Freddy Cricien von MADBALL auf dem Cover des Ox? Mitte der Neunziger für mich undenkbar, zu krass verkörperte die Band um den jungen Halbbruder von AGNOSTIC FRONT-Sänger Roger Miret die gangmäßig-machistische Seite des New York Hardcore, die die Szene spaltete, auch in Deutschland. Heute hingegen ist vieles anders, gefühlt verbindet einen mehr, als uns trennt, und vor allem sind die Lautmäuler von damals ein ganzes Stück reflektierter, ruhiger und erwachsener geworden. Weshalb ich mich vorurteilsfrei auf ein Interview mit Freddy, Jahrgang ’76, einließ, nachdem ich zuvor mit seinem Bruder gesprochen hatte (siehe Interview weiter hinten). Anlass war natürlich das neue MADBALL-Album „For The Cause“.
Freddy, ich habe schon mit deinem Bruder über dich gesprochen ...
Was hatte der zu erzählen?
Dass er dich als Knirps mit sieben Jahren damals mit auf Konzerte genommen hat, weil er der Meinung war, bei ihm und seinen Punk-Freunden seist du besser aufgehoben als zu Hause bei deinem Vater. Was sind deine Erinnerungen an diese Zeit?
Ich hatte Spaß daran, aber im Detail weiß ich davon nicht mehr viel, ich war eben noch sehr jung. Je älter ich wurde, desto besser sind meine Erinnerungen. Es war eine verrückte Zeit in New York, ich weiß noch, wie anders alles aussah in der Lower East Side: Es war rauh, überall Verfall und Schmutz. Ich hatte aber keine Angst, ich fühlte mich da zu Hause. Mag komisch klingen für manche, aber für mich war das alles neu und spannend, ich wohnte ja damals noch nicht in der Stadt. Und ich fand auch die ganzen Leute interessant, Vinnie und Raybeez, Jimmy Gestap ... Und auch die ganzen Frauen in dieser Szene fand ich interessant, die kümmerten sich ja auch um mich. Es war eine wilde, aber auch eine gute Zeit – auch wenn wir uns damals Kleingeld schnorren mussten, um was zu essen zu haben. It was very, very wild style! Und wie ich schon sagte, ich hatte damals keine Angst – aber nicht im Sinne von Tough guy-Getue. Ich war wohl schon immer ein eher rebellischer Typ.
Wann wurde dir zum ersten Mal klar, dass die Art, wie du deine Freizeit verbracht hast, anders war als die der meisten Altersgenossen?
Ehrlich gesagt ist mir das erst neulich so richtig bewusst geworden, haha. Es hat also fast vierzig Jahre gebraucht. Für mich war das alles eben normal. In den Neunzigern wurde ich für den Dokumentarfilm „N.Y.H.C.“ interviewt, und ich war damals noch recht schüchtern, fühlte mich vor der Kamera unwohl, und da fragte mich der Interviewer, wie meine Kindheit und Jugend gewesen sei – und ich antwortete: „Normal.“ „Normal“ war für mich offensichtlich etwas anderes als für die meisten anderen Menschen, denn nach traditionellen Standards war mein Leben das eben nicht. Und das war gut und schlecht zugleich. Jetzt, da ich verheiratet bin und selbst eine Familie habe und einiges mehr an Lebenserfahrung, ist mir bewusst, dass mein Leben damals weit entfernt von jeder Normalität war.
Wie alt sind deine Kinder?
Mein Sohn ist sechs, meine Tochter zwei. Als ich mit Roger loszog, war ich gerade mal ein Jahr älter als mein Sohn jetzt ist. Und da hing ich in der Lower East Side ab, im Alphabet City-Gebiet, und da ging es in den frühen Achtzigern richtig ab in Sachen Drogen, Gangs und so weiter, aber es war eben auch das Territorium der Hardcore-Szene. Ich kann mir meinen Sohn in dieser Umgebung nicht vorzustellen. Damit will ich mich nicht schlecht über meine Eltern äußern, denn Erziehung ist eben auch ein Erfahrungsprozess. Die haben einiges falsch gemacht, aber auch manches richtig. Die hatten wohl einfach keine Ahnung und keine Vorstellung, wo ich mich mit meinem Bruder rumtrieb. Ich hingegen lasse meinen Sohn niemals aus den Augen, ich bin da sehr beschützend eingestellt. Andererseits: Ich war ja nicht alleine, sondern bei meinem Bruder, der damals 18 war.
