OCEAN

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Das Ende der Nahrungskette

Der kleine Club in Attendorn, die Noisebox, ist an diesem Abend in völlige Dunkelheit getaucht, bis die purpurnen Spotlights, die die Jungs von THE OCEAN am Boden der Bühne angebracht haben, aufleuchten. Die ersten schweren Riffs ziehen wie Wellen heran, treffen auf ein Schlagzeug wie Klippen. Durch den Bühnenvorbau, der eigens für die Band angebracht wurde, ist der ohnehin enge Konzertraum noch kleiner, intimer geworden. Die etwa 120 Gäste füllen den Raum zum Bersten. Auf dem kleinen Steg, der in die Menge ragt, steht Sänger Nico Webers - ohne den Steg hätte er wohl kaum Platz auf der Bühne gefunden. Die zwei Drumsets von Drummer Torge Ließmann und Percussionist Gerd Kornmann nehmen gut die Hälfte davon in Beschlag, auf den übrigen Quadratmetern haben die Gitarristen Robin Staps und Matt Beels sowie Basser Gordon Hünies Aufstellung bezogen.

Zunächst brutal schleppend nimmt die Show immer weiter an Fahrt und Geschwindigkeit auf. Aus zwei, drei eisenharten Headbangern am Bühnenrand werden zehn, zwölf - schließlich wogt die ganze Noisebox hin und her, vor und zurück. Die minutenlangen komplexen Songs, zu einem Großteil der Feder von Gitarrist Robin Staps entsprungen, lassen wohl niemanden kalt. Schweiß vermischt sich im brodelnden Pit mit Blut und Bier. Zum Teil in kompletter Dunkelheit, da einer der Spots von der tobenden Menge umgerissen wird und einen Kurzschluss verursacht, dann schließlich wieder im Strobo oder im mal blauen, mal dunkelgrünen Gegenlicht, treibt THE OCEAN das Metal-Gewitter mit Songs wie "City in the sea" oder "Killing the flies" auf die Spitze. Immer wieder werden Songs um einprogrammierte Effekte aus dem Laptop ergänzt, Gerd Kornmann bearbeitet sein Percussion-Set auch gerne mit der Flex und anderen Werkzeugen. Als der finale Song "Queen of the food chain" mit einem Choral aus dem Laptop verklingt, sind alle restlos erschöpft. Publikum und Band befinden sich im kollektiven Freudentaumel. Die Show in Attendorn ist allerdings nur der Auftakt zu einem Konzert-Jahr, in dem das OCEAN-Kollektiv aus Berlin noch viel vorhat. Gitarrist Robin Staps sprach über die bevorstehende Europatour mit THE BLACK DAHLIA MURDER sowie über das kommende Album, das im Herbst erscheinen soll.

Seid ihr an so kleine Clubs wie die Noisebox gewöhnt oder fällt es euch schwer, da all euer Equipment unterzubringen?


Der Laden war schon sehr klein, aber wir sind es gewohnt, da immer Kompromisse machen zu müssen. Man spielt halt den einen Abend vor drei-, vierhundert Leuten in einem professionellen Venue und den nächsten Abend sind es 50 in irgendeinem Drecksloch. Das ist halt so auf Tour, es gibt immer auch Montage, Promoter, die keine Werbung machen, so genannte "Konkurrenzveranstaltungen" etc. Tendenziell haben wir aber nichts gegen kleine Clubs, eigentlich spielen wir sogar lieber in solchen Läden, weil unsere Show da viel direkter rüberkommt, weil du die Leute mit dem Holz deiner Gitarre konfrontieren kannst - das geht nicht, wenn da erst mal ein Graben vor der Bühne ist. Andererseits wirkt unser ganzes Licht- und Video-Arsenal halt auch erst richtig ab einer gewissen Bühnengröße und wir haben immer auch ein Platzproblem an solchen Orten.


Was erwartet ihr da hinsichtlich der Tour mit BLACK DAHLIA MURDER? Gibt es da Gigs, auf die ihr euch besonders freut? Sind ja auch einige große Bühnen bei ...

