NECK DEEP

Foto© by Karo Schaefer

Modern Pop-Punk ist zurück

NECK DEEP sind mit einem neuen, selbstbetitelten Album zurück, mit dem die Waliser Band erneut ihre Bedeutung für modernen Pop-Punk beweist. Wir haben uns mit Sänger Ben und Gitarrist Sam getroffen, um zu erfahren, was hinter dem neuen Album steckt und welche Rolle Aliens dabei gespielt haben.

Seit eurem letzten Album sind drei Jahre vergangen, und wenn dieses Interview erscheint, ist euer neues bereits auf dem Markt, und ich habe den Eindruck, dass sich darauf einiges geändert hat. Mir kommt es so vor, als ob ihr wieder ein wenig zu euren Wurzeln zurückgekehrt seid. Das Artwork zum Beispiel wirkt ähnlich wuselig wie bei euren ersten Veröffentlichungen, während euer letztes Albumcover etwas minimalistischer war. Könnt ihr mir mehr darüber erzählen?

Ben: Wir machen das eigentlich immer ähnlich. Wir finden einen Künstler, den wir mögen und ...
Sam: ... lassen ihn sein Ding machen. Wir wussten aber, dass wir wieder so ein hektisches Gewimmel haben wollten wie früher, was nicht zuletzt daran liegt dass auch die Musik wieder so geworden ist, wie die Fans sie kennen und lieben, und alle Platten, die diesen Sound repräsentierten, hatten solche hektischen Frontcover. Wir wollten, dass die Leute schon beim Anblick des Artworks wissen, was sie von der Platte erwarten können. Das war insofern eine bewusste Entscheidung. Und musikalisch ist es definitiv die beste NECK DEEP-Platte, die sich die Fans wünschen können.

Was hat euch dazu bewogen, euch wieder mehr auf euren ganz frühen Sound zu besinnen?
Ben: Ich denke, dass wir einfach wieder bereit waren für Pop-Punk. Ich glaube, daran haben wir schon bei der letzten Platte gedacht, aber da waren wir noch nicht da, wo wir jetzt sind. Wir wollten etwas Aufwändigeres schreiben, etwas, das mehr eine Art abgeschlossenes Projekt darstellt. Also schlossen wir uns im Studio ein, von Anfang bis Ende, und zogen es durch. Aber die Art und Weise, wie wir an diese Platte herangegangen sind, war ganz anders. Ich glaube, wir mussten das damals so machen, weil wir immer nur das gemacht haben, was wir gefühlt haben. Und bei dieser Platte dachten wir uns, ja, wir sind wieder offen für Pop-Punk. Wenn wir schon beim letzten Mal eine Pop-Punk-Platte geschrieben hätten, wären wir damit wohl nicht zufrieden gewesen.
Sam: Ich glaube nicht, dass es dasselbe gewesen wäre. Ich weiß, dass die Fans mit der Platte, die wir damals gemacht hätten, nicht glücklich gewesen wären, und wir auch nicht. Wir alle haben so einen unterschiedlichen Musikgeschmack jenseits des Pop-Punk, also denke ich, dass zu der Zeit jeder von uns das Gefühl hatte, gerne ein bisschen mehr von dem einzubringen, was uns sonst noch inspiriert, und zu versuchen, es so einzubinden, dass am Ende trotzdem eine NECK DEEP-Platte dabei herauskommt. Weil wir das durchgezogen haben, wussten wir, was wir machen wollen und wie wir das anstellen können, ohne noch eine langweilige Pop-Punk-Platte zu produzieren. Ich weiß, wir definieren uns selbst als „generic pop punk“, aber ohne zu klischeehaft zu werden. Es ist ein bisschen inspirierter. Ich habe das Gefühl, dass wir genau das geschafft haben.
Ben: Ich denke, Pop-Punk ist das, was wir am besten können.