Letztlich hat dir diese Erfahrung nicht geschadet, wie man heute sieht. Irgendwie lief alles glatt.
So sieht das aus heutiger Sicht aus, aber so ganz glatt lief da einiges nicht. Aber stimmt, heute ist alles okay, ich habe meine eigene Familie, ich fühle mich gut, auch gesundheitlich. Ich habe einige Nahtoderfahrungen gemacht, habe überlebt, mit der Band läuft es gut – an diesem Punkt in meinem Leben kann ich mich nicht beklagen. Und insofern finde ich deine Aussage gut und richtig. Denn es stimmt, an vielen Stellen meines Lebens hätte es auch ganz anders laufen können, dafür gab es reichlich Gelegenheiten ... Die Musik und zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Leute kennen gelernt zu haben, das lenkte mein Leben in die heutige Richtung. Nenn es Glück, nenn es Schicksal, nenn es Bestimmung, egal.
Hast du dich mal bewusst entschieden, deinem Leben eine andere Richtung zu geben?
Ein paar Mal in meinem Leben ... aber so etwas dann auch durchzuziehen, das ist wieder eine andere Sache, haha. Weniger Bier trinken? Sich besser ernähren? Wäre nicht schlecht ... Aber ... es könnte alles viel schlimmer sein. Und ich nehme keine Drogen, bin nicht auf der Straße gelandet. Klar könnte manches besser sein, aber vieles auch viel schlechter. Ich versuche, in meiner persönlichen Entwicklung immer noch zu wachsen. Und vor allem bin ich meiner Frau sehr dankbar, denn als wir uns trafen, trieb ich mich viel auf der Straße rum, verdiente irgendwie mit irgendwas Geld, Drogen, machte eben lauter dummen Scheiß, mit dem ich mich echt in Gefahr begab. Sie hat mich aus diesem Scheiß rausgeholt. Mit ihr hatte ich jemanden gefunden, der mich verstand, und ab da wollte ich positiver durchs Leben gehen. Ich schaffte es natürlich nicht von heute auf morgen, mich zu ändern, aber ich ließ den Scheiß nach und nach bleiben und es wurde besser. Und als dann mein Sohn geboren wurde, änderte sich noch mal viel, da wurde mir dann endgültig klar, dass ich so manchen Scheiß einfach nicht mehr bringen kann. Die Veränderung kam also nicht spontan über Nacht, sondern das ging von Level zu Level. Und ich glaube auch nicht, dass überhaupt irgendwer so den Schalter umlegen kann. Mit „kaltem Entzug“ klappt das nicht, man muss wachsen. Veränderung kommt mit dem Alter, indem man Verantwortung übernehmen muss. Auch die Band hatte viel damit zu tun: Als die wieder durchstartete, man uns wieder mehr Beachtung schenkte, fühlte ich mich verantwortlich und musste mich nicht nur in meiner Rolle als Frontmann bewähren, sondern mich auch um die geschäftliche Seite kümmern. Damit muss man klarkommen, manche sind davon überfordert, fallen in alte, schlechte Verhaltensweisen zurück. In meinem Fall trieb es mich dazu an, noch besser zu werden.
Wie hat sich diese Veränderung auf die Band ausgewirkt? Jede Band hat ja ihr Image, und als MADBALL Anfang/Mitte der Neunziger bekannt wurden, hattet ihr ja das Image von New Yorker Typen mit Tough Guy-Gehabe, was nicht jedem sympathisch war. Heute ist eure Musik mehr oder weniger die gleiche, doch mir scheint, eure Attitüde hat sich geändert.
