LAST DAYS OF APRIL

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Traurig sein macht Spaß

Der Titel des neuen Albums von LAST DAYS OF APRIL klingt ziemlich niederschmetternd. „Even The Good Days Are Bad“ heißt das zehnte Studioalbum der Indierocker aus Stockholm. Dabei sind fast alle der insgesamt acht Songs schon vor dem Ausbruch der weltweiten Pandemie entstanden. Bandkopf und Songwriter Karl Larsson badet wie gewohnt in Schwermut und Melancholie, allerdings nicht ohne auf ein Augenzwinkern zu verzichten. Denn eigentlich geht es ihm viel besser, als es Songs wie „Alone“ oder „Hopeless“ vermuten lassen.

Der Name des Album klingt ja ganz schön traurig. Sogar die schönen Tage sind schlimm. Was steckt dahinter?

Das klingt natürlich sehr finster, aber es ist auch ein sehr schöner Name. Ich mag ihn einfach. So heißt nicht nur das Album, sondern auch der Titelsong, den habe ich geschrieben, als es mir nicht so gut ging. Weil mir der Song aber sehr gut gefällt, dachte ich mir, es wäre auch ein großartiger Albumtitel. Dieser Song bestimmt auch insgesamt den Vibe auf dem Album. Die sind aus der Perspektive einer Person geschrieben, die ziemlich hoffnungslos ist. Das letzte Jahr war für ziemlich viele Menschen sehr frustrierend. Obwohl ich die meisten Songs schon 2019 geschrieben habe, passen sie perfekt in die Gegenwart. Mir selbst geht es aber gut, keine Angst. Es kann durchaus therapeutische Wirkung haben, Songs zu schreiben, in denen man strauchelt. Das kann man sich gut von der Seele schreiben.

Warum ging es dir vor der Pandemie nicht so gut?
Es war vielleicht nicht ganz so hoffnungslos, wie es auf den ersten Moment wirkt. Also nicht hoffnungslos im Sinne von Weltuntergang, dass alles den Bach runtergeht. Ich habe keine tödliche Krankheit. Eher hoffnungslos im Sinne von: Mist, ich habe das Essen anbrennen lassen und den Wein verschüttet. Also eher hoffnungslos für jemanden, der ziemlich viel Glück hat. Wenn man auf charmante Art Pech hat. Ich traue mich gar nicht, zu sagen, mir würde es schlecht gehen. Ich habe ein Haus, zwei wundervolle Kinder und eine tolle Frau. Ich bin sehr glücklich im Moment. Aber manchmal habe ich eben auch Durchhänger. Natürlich vermisse ich meine Freunde und mit der Band unterwegs zu sein. Irgendwie das Leben. 2020 war ein ganz schön hartes Jahr.

Auf dem Album sind nicht nur neue Songs, sondern auch Stücke, die schon vor zwanzig Jahren entstanden sind. Wie kommt das?
Immer wenn ich eine Idee für einen Song habe, dann zeichne ich die mit meinem Smartphone auf. Das sind manchmal nur Fragmente, Refrains oder kleine Melodien. Da kommen im Laufe der Jahre ganz schön viele kleine Memos zusammen. Als ich den Titelsong „Even the good days are bad“ geschrieben hatte, mochte ich ihn wirklich sehr und habe auf meinem Handy nach Songteilen gesucht, die gut dazu passen. Und da bin ich auf ein paar Ideen aus der Zeit kurz vor dem Album „If You Lose It“ von 2003 gestoßen. Daraus wurde zum Beispiel das Riff für die erste Single „Run run run“. Diesen Part habe bisher nie verwenden können, jetzt hat er gut gepasst. Ich habe nur noch eine Gesangsmelodie ergänzt und der Song war fertig. Einige Elemente auf dem neuen Album sind also schon ziemlich alt, wurden aber erst jetzt zu fertigen Songs.

Du hast das Album mit deinen Kollegen Rikard Lidhamn und Magnus Olsson binnen zwei Tagen aufgenommen. Das lief offenbar wie am Schnürchen.
Wir haben nur Gitarre, Bass und Schlagzeug aufgenommen. Also die Basics. Die haben wir zu dritt live im Studio eingespielt. Dann habe ich mich in meinem Heimstudio hingesetzt, die Vocals eingesungen und Overdubs eingefügt. Ziemlich viele Overdubs, haha. Ich tendiere dazu, mich darin zu verlieren. Deshalb hat das natürlich viel länger gedauert als die zwei Tage im Studio. Ich arbeite ab und zu als Sound-Engineer, zum Beispiel beim letzten HIVES-Album. Deshalb kann ich viel selbst machen. Wir brauchen keinen Produzenten, wir lassen die Songs einfach laufen. Gemischt hat sie mein guter Freund Frans Hägglund, der schon für IMPERIAL STATE ELECTRIC oder GRANDE ROSES gearbeitet hat. Ihm muss ich nicht lange erklären, wie es klingen soll. Diesmal waren wir aber nicht in seinem Riddarborgen Studio, sondern haben uns im Gröndahl Studio eingemietet.

