten werde, aber ich kann definitiv ein Support für einige dieser Headliner sein und einen anständigen Job machen, ja, vielleicht manchmal besser als andere. Nimm es als Flaschenpost, wenn die Botschaft verloren geht, habe ich immer noch eine Flasche, hoffentlich voll mit Single Malt und nicht mit Scheiße! Nenn es Strategie oder Last Call, time will tell.
Hierzulande ist Gesellschaftskritik prinzipiell erlaubt, in Russland und ähnlichen paranoiden Autokratien ist sie lebensgefährlich. Trotzdem gibt es Bands und Künstler:innen, die es wagen, „Dinge“ anzuprangern? Wie wirkt sich das auf euch persönlich aus, auf euch als Band, die sich aus dem Fenster lehnt?
Ich habe zwei Anekdoten über Zensur. Es war im März 2014, hinter der Bühne eines Clubs in Moskau, wir tourten zum zweiten Mal durch Russland, kurz nach dem Einmarsch in die Krim. Damals schien es den Politikern egal zu sein, es gab keinen großen europäischen Aufschrei, sondern war ein „lokaler“ Krieg, und wir alle wissen, wie die Sache ausging, leider. Ich wurde dort also von einem lokalen Webzine gefragt, was ich über diese Invasion denke, und meine Antwort war selbstverständlich, dass ich sicherlich keine militärische Besatzung welcher Art auch immer unterstützen würde. Nun, in der endgültigen Fassung wurden diese Frage und meine Antwort gestrichen. Dann war mir klar, dass selbst der Untergrund irgendwie von der Regierung kontrolliert wird oder die Leute genug Angst hatten, sich für etwas zu exponieren, das hierzulande überhaupt nicht gefährlich ist, nämlich zu sagen: „Ich bin gegen den Krieg“. Ein anderes Land, in dem wir Zensur erfahren haben, war China, wir wurden aus Shanghai „verbannt“, weil einige unserer Texte als „beleidigend für die Behörden“ angesehen wurden, und ja, sie wollten die meisten Texte im Voraus haben und solche Sachen, das war verrückt, absurd. Kein Wunder, dass die Leute in vielen Orten des Landes keine Ahnung hatten, was Punkrock ist, außer in der Hauptstadt und in Wuhan. Da wurde uns klar, dass die Kontrolle über die Bevölkerung extrem stark war. Ich werde immer mein Bestes geben, um dem Publikum meinen Standpunkt zu vermitteln, das ist alles, was ich tun kann, eine Botschaft zu verbreiten und Veranstaltungen/Verbände/Crews zu unterstützen, die immer noch glauben, dass eine andere Welt möglich ist oder dass wir zumindest das Recht haben, zu existieren und Widerstand zu leisten. Unsere Herzen schlagen immer noch schnell, immer noch auf der linken Seite unserer Brust und können, soweit meine Kenntnisse der Anatomie reichen, nirgendwo anders schlagen! Basta!
Wenn es hart auf hart kommt: „Hasta la muerte“ oder „Run for your life“?
Beides! Ich kämpfe und ich renne auch, wenn es die Situation erfordert. Wenn du wegläufst, solltest du versuchen, dich zu revanchieren oder ein zweites Mal mehr Schaden anzurichten. Wenn du das nicht tust, wird es deine Seele nicht lange retten, wenn du deinen Arsch rettest, also lauf und plane einen größeren Schritt und schlag härter zu, wenn du eine Chance hast! Aber in „Hasta la muerte“ hatten die Protagonisten keine Chance, und übrigens, sie konnten nicht fliehen, sie haben sich ergeben, sie wurden einfach von den USA kaltblütig umgebracht .... nein, Moment, sind das nicht die Guten?! Ach ja, fast hätte ich es vergessen, wo immer es um Geschäfte und Macht geht, wird man keine gute Seite entdecken.
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