Klar, wir sind heute nicht mehr Kids, die sich auf der Straße rumtreiben. Aber wir haben immer noch unsere Probleme, haben als Menschen unsere Fehler, versuchen, unsere Wut und unseren Ärger unter Kontrolle zu halten. Und deshalb klingt unsere Musik so angepisst. Es ist ja nicht so, dass wir plötzlich perfekt sind, unser Leben durchweg super ist. Wir müssen immer noch jeden Tag kämpfen, um unsere Familie ernähren zu können, aber heute ist das eben ein anderer Kampf als damals. Damals waren wir noch Kids und versuchten, von einem Tag auf den anderen über die die Runden zu kommen, und schlugen auch mal über die Stränge. Das Leben, das wir führten, als die erste Platte rauskam, den ganzen Tag in der Lower East Side herumhängen, Spaß zu haben, aber dabei doch immer auch in irgendeinen Scheiß verwickelt zu werden, das gehörte alles zusammen. Und klar macht keiner von uns heute noch irgendwelchen Scheiß wie damals mit 18 oder 19. Das macht doch keiner. Wir sind gewachsen, besser geworden, und so ist das auch mit unserer Musik. Und die, die unser Tun verfolgen, sind mit uns gewachsen. Was wir machen, ist immer noch wütende, ehrliche Musik.
Meine Erfahrung ist, dass man mit einigen Jahren Distanz auch mit Leuten klarkommt, von denen man das sich einst niemals vorstellen konnte.
Stimmt schon, bei manchen geht das, bei anderen löst sich das nie auf. Und es gab eben einige Leute, die uns damals schräg anschauten und irgendwelchen Mist über uns erzählten. Gut möglich, dass das einfach Fehleinschätzungen waren, anderseits waren wir ja nicht ohne Grund Arschlöcher. Zu Beginn verhielten wir uns eigentlich immer respektvoll, reagierten dann aber entsprechend, wenn uns nicht mit Respekt begegnet wurde. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir uns je grundlos rüde gegenüber jemandem aufgeführt haben. Aber wir hatten unsere Differenzen mit Leuten, die anders waren – die anders aufgewachsen waren, die einen anderen Lebensstil hatten. Und solche Leute treffe ich heute und die sagen mir, wie stolz sie sind, dass wir es so weit gebracht haben – und wir wissen genau, wie die einst über uns dachten, aber wir sehen denen das nach, weil wir sie verstehen können. Gut möglich, dass ich an deren Stelle damals genauso gedacht hätte. So ist das Leben, so ist das mit dem Erwachsenwerden.
Welche Rolle spielte bei all dem dein Bruder und wie der sein Leben auf die Reihe bekam? Ihr seid ja in der gleichen Rolle: Er ist der Kopf von AGNOSTIC FRONT, du von MADBALL.
Er ist mein Mentor und wird es immer sein. Er ist mein ältester Bruder, er hat mich in diese ganze Hardcore-Welt eingeführt. Ich habe in vielerlei Hinsicht viel von ihm gelernt. Wir sind aber in vielen Punkten auch sehr verschieden. Und unsere Bands sind verschieden, der Sound ist verschieden. Wir sind also in der gleichen Position, aber was wir tun, das unterscheidet sich. Ich finde das gut so, denn es hätte ja auch passieren können, dass wir uns nur zu einer Kopie von ihnen entwickelt hätten. Wir haben unsere eigene Marke, unseren eigenen Sound geschaffen. Aber natürlich habe ich viel von ihm gelernt, denn er ist eben mein ältester Bruder. Was immer er tut, er hat früher damit begonnen. In vielerlei Hinsicht habe ich mich also an ihm orientiert, ich habe viel von ihm gelernt. Anderes habe ich mir selbst erarbeitet. Und heute ist es sogar so, dass er auch mal mich um Rat fragt – da schließt sich dann der Kreis. Ich habe ja sogar schon eine AGNOSTIC FRONT-Platte produziert, das hätte ich mir früher nie träumen lassen. Das bedeutet mir wirklich viel, denn das zeigt, dass er meine Meinung respektiert und das, was ich tue. Ich würde aber nicht sagen, dass wir irgendwas identisch machen. Jeder hat seinen eigenen Stil, so wie auch bei der Musik unserer Bands. Wir haben jedoch die gleichen Wurzeln.
