Jon Savage

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Der Punk-Erklärer

Jon Savage, Jahrgang 1953, war bereits Mitte zwanzig, als es in den Siebzigern mit Punk losging. Er schrieb damals für die Musikmagazine Sounds und NME, was ihn zu einem der wenigen Journalisten macht, die Punk sowohl als Fan als auch aus einer professionellen Perspektive erlebten und begleiteten. 1991 erschien „England’s Dreaming: Sex Pistols and Punk Rock“, (s)eine umfassende Geschichte des Aufstiegs und Falls der SEX PISTOLS und deren Nachwirkungen, deren deutsche Fassung kürzlich neu aufgelegt wurde – ein Buch, das als Standardwerk zum Verständnis von Punk gilt. Zum vierzigsten Geburtstag von Punk (wenn man dessen Londoner Variante zugrunde legt) sprach ich mit dem meinungsfreudigen Engländer, der mit „1966: The Year the Decade Exploded“ gerade ein neues Buch über ein Jahr geschrieben hat, das als ähnlich wichtig für die Gegenkultur gilt wie 1976.

Ende 1977 erklärten manche, inklusive dir, Punk für tot. Fast vierzig Jahre später reden wir über ... Punk. Was ist geschehen?

Punk war eine ziemliche großartige Sache damals, warum sollte man also nicht nach so vielen Jahren noch darüber reden? Mir war damals auf jeden Fall schon klar, dass Punk wichtig ist. Und mir ist lieber, die Leute reden darüber als über SUPERTRAMP. Mir ist es egal, ob Menschen über Disco reden oder über ABBA, aber ich bin froh, dass die Leute auch über Punkrock reden.

Wirklich tot kann Punk nicht sein, wenn sich heute noch Menschen beiderlei Geschlechts Anfang zwanzig dafür interessieren.

Gerade im Fall junger Frauen finde ich das fantastisch, ja, generell freue ich mich über jeden, der auf Punk steht und nicht dem Klischee des durchschnittlichen weißen jungen Mannes entspricht: schwule Kids, junge Flüchtlinge – Außenseiter. Denn genau darum ging es bei Punk ursprünglich: Punk war für die, die nicht „normal“ waren. Für die Marginalisierten, die Outcasts. Und wer sich so fühlte, für den war es eine sehr starke Erfahrung, Menschen zu treffen wie man selbst. Daraus zog der frühe Punk seine Stärke. Die Probleme begannen, als Punk dann immer angesagter wurde und immer mehr normale Rockmusik-Fans dazukamen. Da wurde aus dem ursprünglichen Punkrock dann etwas anderes. Die ursprüngliche Punk-Idee, dass Punk etwas für Außenseiter und Freaks ist, ist aber immer noch sehr stark.

Der Londoner Bürgermeister und Internatszögling Boris Johnson als Schirmherr der „offiziellen“ Feierlichkeiten der Stadt zu Ehren von vierzig Jahren Punk ist nicht gerade ein Außenseiter und Freak ...

Moment, das ist alles großer Quatsch, der hat damit gar nichts zu tun! Letzten Endes musste von seinem Büro ein Stempel auf die ganze Sache drauf, das ist alles. Von offizieller Seite wurde in London erkannt, dass es ja Sinn machen könnte, die geplanten Veranstaltungen zu dem Anlass zu bündeln, und damit dafür öffentliche Gelder fließen können, musste das eben von oben offiziell abgesegnet werden, das ist alles. Das heißt nicht, dass Boris Johnson persönlich involviert ist oder überhaupt ein Interesse an Punk hat – und Punk hat auch an ihm kein Interesse. Ich habe also kein Problem mit der ganzen Veranstaltung. Und nein, ich kann Boris Johnson überhaupt nicht leiden, ich halte ihn für ein Arschloch. Ich finde es gut, wenn sich Menschen die Mühe machen, nach vierzig Jahren Punk etwas Anerkennung angedeihen zu lassen. Wir reden von der Erinnerung an ein historisches Ereignis, und zudem speziell von Punk in London. Das muss man wissen. Es gab damals Punk in New York, Punk in San Francisco, in Los Angeles, in Paris, in Manchester ... Gerade in Großbritannien allerdings wird Punk immer auf London reduziert. Aber schon 1977 war mir klar, dass Punk auch anderswo stattfindet, und so schrieb ich über Punk in Liverpool, in Newcastle, in San Francisco, in Los Angeles – gerade der Westcoast-Punk war mir wichtig, ich fand den grandios. In London also wird jetzt der einflussreiche Londoner Punk gefeiert, der aber nur eine Version von vielen war. Wenn man sich dessen bewusst ist, ist alles okay. Es geht eben nicht darum, was Punk heute ist, sondern nur darum, wie er damals in London war.

