Die KAFKAS kommen aus Fulda, wissen, wo in Sachen Tierrecht der Hammer hängt und sind zudem noch eine äusserst nette Band, die mittlerweile ihr drittes, reguläres Album mit dem schönen Namen "Sklavenautomat" veröffentlicht hat. Wie alle Outputs erschien auch dieser auf dem bandeigenen Label "Domcore" (Fulda soll ja ein ganz heisses Katholikenpflaster sein...), welches früher mal den Namen "Kulturschock" trug. Umgetauft wurde es, um so ein bisschen den Deutschpunk-Stallgeruch abzuschütteln, da die Jungs schon auf einer Ebene mit vermeindlichen Aushängeschildern für Mitdenkpunk wie ...BUT ALIVE oder TAGTRAUM anzusiedeln sind. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis Bandsprachrohr, Sänger und Texter Markus-Gabi Kafka zum Smalltalk geladen wurde. Das nette Gespräch fand im Gleis 22 in Münster statt, und bevor die erste Frage fiel, hatte der junge Mann schon was zu sagen...
"Bin mal gespannt, was dabei rauskommt... Jemand von der örtlichen Zeitung hat die Tage auch ein Interview mit uns gemacht und hat dann in der Stadtzeitung einen Artikel geschrieben, wo alles nur interpretiert wurde. Da standen Sachen, die ich nie gesagt habe, und hinterher kam ich mir selbst wie ein Arsch vor, als ich das gelesen habe."
Na, das kann beim Ox ja nicht passieren... Gehört ihr mittlerweile - zusammen mit z.B. TAGTRAUM - zur Speerspitze des intelligenten, deutschsprachigen Punkrocks?
"Nö, meinst du etwa? Ich glaube die Speerspitze gibt´s gar nicht. Es gibt da so viele Bands, da geht sowas nicht."
Viele Leute sagen und schreiben, dass ihr sehr nahe am typischen Vitaminepillensound dran seid, an TAGTRAUM, PSYCHO GAMBOLA, W$K. Trotz allen Respekts für diese Bands scheint ihr das nicht so zu sehen.
"Es kommt öfters vor, dass Leute das sagen, aber ich finde nicht, dass wir irgendwie zu einer "Vitaband" werden. Ich finde, dass unsere Musik und unsere Texte etwas subversiver sind, unsere ganze Herangehensweise ist halt anders. Mit den WOHLSTANDSKINDERN werden wir auch sehr oft verglichen, obwohl ich da nicht viele Parallelen erkennen kann, ausser dass die euch deutsche Texte machen. Wir können das nicht nachvollziehen."
Im Gegensatz zu oben genannten Vitabands freut ihr euch auch keineswegs über das junge Publikum auf euren Gigs, die halt auch mal Autogramme wollen.
"Wir machen nicht Musik um Frauen abzuschleppen oder angehimmelt zu werden und Autogramme zu geben. Als wir früher mit dieser poppigen Musik angefangen haben, kamen einige Leute mit Autogrammwünschen und so an. Das ist auch eine recht kurzlebige Sache: Die Leute kommen zu dir auf`s Konzert und feiern dich ab, finden dich dann ein halbes Jahr geil und hoffen, dass du irgendwie den Durchbruch schaffst. Wenn das dann nicht eintritt, haben die dich ganz schnell vergessen. Bei dem Publikum, das dich so anhimmelt, ist das meistens nur eine Phase, du bist halt nur ´ne "Phasen-Band" für die. Die Zielgruppe ist das bestimmt nicht für uns, obwohl wir natürlich keine bestimmte Zielgruppe haben. Wir wollen Leute erreichen, die sich selbst einen Kopf machen und eine Meinung haben, da ist es uns dann scheissegal, ob der sich nun den ganzen Tag Hardcore oder Jazz reinzieht. Solche Leute bleiben dann auch länger als nur ein halbes Jahr dabei."
Aber aus eurer poppigen Anfangszeit habt ihr auch noch diverse "Fanclubs".