Du erwähntest vorhin den Dokumentarfilm „N.Y.H.C.“ Wie vertraut oder fremd ist dir der Freddy aus diesem Film?
Es ist seltsam, der Freddy da kommt mir wie eine ganz andere Person vor. Aber ich glaube, so geht es doch jedem, der so einen Film von sich sieht und sich fragt: Das war ich? Das fühlt sich an, als wäre das in einem früheren Leben gewesen. Das ist echt ein seltsames Gefühl. Und erst die Live-Aufnahmen von damals, da wirke ich so unbeholfen. Mann, ich war schrecklich, denke ich immer, wenn ich so was sehe, haha. Und an anderer Stelle sage ich mir, dass ich ja echt nicht besonders gut war – aber immerhin wütend, das sieht man. Aber so war ich eben, und dann sitze ich da, höre mir an, was ich für Ansagen gemacht habe, und frage mich, was ich da eigentlich geplappert habe, haha. Aber das gehört zum Lernprozess und Erwachsenwerden dazu.
Und wie ist es, wenn du heute Songtexte von damals singst?
Meine Texte waren damals viel primitiver. Texte zu schreiben hatte ich erst mit MADBALL gelernt. 1992 kam die EP „Droppin’ Many Suckers“ und Roger hatte die meisten der Texte geschrieben, ich veränderte sie nur hier und da etwas. Erst mit „Set It Off“ fing ich dann an, meine eigenen Texte zu schreiben, wobei Hoya den Text zu dem Song „Set it off“ geschrieben hat. Auch das war ein Lernprozess und ich schaue mir die heute bisweilen an und denke mir, das wäre auch viel besser gegangen. Aber: Das Gefühl, um das es mir ging, das ist bei allen da, die Story kommt rüber. Denn auch wenn die Texte nicht die ausgeklügeltsten sein mögen, sind sie ehrlich. Und die Message kommt rüber. Und das ist bei Musik wichtig. Klar ist es auch wichtig, dass alles möglichst smart ist bei deinen Songs, aber in erster Linie müssen sie glaubwürdig sein. Wenn es aufgesetzt wirkt, wenn es dich unberührt lässt, ist es eigentlich nichts wert. Hätte ich damals besser schreiben sollen? Klar. Schreibe ich heute besser? Sicher. Aber meine Geschichten waren echt und authentisch. Und sie entstanden aus einer anderen Sichtweise als meine Texte heute, sie entstanden in einem anderen Alter, in einer anderen Lebensphase.
Dann lass uns doch über ein paar Texte des neuen Albums reden. Fangen wir an mit „The fog“, bei dem auch Tim Armstrong singt, der ja an der Produktion des Albums beteiligt war. Es wirkt auf mich wie ein starkes Anti-Kriegs-Statement.
