OCEAN

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Unabhängigkeit

Mit ihrem Post-Metal avancieren THE OCEAN zu einer etablierten Genregröße, die sich eines stetig wachsenden Publikums erfreut. Auch das eigene Label Pelagic Records sorgt für das Wachstum einer Szene, die mit einer immens hohen Qualität heraussticht. THE OCEAN-Gitarrist, Songwriter und Labelchef Robin Staps sieht sich jedoch weder als zukünftiger Wacken-Headliner noch als Role Model für einen gewisse Szene.

Vorbildfunktion & Selbstständigkeit

„Das ist ein furchtbarer Begriff für Kinder, die zu Stars aufschauen, so wie ich mal als Kind Axl Rose angehimmelt habe.“ Dennoch gesteht sich der Gitarrist ein, mit THE OCEAN und dem früh begonnenen Unabhängigkeitsprozess vieles richtig gemacht zu haben. „Ich glaube, dass wir auch bei Metal Blade Records sehr viel gelernt haben und einfach irgendwann in der Lage waren, es selbst zu machen. Das bedeutet etliche fehlgeschlagene Versuche und reichlich Erfahrungen.“ Doch Stillstand folgt daraus nicht, denn die Entwicklung der Band ist stets im Gange. „Wir werden sicherlich keine Wacken-Headliner-Band werden, aber das, was wir erreicht haben, macht mich sehr glücklich. Wenn andere Bands sich das zum Vorbild nehmen wollen, freut mich das natürlich“, sagt Robin bescheiden.

Doch auch das wachsende Pelagic Label spricht für den Erfolg der Band. Mit gut ausgebauten Strukturen und einem Standing innerhalb der Szene hat Pelagic Records die besten Voraussetzungen und lockt wöchentlich zwanzig Bands an, die ihr Album teilweise noch im CD-Format einsenden. „Wir arbeiten gerne mit Bands, die eine ähnliche DIY-Mentalität haben wie wir. Für den Erfolg von einer solchen Undergroundmusik ist es essenziell, dass Bands gewisse Teilaufgaben selbst übernehmen“, erzählt Robin. „Das haben wir mit THE OCEAN schon vor sehr langer Zeit verstanden und aktuell habe ich das Gefühl, dass mehr Bands diesen Aspekt verfolgen.“ Dennoch gäbe es einige Dinge, die mit einem Label besser funktionieren. Insbesondere Vertrieb und Promotion sind Bereiche, in denen ein Label enorm hilfreich sein kann, das zum Beispiel auch ein Budget fürs Marketing hat. „Am Ende brauchen wir kein Majorlabel, um unsere Platten zu verkaufen. Ich weiß, dass wir viele Dinge selbst besser machen können, weshalb es für uns keinen Grund für eine Kooperation mit riesigem Margen-Cut mehr gibt.“

Entwicklung & Wertschätzung
Schaut man auf die Liste ehemaliger Mitglieder von THE OCEAN, wird schnell klar, warum sich die Band als Kollektiv versteht. Doch spätestens mit dem Einstieg von Peter Voigtman hat sich ein gefestigtes Line-up gebildet, das seit 2018 besteht. „Wir sind gute Freunde und älter als vor zehn Jahren, was heißt, dass wir zu schätzen wissen, was wir an dieser Band haben. Das ist ein unglaubliches Privileg und führt zu einem ganz anderen Klima in der Band. Es ist sehr stabil, macht sehr viel Spaß. Wir sind zwar körperlich ältere Männer als damals, aber haben noch immer mega Bock darauf, live zu spielen.“

Diese Reife innerhalb des Bandkonstrukts lässt sich auch auf den Sound und die Darbietung der Live-Shows transferieren, so Robin. „Wir sind viel solider und besser aufeinander eingespielt, weil wir uns so gut kennen.“ Auch Peter, der mit seinen Synthesizern einen neuen Klang mit in die Sphären der Band brachte, trage dazu bei. „Dies wurde zu einer enorm wichtigen Komponente im Sound von THE OCEAN.“ Zudem eröffnete die kreative Arbeit mit Peter neue Wege und Aspekte. „Jahrelang habe ich alles allein gemacht, aber mit Peter habe ich eine kreative Komplizenschaft geschlossen, die bestens funktioniert“, sagt Robin. „Er macht geile Sachen, schickt sie mir und ich ‚ozeanisiere‘ diese. Das Resultat ist für beide Seiten unerwartet, passt aber für uns. So etwas habe ich mir immer gewünscht. Nicht mit fünf oder sechs Leuten gleichzeitig zu tun zu haben, sondern eine Person, mit der zusammen ich kreativ werden kann.“ So wird der Einfluss von Peter immer größer, ist jedoch bereits auf den beiden „Phanerozoic“-Alben klar auszumachen. „Auch wenn man es nicht immer wahrnimmt, es ist immer da und wird auch die Grundlage des nächsten Albums sein.“

Spezielle Orte
Für das Recording der THE OCEAN-Diskografie bevorzugte Robin stets Orte, die etwas Besonderes boten. „Das war mir immer sehr wichtig. Den beschränkten Horizont hinter sich zu lassen, keine Alltagsroutine zu haben und sich fokussieren zu können.“ So führte der Weg für die Schlagzeugaufnahmen zu den beiden „Phanerozoic“-Alben nach Island. „Das Erste und am anstrengendsten sind immer die Schlagzeugaufnahmen, weshalb es eine intensive Zeit war. Es war gut, sich aus dem Studio bewegen und gefrorene Wasserfälle bewundern zu können.“