Es ist auch ein selbstbetiteltes Album, das bedeutet normalerweise etwas. Soll das signalisieren, dass ihr zu euren Wurzeln zurückgekehrt seid, oder ist es etwas anderes?
Ben: Ich glaube, der Grund ist, dass wir die ganze Platte selbst gemacht haben. Wir haben es in unserem eigenen Studio gemacht, Seb hat alles aufgenommen, wir haben nicht mit einem externen Produzenten oder so gearbeitet. Als wir mögliche Namen für die Platte in die Runde geworfen haben – wir hatten eine ganze Reihe, die wir hätten nehmen können –, waren einige davon wirklich cool, aber ... schließlich hat sich die Idee eines selbstbetitelten Albums einfach irgendwie durchgesetzt. Es fühlte sich richtig an. Es fühlte sich so an, als wären wir so sehr in diesen Prozess involviert gewesen und niemand sonst hatte es wirklich angefasst, dass es sich anfühlte wie, ja, das sind wir im Kern. So haben wir angefangen, Musik zu machen, als wir damals zusammenhockten weißt du, mit Sam an der Gitarre, Seb saß am Computer und ich habe versucht, mir die Texte auszudenken. Ja, es war eine Art Rückkehr zu unseren Wurzeln und alles selbst zu machen. Es ist die am meisten von Grund auf selbst verantwortete NECK DEEP-Platte seit „Wishful Thinking“, das war wahrscheinlich das letzte Mal, dass wir eine Platte selbst produziert haben.

Ich habe das Gefühl, dass auf eurem neuen Album auch inhaltlich einiges los ist. „Take me with you“ thematisiert zum Beispiel Aliens, was meiner Meinung nach sehr passend ist, vor allem weil Tom wieder bei BLINK-182 ist und wegen der Anspielungen auf sie im dazugehörigen Musikvideo. Könnt ihr mir ein bisschen mehr über die Inspiration für diesen Song erzählen?
Ben: Ich erinnere mich, dass ich Seb eine SMS schrieb, in der es hieß: „Wir sollten einen Song mit dem Titel ‚Take me with you‘ schreiben, in dem es um Aliens geht.“ Es gibt eine Technik, die manche Songschreiber anwenden, sich zuerst einen Titel auszudenken, der einem in den Kopf kommt und der dann das Thema vorgibt ... Von da an war es ziemlich einfach. Ich glaube, Seb und ich, wir haben beide sofort gedacht: Hey, das könnte unser „Aliens exist“ werden. Es war so einfach. Es sind auch einige ernste Songs dabei, wie man sie man von NECK DEEP vielleicht erwarten würde – ziemlich introspektiv und ziemlich persönlich. Wobei ich annehme, dass die Leute darin vielleicht nicht die großen Lebensweisheiten sehen, aber ihre Gefühle wiedererkennen. Was „Take me with you“ betrifft, glaube ich, dass es ganz gut ist, ab und zu einen lustigen Song zu schreiben. Es darf auch mal nicht so super ernst, sondern einfach eingängig sein und die Leute zum Tanzen bringen. Dabei ist es auf seine Art auch ein Kommentar zum Zustand der Welt und nicht bloß eine coole Alien-Story. Es geht ja darum, dass die Dinge hier so schlecht stehen, dass es besser wäre, von Aliens entführt zu werden.

Es gibt natürlich auch ein paar Herzschmerz-Songs, „Heartbreak of the century“ ist so ein offensichtlicher Track. Welche Themen habt ihr versucht, auf diesem Album zu verarbeiten?
Ben: Es gibt zum Beispiel einen politischen Song auf der Platte, den ich persönlich für unseren umfassendsten politischen Song halte, es ist mein Lieblingssong, den wir geschrieben haben, weil wir nicht versuchen, wie eine Heavy-Band zu sein und einen heavy politischen Song zu schreiben. Es ist ein geradliniger Pop-Punk-Song, der meiner Meinung nach einige Themen aufgreift und einige gute Kommentare abgibt. Das ist immer schwierig mit politischem Zeug, man muss schon ziemlich genau wissen, was man sagt. Also, ja, wir reden über Politik, und von da an über alles Mögliche, von Einwanderung und die Unfähigkeit unserer politischen Führer bis zur Liebe zu deinen Mitmenschen. Generell ist es eine Art kollektiver Aufruf zum Handeln. Es gibt auch ein Stück namens „Moody weirdo“, das sich darum dreht, ein launischer Weirdo zu sein, haha. Ansonsten geht es viel um psychische Gesundheit und wie man damit umgeht oder welche Schwierigkeiten man haben kann, besonders im Zusammenhang mit Beziehungen. Also ja, ich denke, es gibt einige Sachen, die die Leute hören können, wenn sie gerade eine gute Zeit durchmachen. Oder vielleicht haben sie auch eine Trennung hinter sich und brauchen eine kleine Aufmunterung, dann könnte ihnen eben eine alberne Nummer wie „Take me with you“ gefallen – davon gibt es auch einige. Natürlich sind auch die introspektiven Texte dabei, die die Fans von uns erwartet haben. Das sind ziemlich typische Inhalte für uns und ich denke, dass die Leute auch darauf ansprechen. Die üblichen NECK DEEP-Themen, würde ich sagen.