Der Song wendet sich gegen vieles. Der erste Eindruck ist aber wohl, dass es nur um Krieg geht. „They got the bombers / A bullet can’t save you“, singe ich da, aber hinter dem Texten steckt mehr, es geht um die Mächtigen, um die, die das Geld haben, und jene, die alles kontrollieren. Und ich singe: All eure Bomber und Kugeln werden euch nicht retten können. Es geht aber auch darum, dass die gesamte Welt sich ja immer in einem Kriegszustand befindet, und dass immer die Jugend, die normalen Leute unter dem Krieg leiden – nicht die Kinder der Reichen. Die Kinder aus der Arbeiterklasse sterben in diesen Kriegen, und meist kämpfen sie aus ehrenwerten Gründen, weil sie Patrioten sein wollen und für eine gute Sache kämpfen wollen. Das kann jeder von uns nachvollziehen, jeder will schützen, was ihm heilig ist. Aber letztlich kämpft man nicht für die Sache, sondern für das Geld von anderen. Aber die, die finanzielles Interesse an so einem Krieg haben, drehen es immer so, als ginge es darum, sich und die seinen und sein Heim zu beschützen. Und dafür sind Menschen bereit, alles zu tun, ich bin da nicht anders. Die benutzen dich also nur als Werkzeug und lassen dich für ihre finanziellen Interessen kämpfen. Ich habe diesen Text geschrieben, obwohl ich mich nicht als besonders politischen Menschen bezeichnen würde. Aber ich sehe viel von der Welt, reise viel, bekomme viel mit – und dann werde ich wütend, umso mehr, als ich jetzt selbst Kinder habe. Es macht mich wütend mitansehen zu müssen, wie sich Jahr um Jahr, Jahrzehnt um Jahrzehnt das „Spiel“ wiederholt, dass junge Menschen in den Tod geschickt werden. Ich habe selbst Freunde, die Veteranen sind, die im Krieg waren. Ich bin nicht unpatriotisch, ich wende mich in diesem Lied nicht gegen mein Land, aber ich verspüre diese Abscheu vor den Mächtigen, vor dem System. Solche Themen ziehen sich durch das gesamte Album. Und was Tim betrifft, so ist „The fog“ auch sein Thema, denn sein Bruder ist Veteran, hat in verschiedenen Kriegen gekämpft. Eine weitere Zeile in dem Lied lautet „America we stood so silent“, und da stelle ich die Frage, wieso wir als Bürger dieses Landes erlauben, dass uns solche Leute regieren, wie es aktuell der Fall ist. Wie können wir das geschehen lassen? „The fog“, um auf deine Frage zurückzukommen, ist nicht nur ein Anti-Kriegs-Song, sondern er stellt viele wichtige Fragen. Auf den ersten Blick ist er simpel, aber er geht sehr tief – aber das kann wohl nur ich so genau erklären, weil ich ihn ja geschrieben habe.
Du lebst in Florida, wo vor einigen Wochen bei einer weiteren Schießerei an einer Schule zahlreiche Kinder und Jugendlich getötet wurden. Wie erwischt einen das, wenn es in so unmittelbarer Nähe geschieht?
Ja, das ereignete sich relativ nahe bei uns, und ich habe seit Jahren das Gefühl, dass solche Ereignisse immer näher kommen. 9/11 – da war ich in der Stadt, meine spätere Frau und ich sahen die Türme einstürzen. Mir wurde klar, dass solche Ereignisse sich wiederholen werden, dass so was „normal“ werden wird. Und jetzt eben diese Schießerei an der Schule ein paar Orte weiter, oder neulich die Schießerei auf dem Flughafen, von dem ich immer abfliege. Solche Art von Gewalt hat zugenommen, dieses bösartige Umbringen unschuldiger Menschen ist „normal“ geworden, und darum geht es in dem Song „Evil ways“, zu dem ich ganz konkret von dem School Shooting in Parkland inspiriert wurde, und Ice-T brachte dann noch seine Idee mit ein. Irgendeine Erklärung gibt es hinterher dann immer – irgendwer wurde gemobbt oder was weiß ich, aber mich lässt so was trotzdem jedes Mal ratlos zurück. Das macht mich krank. Klar, ich komme von der Straße, ich kenne Gewalt, aber das heißt nicht, dass ich Gewalt mag. Fehlende Intelligenz, schlechtes Elternhaus, Uninformiertheit – sie dürfen keine Ursache sein für solche Ereignisse.
Hast du auch mal den Drang verspürt, dich über das Schreiben von Texten und Ansagen von einer Bühne hinaus für oder gegen etwas einzusetzen, etwa in dem Ort, in dem du lebst?
Bislang nicht, aber ich lehne das auch nicht grundsätzlich ab. Meine Motivation wäre dann wohl mein Beschützerinstinkt. Und mein „Handwerk“ ist die Musik. Also ist für einen Kerl wie mich das typische Vorgehen, dass ich darüber rede, was mich beschäftigt, und es kommt oft vor, dass Leute sich dann damit identifizieren können. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, mich auch konkret für etwas einzusetzen, wenn das zeitlich passt und das Ziel und die Organisation ebenfalls.