Ja, da wird es wohl kaum so intime Shows geben wie in Attendorn. Rein technisch wird das wahrscheinlich alles sehr geil werden, vorausgesetzt wir können da unsere Licht- und Videoshow voll auffahren. Wir sind auf jeden Fall eine Band, die von großen Bühnen und guten Bedingungen eher profitiert, als dass was verloren geht. Ich denke auch, dass das ein sehr spannendes Package ist. Ich bin wahnsinnig gespannt auf das neue BDM-Album, was ja noch schneller sein soll als alles Bisherige und stark von DISSECTION beeinflusst ist. Wir werden während dieser Tour ein sehr brutales Set spielen mit einigen neuen Stücken. Im Herbst folgt dann eine Headliner-Tour, wo wir eher unsere ruhige, epische Seite zeigen werden.


Du hast gerade von neuen Stücken gesprochen. Das neue Album ist meines Wissens das Erste, das ihr nicht im "Oceanland" aufgenommen habt - ihr seid dafür nach Finnland gefahren. Wie kam es dazu?

Wir hatten für dieses Album erstmalig ein anständiges Recording-Budget, und da lasse ich dann gerne mal jemand anderen die Knöpfe drücken, auch, um mich mehr aufs Musikmachen konzentrieren zu können ... Obwohl große Teile des Albums tatsächlich im Oceanland aufgenommen werden, nur Drums und Gitarren haben wir in Finnland gemacht. Wir wollten diesmal einen anderen Schlagzeug-Sound haben, einen erschlagenden, breiten, räumlichen Sound. Der Mann unserer Wahl in diesen Dingen heißt Jonas Olsson und lebt nun mal in Finnland. Nun hätten wir ihn auch nach Berlin holen können, was am Ende billiger gewesen wäre, aber für einen wirklich herausragenden Drum-Sound braucht man eben auch einen sehr gut klingenden Raum. Den fanden wir in einem abgelegenen Landhaus in Nordfinnland, wo wir uns drei Wochen eingeschlossen haben. Die Abgeschiedenheit und völlige Isolation haben dabei sicherlich auch auf dem Album ihre Spuren hinterlassen.


Erzähl doch noch etwas über das neue Album. Die Spielzeit könnte ja fast auf orchestrale Arrangements schließen lassen. Sind wieder Gastsänger dabei oder Streicher?

Das neue Album wird ein Konzept-Doppelalbum, bestehend aus einer Mini-CD mit circa 20 Minuten Spielzeit, die dort weitermacht, wo "Aeolian" aufgehört hat, und einer Full-Length-CD mit circa 60 Minuten Spielzeit, auf der wir einen Vorstoß in ruhigere, dunklere und tiefere Gewässer wagen, unsere eigentliche Heimat. Hier kommen wieder viele Streicher zum Einsatz; trotzdem geht das Ganze in eine neue Richtung und hat nur bedingt etwas mit "Fogdiver" oder "Fluxion" zu tun. Wir versuchen, den Kontrast zwischen beiden Alben so groß wie möglich zu machen, sowohl das Songwriting betreffend als auch soundtechnisch. Beide Alben werden auch von unterschiedlichen Personen gemixt werden. Ein visuelles Gesamtkonzept verbindet beide Alben, aber hier will ich noch nicht mehr verraten. Auch live werden wir versuchen, diesen Spagat zu schaffen; es wird wie zwei verschiedene Bands mit denselben Mitgliedern sein. Wir werden von Abend zu Abend oder von Tour zu Tour entscheiden, welche Seite von uns wir feilbieten werden, mit entsprechendem Licht und Videos, und werden wahrscheinlich nicht mehr so wild Songs verschiedener Stilrichtungen und Epochen durcheinander spielen wie bisher. Wer genau hinhört, wird aber schnell Gemeinsamkeiten zwischen allem entdecken, was der Ozean hervorbringt ...