Die ursprüngliche Idee sei das Ocean Sound Studio in Norwegen gewesen. „Es liegt direkt am Meer, hat ein großes Panoramafenster und einen unglaublichen Blick auf den Fjord“, sagt Robin. „Das Studio wurde kurzfristig frei und wir waren sehr versucht es anzumieten.“ Stattdessen ist der zukünftige Weg der Band ein eigenständiger, denn für die Drumrecordings sind THE OCEAN in einer alten Mühle zwischen Bremen und Hamburg fündig geworden. Es handelt sich um das Studio von Keyboarder Peter Voigtman, der dort einen unabhängigen Ort geschaffen hat, der mitsamt Band-Apartment die besten Voraussetzungen mitbringt. „Die Bedingungen sind perfekt und wir haben keine Studiouhr, die tickt, was beim Drumrecording oft sehr stressig ist. Man ist von dort schnell man im Wald und kann sich die Zeit nehmen, die man benötigt.“ Neben dem Studio von Peter hat die Band außerdem ihren Proberaum ausgebaut und sich einen Mixing Room mitsamt Gesangskabine eingerichtet. Dort werden künftig die akustischen Instrumente sowie die Vocals aufgenommen.

Vinylhype & Releaseplanung
Die CD hat zum ersten Mal im Marktanteil das Vinyl unterboten, wie Robin verwundert konstatiert. „Aus meiner Sicht passierte dies schon vor längerer Zeit.“ Dennoch wurden die Band und vielmehr das Label Pelagic Records von diesem Hype überrannt. „Wir haben dieses Jahr dreimal so viele Platten bestellt wie letztes Jahr. Alle wollen Vinyl kaufen. Das ist geil für ein Label und für ein Band, denn so können wir Umsätze machen. Das Problem ist nur, dass die Nachfrage so hoch ist, dass die Produktion nicht hinterherkommt.“ Das bedeutet, dass kleinere Labels große Probleme haben, dass die Preise steigen und Presswerke insgesamt teurer werden. Die Entwicklung in den nächsten Jahren ist unberechenbar, doch fest steht, dass man viele Monate vorausplanen muss. „Als Band muss man sich sortieren und Repressings hintenanstellen. Am liebsten würde ich allen Leuten einfach eine Platte zum Kaufen geben, aber wir können kaum rechtzeitig liefern, weshalb sich Releases verschieben.“ Robin, der selbst leidenschaftlicher Vinylsammler ist, freut sich dennoch über das gestiegene Interesse an dem Medium.

Diese Umstände sorgen auch dafür, dass die nächste THE OCEAN Platte erst im Herbst 2022 erscheinen wird. Pandemisch bedingt entstand eine furchtbare Langeweile, die Robin zum Schreiben neuer Musik inspirierte. Zusammen mit Peter schrieb er so viel neue Musik, die für die Zukunft fest geplant ist. „Eigentlich sollte das nächste Album bereits im Juni erscheinen, doch aufgrund der Lieferengpässe können wir nicht daran festhalten. Die Platten würden einfach nicht rechtzeitig fertig werden“, so Robin. Außerdem gibt es ein weiteres Album, das noch aufgenommen werden muss und für das Jahr 2023 geplant ist. Bis dahin werden THE OCEAN viel auf Tour sein.

Tourpläne & Wachstum
Für die kommende Tour hat sich Robin mit PSYCHONAUT und HYPNO5E zwei Bands aus dem eigenen Roster hinzugenommen. „Es liegt auf der Hand, eigene Bands zu pushen. Diese Bands sind auf Pelagic weil wir sie geil finden.“ Dies führe aber auch dazu, dass viele Anfragen kommen und nicht jede Band mitgenommen werden kann. „Primär geht es aber auch darum, dass man mit den Leuten vier Wochen in einem Nightliner aushalten kann. Es muss menschlich alles cool sein, deshalb sind auch PG.LOST, die ich schon lange kenne, mit dabei.“

Als Nächstes steht jedoch die Veröffentlichung des Live-Albums zu den „Phanerozoic“ Alben an, die auch auf DVD erscheinen wird. Sie enthält den Mittschnitt eines Pandemie-gerechten Streamingkonzerts im Club 100 in Bremen, die zweite Hälfte für das Roadburn Redux Event ist am Tag darauf im ausgebauten Studio von Peter entstanden. An dem Ort, an dem auch das Recording für das nächste Studioalbum begonnen hat. Auch wenn auf den Tonträgern die visuelle Komponente der Auftritte fehlt, war es für Robin wichtig, die Energie der Konzerte optimal einzufangen. „Es war uns enorm wichtig, sich das Ganze auch angucken zu können. Deshalb gibt es eine DVD sowie die Video-on-Demand-Option, weil ja kaum noch jemand einen DVD-Player hat.“

Auch wenn THE OCEAN sehr zu schätzen wissen, was sie an dieser Band und dem darum bestehenden Kollektiv haben, gibt es noch immer eine lange Liste von Dingen, die ausstehen. „Das sind nicht unbedingt Zahlen, sondern Orte, an denen wir noch nie waren. Ich wollte nie auf den riesigen Festivals spielen, sondern an Orte kommen, die besonders sind, wie Kasachstan oder Südamerika.“ Darüber hinaus habe sich die Band in technischer Hinsicht weiter professionalisiert und ein neues Level erreicht, auch was die visuelle Darbietung auf den Konzerten betrifft. „Ich denke, man kommt nie an einen Punkt, an dem man nicht mehr weiß, was man noch machen kann. Man fängt an zu experimentieren und jede Erfahrung ist lehrreich und man wird besser. Damit kann man immer wieder wachsen.“