Wenn es um opulenten Post-Metal geht, führt an den Berlinern bereits seit vielen Jahren kein Weg vorbei: Und auch das neue Werk wieder ein echtes Mammutprojekt geworden – sowohl musikalisch als auch physisch. Mit dem 2018er Album „Phanerozoic I: Palaeozoic“ sowie der jetzigen Fortsetzung „Phanerozoic II: Mesozoic | Cenozoic“ bearbeiten Robin Staps und seine Mitstreiter wieder einmal denkbar schweren Stoff: diesmal das Mesozoikum und das Känozoikum, zwei insgesamt über 250 Millionen Jahre umfassende Kapitel der Erdgeschichte. Wir sprechen mit dem Kreativkopf über das zehnte Studiowerk, Besetzungswechsel und – natürlich – die aktuelle Krise.
Eure neue Platte sowie den ersten Teil gab es zeitweise als Vinyl-Box mit echten Fossilien vorzubestellen. Das muss doch ein riesiger Aufwand gewesen sein, die zu besorgen, oder?
Das war in der Tat ziemlich aufwendig und schwierig. Die Idee liegt eigentlich auf der Hand: Es ist ja ein Konzeptalbum mit paläontologischem Hintergrund. Und da war es naheliegend, auch Fossilien aus dem Zeitalter, um das es geht, mit reinzupacken. Die Idee stammt von meinem Vater. Wir waren im Urlaub und da lag ein Fossil rum. Und ich erzählte ihm gerade von unserem Album. Er hat dann die Verbindung hergestellt. Erst habe ich laut gelacht. Aber dann dachte ich mir: Hey, das wäre natürlich wirklich geil. Ich habe mich dann informiert, wo man Fossilien bekommt und in welchen Mengen und was das kostet. Ich bin dann an eine nette Dame von einem geologischen Institut in München geraten, die total begeistert war von dem Projekt und die die nötigen Kontakte hatte. Wir brauchten 1.500 Stück, die konnten wir über sie besorgen. Das war ein Riesenaufriss. Und natürlich auch ein Risiko, für 30.000 Euro Fossilien zu kaufen. Aber wir haben einen sehr treuen Stamm von Leuten, die uns folgen und sich darauf gestürzt haben. Und deswegen waren die Boxen auch sofort via Pre-Order alle weg.
Die Songs für den zweiten Teil wurden ja bereits während der Sessions für das 2018er Album aufgenommen. Bist du mit den Tracks nach dieser langen Zeit überhaupt noch zufrieden?
Es ist tatsächlich oft so, dass du dir ziemlich bald wünschst, du hättest Dinge anders gemacht. Aber in diesem Fall ist es eher andersherum gewesen. Die Platte fühlt sich an wie ein gut gereifter Käse. Am Anfang hatte ich noch gar keine richtige Vorstellung von dem Album. Es gab zwar das fertige Material, aber die Songs waren sehr unterschiedlich und vielfältig. Ich habe mich dann bewusst dazu gezwungen, das alles mal so entstehen zu lassen. Alle Alben zuvor hatte ich eigentlich immer in der Pre-Production bis ins letzte Detail ausgefeilt, bevor wir ins Studio gegangen sind. Aber dann bist du schon so gewöhnt an alle Sounds, dass du Neues dann schnell mal ablehnst. Und das wollte ich nicht. Deswegen sind wir da viel freier rangegangen und haben die Songreihenfolge auch erst im Studio festgelegt. Am Ende ist aber alles wunderbar an seinen Platz gefallen.
Die Liste der Musiker, die schon mit dir bei THE OCEAN zusammengearbeitet haben, ist beeindruckend lang. Einige von ihnen kamen mit dir als Bandchef nicht so richtig zurecht, heißt es. Bist du wirklich so ein schwieriger Charakter?
Ich habe definitiv eine recht klare Vorstellung davon, was ich will. Und das kommuniziere ich auch sehr klar. Damit können viele Leute nicht so gut umgehen, auch, weil sie vielleicht selber sehr klare, andere Vorstellungen haben. Mit manchen Musikern hat es dann einfach nicht funktioniert. Aber das bedeutet nicht, dass es auch immer zu Problemen geführt hat, im Gegenteil. Mit vielen, die mit mir in der Band waren, bin ich heute noch sehr gut befreundet. Da hatte sich einfach rausgestellt, dass es musikalisch gemeinsam nicht funktioniert. Aber das war dann auch völlig okay. Wir sind ja alle erwachsene Menschen. Da kann man auch sagen: Wir können vielleicht keine Musik zusammen machen, aber abhängen und Freunde sein können wir doch.
Seit einigen Jahren gab es keine Veränderungen mehr im Line-up. Hast du jetzt die richtigen Leute gefunden?
Ich habe in den vergangenen zwanzig Jahren mit extrem vielen unterschiedlichen Menschen zusammengespielt. Das war natürlich sehr bereichernd. Und jedes Bandmitglied hat seinen Anteil an unserer Entwicklung. Auch ich selbst habe dabei unheimlich viel gelernt, und das ist von unschätzbarem Wert. Aber ja: Wir hatten noch nie eine so tolle Stimmung in der Truppe. Wir sind alle extrem gute Freunde und schätzen es total, dass wir gemeinsam die Band haben. Und da bin ich schon stolz drauf. Das neue Album ist deswegen auch ein Gesamtprodukt aller Mitglieder. Unser Drummer Paul hat beispielsweise auch drei Songs geschrieben.
Musiker trifft die Corona-Krise besonders hart. Wie hast du die vergangenen Monate erlebt?
Klar, für uns sind viele Shows ins Wasser gefallen. Die Krise habe ich persönlich dabei in mehreren Phasen erlebt. Am Anfang habe ich das geleugnet. Habe gesagt, das sei doch nur ’ne blöde Grippe. Anschließend war ich einfach nur furchtbar sauer. Weil mir klar wurde, dass ganz viele Sachen ausfallen und vor allem die Südamerikatour, an der ich sehr lange gearbeitet habe, abgesagt werden muss. Aber dann habe ich realisiert: Wütend sein auf ein Virus, das bringt ja nichts. Also habe ich verstanden, dass man nichts machen kann, dass ich die Situation akzeptieren muss und dass es da ja auch jedem gleich geht. Dann habe ich meinen Frieden damit geschlossen und ganz viele Dinge gemacht, die ich sonst nie gemacht hätte. Nicht wirklich andere Sachen als Musik, weil fast alles, was ich tue, mit Musik zu tun hat. Aber zum Beispiel unser Fotobuch, das wir jetzt veröffentlichen. Das war so zeitaufwendig. Wir hatten das Material und Bock drauf. Aber im Februar hatte ich mich schon dazu entschlossen, das Projekt abzublasen. Weil ich gedacht habe, das kriegen wir nie fertig. Und dann kam Corona. Außerdem bringen wir jetzt einen eigenen Kaffee raus. Da arbeiten wir mit einem Röster hier in Berlin zusammen. Zudem hat unser Basser gerade Probleme mit der Hand und konnte sein Instrument seit drei Monaten nicht anfassen. Wir hätten also schon von unserer Seite ohnehin einiges absagen müssen. Insofern bin ich fast schon dankbar. Es war alles gut so, wie es war. Aber natürlich freuen wir uns darauf, wenn es irgendwann endlich wieder losgeht.
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