Hast du neben der Band noch eine „normale“ Arbeit? Dein Bruder arbeitet als Elektriker.
Die Band und meine Familie nehmen meine gesamte Zeit in Anspruch. Wenn ich also nicht mit der Musik beschäftigt bin, kümmere ich mich um meine Kids. Wir sind eigentlich, von unserem Hintergrund mal abgesehen, eine recht traditionelle Familie. Zum Glück läuft es für mich mit der Band so gut, dass wir damit über die Runden kommen können. In letzter Zeit musste ich mir also keinen „normalen“ Job für zwischendurch suchen, im Gegensatz zu früher, aber wenn es mal wieder anders kommen sollte, dann packe ich eben an. Früher habe ich ja auch alle Arten von Jobs gemacht. Und abgesehen von der Band habe ich ja auch meine Produktionsfirma BNB und kümmere mich um das Management. Und ich habe ja auch noch andere Musikprojekte.
Was ist musikalisch neu und anders an „For The Cause“, was wie immer?
Mit jedem Album entwickeln wir uns ein bisschen weiter, Kleinigkeiten ändern sich, aber letztlich klingt jedes erkennbar nach MADBALL. Das neue Album nun halte ich für unser bislang abwechslungsreichstes, wenn ich es mal mit allen unseren Platten vergleiche. Wir haben das absichtlich gemacht, aber uns nicht dazu zwingen lassen – es ist einfach so geworden.
Welchen Einfluss hatte Tim Armstrong als Produzent darauf?
In Sachen Songwriting keinen, daran war er nicht beteiligt. Dass das Album so abwechslungsreich wurde, war auch nicht seine „Vision“ oder so, ohne damit seine Arbeit als Produzent geringschätzen zu wollen. Nein, Mike, Hoya und ich hatten diese Vorstellung, das Album so abwechslungsreich zu machen. Es sollte weiterhin nach uns klingen, aber auch ein paar Schritte weiter gehen in Bereiche, in denen wir uns wohl fühlen. Und das ist uns auch gelungen, finde ich. Tim unterstützte diese Idee. Er mochte unsere neuen Songs von Anfang an, und das wollten wir von ihm hören, danach wussten wir, dass er die richtige Wahl war. Wir wussten, er hatte kapiert, was und wohin wir wollten – das ist bei einem Produzenten enorm wichtig. Er ließ uns dann einfach machen, und nur hier und da hatte er dann einen Vorschlag. Aber wie gesagt, mit dem Songwriting hatte er nichts zu tun, nur bei „For you“ half er mir mit dem Refrain.
Um wen geht es in dem recht ruhigen „For you“?
Der erste Vers ist über Hoyas verstorbene Frau, die Mutter seines Sohnes. Es ist eine echt traurige Geschichte, sie starb, da war der Junge erst ein Jahr alt. Jetzt ist er acht oder neun. Als ich die Musik für den Song hörte, kam dieser Text dabei heraus – ein paar Zeilen für Hoya und Sue. In der zweiten Strophe geht es dann eher allgemein um verstorbene Freunde, viele von uns haben schon in jungen Jahren Freunde verloren, wegen Drogen und so weiter – Straßenkram eben. Denn egal, wie viel Zeit auch vergeht, dich lässt so was nicht los, und jeder, der selbst so eine Erfahrung gemacht hat, kann das nachvollziehen.
Mir gefällt das Reggae-Intro von „Confessions“.
Das ist von Hoya und mir, und wir hatten sogar noch ein paar mehr Ideen in dieser Art, aber wir hatten dann zu wenig Zeit, um daran noch zu arbeiten. Wir hatten die Idee, insgesamt mehr Einsprengsel aus anderen Genres einzubauen – wir kennen da einen Typen, der ist MADBALL-Fan und Country-Sänger und der nahm was mit uns auf, aber letztlich schaffte es das nicht aufs Album. Die Idee war zu zeigen, dass wir natürlich eine Hardcore-Band sind, aber auch andere Genres mögen. Ich wuchs auch mit Reggae auf. Na ja, letztlich schaffte es nur dieses Reggae-Interlude auf die Platte.
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