Im Vergleich zum letzten Album „Sea Of Clouds“ klingt das neue nicht ganz so amerikanisch. Die Pedal Steel-Gitarre ist komplett verschwunden. Was war der Plan?
Ich wollte ein ähnliches Album machen wie „79“. Das ist immer noch mein Favorit. Da wollten wir eigentlich hin, aber wir haben es nicht ganz geschafft. Ich denke, wir sind eher bei „Gooey“ gelandet. „79“ hat eine ganz besondere Atmosphäre. Wir waren 2012 ziemlich locker drauf und haben das Album in unserem Proberaum aufgenommen. Wir haben nur ein paar Mikrofone aufgestellt und einfach mal geschaut, wo wir landen. Zum Zeitpunkt der Aufnahmen existierten nur ein paar grobe Ideen und ich finde, das Ergebnis ist ziemlich gut geworden. So wollte ich es wieder machen, aber richtig aufgegangen ist der Plan nicht. Mir ging es irgendwann ein bisschen wie Brian Wilson von den BEACH BOYS. Ich habe im Nachhinein immer wieder Dinge hinzugefügt und gelöscht, ich konnte einfach nicht aufhören und war irgendwann total lost. Aber ich mag das neue Album trotzdem.

Mein persönlicher Favorit ist der Song „Alone“. Hat der eine besondere Geschichte?
Das ist der Song, der als Letzter fertig wurde. Den Text dazu habe ich zu Beginn der Pandemie geschrieben. Aus der Perspektive eines ziemlich einsamen Menschen, der jeden Tag zur Arbeit geht, wieder nach Hause kommt und keiner ist da. Der Job ist scheiße, es gibt keine Familie, Einsamkeit macht sich breit. Wenn man sich die alten Texte von Punk- oder Hardcore-Platten anhört, dann gibt es diese direkte, ehrliche Art im Ausdruck. Man sagt ziemlich unverblümt, was man sagen will. Genau so wollte ich mich auch ausdrücken. Man könnte die Texte von „Even The Good Days Are Bad“ auch gut zu schnellen Punk-Songs singen. Jeder kann deine Texte über Unglück und Trauer nachsingen, ohne niedergeschlagen zu sein. Und man kann zum Sänger schnell eine Verbindung aufbauen. Mit solchen Texten kann man sich bestens Erleichterung verschaffen, finde ich. Viele Emo-Bands machen sehr langsame, betrübliche Songs, das habe ich auch lange gemacht. Jetzt finde ich es besser, auf punkige Art betrüblich zu sein. So kann es richtig Spaß machen, obwohl die Texte sehr traurig sind.

Und worum geht’s inhaltlich in der ersten Single „Run run run“?
Das ist der älteste Track auf dem Album. Da hatte ich ein Bild von einem Menschen im Kopf, der in den frühen Morgenstunden nach Hause läuft. In den Straßen ist es mucksmäuschenstill, alle Menschen schlafen schon, die Nacht ist fast vorbei und plötzlich trifft er einen alten Kumpel. Ein Freund, den er schon lange nicht mehr gesehen hat. Mit ihm will er dann einfach nur abhauen, egal wohin. Eintauchen in alte Zeiten, in denen alles super war.

Lebst du eigentlich immer noch in der Kleinstadt Sigtuna vor den Toren von Stockholm?
Genau. Wir sind vor acht Jahren hierher gezogen. Vorher haben wir zehn Jahre lang in Stockholm gelebt. Hier hatte ich neben der Musik auch noch einen anderen Job. Durch die Pandemie habe ich den aber gerade erst verloren. Ich fuhr am Flughafen von Stockholm einen dieser Gepäckwagen, der die Koffer vom Terminal zum Flugzeug und zurück bringt. Weil aber gerade niemand fliegt, haben sie uns alle entlassen. Ich denke allerdings, dass es da weitergeht, wenn der reguläre Flugbetrieb wieder aufgenommen wird.

Wie bist du während der Pandemie finanziell zurechtgekommen?
Wie viele andere in Schweden auch habe ich Arbeitslosengeld bekommen. Das sind etwa 80% von unserem regulären Einkommen. Außerdem habe ich als Künstler einen Teil meiner entgangenen Einnahmen erstattet bekommen. Wir kommen also gut klar. Die meiste Zeit verbringe ich momentan damit, Musik zu machen oder mich mit meiner Familie zu beschäftigen.

Was hast du für den Rest des Jahres geplant?
Es ist gerade schwer, das Album mit Konzerten zu promoten. Jemand hat mir geraten, das Album noch zurückzuhalten, bis die Pandemie vorbei ist. Dann sind die Songs aber wahrscheinlich schon drei Jahre alt. Ich hätte lieber ein weiteres Album geschrieben, als mit dem Release noch länger zu warten. Ich selbst höre derzeit so viel Musik wie noch nie, weil ich einfach unheimlich viel Zeit zu Hause verbringe. Ich will nicht länger warten, und sobald es möglich ist, will ich auch wieder Konzerte spielen. Aktuell bucht unsere Booking-Agentur Konzerte in Deutschland für April 2022. Das bedeutet noch ein ganzes Jahr warten. Fuck, das ist ganz schön hart!