Ihr habt 2023 auch ein paar Konzerte in Asien gespielt und bei einer der Shows sehr deutlich gemacht, dass ihr THE 1975 nicht mögt, Ben, indem du gesagt hast: „Fuck THE 1975!“ Diese waren zuvor aus Malaysia verbannt worden, nachdem Sänger Matt Healy auf der Bühne seinen Bassisten geküsst hatte, um gegen das staatliche Verbot gleichgeschlechtlicher Liebe zu protestieren.
Ben: Oh, verdammt noch mal. Ich musste das schon ein paar Mal aufklären. Ich habe auch schon mit Matty darüber gesprochen. Es war ein verdammter Scherz. Es war buchstäblich ein Scherz. Es kam an dem Punkt in unserem Set, an dem ich normalerweise ein politisches Statement abgebe, und vielleicht habe ich den Schwanz eingezogen und mich davor gedrückt. Die einzige Art von akzeptablem politischem Statement in dem Moment wäre wohl gewesen „Fuck your government“, was einem einen Haufen Ärger einbringen kann, wie Matty herausfinden musste ...
Sam: Gerichtsverfahren, Rausschmiss aus dem Land.
Ben: Genau, und das wollte ich für unsere Band nicht. Das Einzige, was in eine ähnliche Richtung ging, war „Fuck THE 1975“ und so habe ich das gesagt, aber es war ein Scherz. Eigentlich habe ich mit der Zeit verstanden, dass die Dinge, die ich sage, tatsächlich ein wenig Gewicht haben, und vielleicht ist das nur meine eigene Ignoranz gegenüber meiner Position, aber ich denke einfach: Wen zum Teufel interessiert NECK DEEP? Als ob etwas, das wir sagen, je auf dem Radar von THE 1975 auftauchen würde, aber ...
Sam: ... das tat es.
Ben: Also wir alle lieben diese Band. Ich hatte in dem Moment Sam noch gefragt: „Soll ich ‚Fuck THE 1975‘ sagen?“ Und er war einfach so, ja, egal. Wir haben schlicht nicht geglaubt, dass es etwas ausmachen würde. Aber es war so ein „Crowd goes wooo“-Moment und jetzt heißt es immer, dass wir THE 1975 hassen würden. Ich musste ein paar Mal klarstellen, nein, das war ein Gag!

Gibt es abschließend noch etwas, das ihr euren Fans sagen möchtet?
Sam: Wir hassen THE 1975 nicht!
Ben: Wir lieben THE 1975! Nein, aber mal ehrlich, danke, dass ihr so lange zu uns gehalten habt. Wir sind jetzt seit über zehn Jahren eine Band, wir sind keine Anfänger mehr, aber wir spüren immer noch die gleiche Leidenschaft, die wir immer hatten. Und wir sehen immer wieder die gleichen Gesichter, was bedeutet, dass die Leute lange zu uns gehalten haben, viele sind mit uns aufgewachsen. Ich denke auch, das ist das Besondere an unserer Fanbase, dass man, wenn man sich in NECK DEEP verliebt, lange dabeibleibt. Das ist eben nicht dieser „TikTok-Stil“ des Musikhörens, im Sinne von: „Ich mag einen Song, der 100 Millionen Plays hat, aber alles andere mag ich nicht!“ Leute, die NECK DEEP mögen, neigen dazu, alles zu mögen, was wir gemacht haben. Also danke, dass ihr uns die Treue haltet, egal ob ihr neue oder alte Fans seid. Wir haben großartige Fans und da gibt es keinen Schnickschnack, keinen Hype, kein Nichts, die Leute mögen uns einfach für unsere Musik. Das ist alles, was wir uns jemals wünschen könnten, wirklich.