"Das sind ja keine richtigen Fanclubs! Das sind zwei, drei Leute die sich seit Ewigkeiten auf unseren Konzerten rumgetrieben haben und die haben hinterher so Zettel kopiert, wo sie zu jedem Song ein wenig dazu schreiben. Die haben versucht etwas aus der Musik für sich herauszuziehen. Irgendwann haben sie angerufen und gefragt, ob sie so ´nen Fanclub auf die Beine stellen dürfen, und da haben wir sofort gesagt, dass wir das eigentlich ziemlich blöd finden, aber ich wäre mir eher wie ein Rockstar vorgekommen, wenn ich sowas ablehnen würde. Die nennen sich auch gar nicht Fanclub und beschäftigen sich intensiv mit den Texten, und das ist ja der Grund, warum ich Musik mache."
Fühlt ihr euch dann oft in diesem Deutschpunk-Kontext missverstanden?
"Wir fühlen uns prinzipiell immer missverstanden. Wir sind ja in diesem Sinne keine Deutschpunkband. Wir selbst als Personen passen da ja gar nicht rein, wir haben keinen Raucher und nur zwei Leute, die Alkohol trinken, in der Band, und ich glaube, wir spielen auch nicht dieses Uffta-Uffta-Ding. Es passiert halt automatisch, dass du, wenn du deutsche Texte hast, für eine Deutschpunkband gehalten wirst, dagegen können wir nichts machen und mir ist es mittlerweile schon ziemlich egal. Hauptsache, die denken nicht, dass wir SCHLEIM-KEIM oder so nachmachen wollen. Sowas wie "Scheiss Staat" oder andere dufte Deutschpunkslogans darf man von uns nicht erwarten."
Ihr benutzt also die Musik, um eure Message rüberzubringen.
"Ich kann jetzt natürlich nur von mir sprechen, da ich ja die Texte mache. Sie erfüllen meiner Meinung nach verschiedene Aufgaben: Sie sollen den Leuten, die so ähnlich denken, wie ich eine Art Stütze sein. Sie sollen sehen, dass sie da nicht alleine stehen. Ich höre mir zu Hause ja auch bestimmte Bands an, aus deren Texten ich etwas Positives für mich rausziehen kann. Das gibt mir auch etwas. Andererseits benutze ich die Texte, um Frust rauszulassen und zu sagen, was mir am Herzen liegt, und man will damit natürlich auch Leute erreichen, die damit nicht viel am Hut haben."
Mal ehrlich: Betreibt ihr euer Label aus purem Idealismus oder gab´s einfach noch keine Angebote?
"Angebote gab es definitiv genug. Ich kann auch nicht versprechen, dass die KAFKAS in zehn Jahren immer noch alles selbst machen, da mir die Labelarbeit mittlerweile selbst über den Kopf wächst, weil die meiste Arbeit dann doch immer an mir hängen bleibt. Ich sitze momentan den ganzen Tag am Computer und am Telefon und weiss echt nicht, wie ich das in Zukunft weitermachen kann, denn von irgendwas muss man ja leben. Die Band ist mittlerweile echt kein Hobby mehr. Selbst eine kleine Pissband wie die KAFKAS macht richtig Arbeit! Was die Angebote betrifft, so haben wir da unsere eigenen Ansichten und ich sehe in Deutschland kein Label, das diese Ansichten hat oder rüberbringt. Gerade wenn man mit der Musik erst anfängt, halte ich es für sehr wichtig sich sein eigenes, kleines Label aufzubauen und ein paar Leute aus der Ecke kennenzulernen, damit man sieht, wie das da abläuft. Musik ist immer Geschäft, auch diese ganze Punkrock- und Hardcoreszene. Deswegen haben wir uns für diesen Weg entschieden, anstatt blöd unsere Demotapes rumzuschicken. Mir fällt wirklich kein Label ein, wo ich sagen würde "Das ist absolut klasse". Das fängt doch schon bei der Werbung an: Ich hätte zum Beispiel keinen Bock auf einen Text wie "Nach dem Split von ...BUT ALIVE kommen jetzt die KAFKAS, alle BOXHAMSTERS-Fans zieht euch warm an!", aber sowas kann dir ganz schnell passieren. Mittlerweile kommen aber auch immer wieder Konzertbesucher an von wegen "Ey, ihr seid doch ´ne D.I.Y.-Punkband. Warum nehmt ihr heute Eintritt? Warum wollt ihr Geld für eure Platten?" Das sind meistens Leute, die den ganzen Tag ihrer gutbezahlten Arbeit nachgehen, und ich habe im Moment kein Einkommen, sondern habe nur die Band und sowas nervt dann, weil diese Leute selbst nichts für die Szene tun. Selbst wenn wir umsonst spielen und unsere Platten verschenken würden, hätten die rumzumeckern, dass wir zu wenig Bier da hinstellen."
Ihr habt auch so ein bisschen den Computer als neues Medium entdeckt; du sagtest auf jeden Fall, dass du am liebsten Interviews nur noch per E-Mail machst.
"Das macht halt richtig Spass. Es kommt natürlich auf die richtigen Fragen an, denn wenn mich jemand fragt, was mein Lieblingsgetränk ist, brauche ich kein E-Mail-Interview. Es gibt aber auch Fragen, die man nicht immer sofort versteht und nicht einfach so runterreissen will, und da ist es natürlich besser vor dem Computer ein bisschen zu überlegen. Am Anfang war ich sehr skeptisch, aber das ist halb so wild."
Es ging ja nicht nur um Interviews, sondern gerade politisch motivierte Bands benutzen ja gerne das Internet um der Musikindustrie an den Karren zu pissen.
"Das wird sich noch zeigen. Ich halte es im Moment für eine gute Gelegenheit für kleine Bands und Labels überall ereichbar zu sein. Für politische Arbeit ist das ein nettes Hilfsmittel, aber wir sind auf keinen Fall irgendwelche Computerfreaks, sondern machen nur die notwendigen, buchführerischen Arbeiten damit."
Was ist eigentlich ein "Sklavenautomat" genau?
"Unser System. Das ist eine Anspielung auf die Ausbeutung von Tieren. Tiere haben noch weniger Rechte und Möglichkeiten sich frei zu entfalten wie wir. Sie sollen nur leben um unsere Bedürfnisse zu erfüllen, ein Huhn oder ein Schwein ist ja mittlerweile nur noch ein Gegenstand."
Habt ihr als sehr engaierte Band manchmal Probleme mit Leuten, die euch als "P.C.-Kasper" beschimpfen?
"Es gibt ein paar die sind schon angekotzt, wenn man reinkommt und sagt, dass man kein Fleisch isst. Findest du, dass wir eine Zeigefingerband sind?"
Auf Platte jedenfalls nicht. Es gibt aber Bands, die vor jedem Song auf der Bühne eine Hetzrede halten...
"Das ist ja schon was anderes. Ich kenne nur eine Band, die das gut macht, und das ist PROPAGHANDI. Bei denen fand ich das total ok. Manche Bands übertreiben es einfach. Jeder, der mal versucht hat einen Text zu schreiben und dabei in drei Minuten auf ein Problem hinzuweisen, sitzt da ewig dran, und dann will mir einer erzählen, er könnte sich auf die Bühne stellen und in zwanzig Sekunden ein Thema ordentlich rüberbringen. Das finde überhaupt nicht passend. Wir vermeiden solche Sachen."
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #81 Dezember 2008/Januar 2009 und H.C. Roth
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #115 August/September 2014 und H.C. Roth
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #89 April/Mai 2010 und H.C. Roth
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #45 Dezember 2001/Januar/Februar 2002 und André Bohnensack
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #46 März/April/Mai 2002 und H.C. Roth
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #170 Oktober/November 2023 und Wolfram Hanke
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #32 III 1998 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #37 IV 1999 und Torsten Felter
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #133 August/September 2017 und H.C. Roth
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #57 November 2004/Januar/Februar 2005 und H.C. Roth