Joe Corré, der Sohn des ehemaligen SEX-PISTOLS-Managers Malcom McLaren und von Vivienne Westwood, kündigte im März an, aus Protest gegen diese Feiern Punk-Memorabilien im Wert von geschätzten fünf Millionen Pfund aus dem Nachlass seines Vaters verbrennen zu wollen.

Ich wurde natürlich schon von den britischen Medien gebeten, das zu kommentieren, aber ich lehnte es ab. Ich kann ja nicht über Joe Corrés Motive spekulieren, aber schätze, dass er sehr gute Argumente für diese Ankündigung hat, resultierend aus der Beziehung zu seinem Vater. Was mich stört, ist der Schluss, den die Medien aus dieser Ankündigung ziehen: Dass dieser Akt der Zerstörung die einzige mögliche Antwort auf die Historisierung von Punk sein soll. Aber das ist absoluter Schwachsinn! Punk, London-Punk ist vierzig Jahre alt, und er ist ein legitimer Gegenstand akademischer historischer Forschung. Warum muss man sich darüber also aufregen? Regt sich irgendwer darüber auf, dass über den Existenzialismus geforscht wird? Allerdings finde ich den Aspekt, dass sich Menschen über diesen Aspekt aufregen, sehr interessant. Ich bekam eine Mail von ein Redakteur der Financial Times mit der Anfrage, ob ich einen eher skeptischen Artikel über vierzig Jahre Punk schreiben könne. Ich antwortete, ich sei nicht im Geringsten skeptisch, was das Thema anbelange, sondern fände das alles großartig, was auch das Problem sei. Punk ist jetzt eben alt und Teil der Geschichte. Und sich da jetzt über irgendwas aufzuregen, ist kindisch. Es setzt sich fort, was schon immer der Fall war: die Mainstream-Medien schreiben jede Menge Mist über Punk. Für viele scheint das so eine Art Prüfstein ihrer Authentizität zu sein, oder ihres Machismus. Beides ist töricht, denn Punk war weder „authentisch“, noch hatte er etwas mit Machismus zu tun.

Möglicherweise hat das ja was mit dem Image von Punk zu tun, gegen alles zu sein. Und entsprechend auch gegen die Feststellung, dass Punk mittlerweile so was wie „etabliert“ ist.

Die Annahme, dass Punk gegen alles ist, funktionierte nur für eine kurze Zeit, 1976/77. Damals musste man ja alles hassen, denn es war die einzige Möglichkeit, dass irgendwas Neues passiert. Aber diese Phase ging ziemlich schnell vorüber, und außer dass man nein sagen musste, musste man bald auch mal ja sagen zu irgendwas. Man musste sich dazu äußern, was man mag, und nicht nur, was man ablehnt. Vielen aus dem Punk gelang diese Umstellung allerdings nicht, und das wurde für den London-Punk zu einem riesigen Problem. Viele aus diesem Kreis wurden in der Folge sehr zynisch und negativ, und das ich finde ich sehr, sehr langweilig, weshalb ich mich mit solchen Menschen auch nicht abgebe, wenn ich es irgendwie vermeiden kann. Aus dem gleichen Grund bin ich übrigens auch nie zu einem Klassentreffen gegangen.

An anderer Stelle wurde argumentiert, bei Punk und Hardcore sei eine zunehmende „Museumisierung“ zu beobachten, was als Kritik gemeint ist angesichts der Anti-Establishment-Einstellung jener Subkultur.

Ich sah und sehe da keinerlei Widerspruch. Wenn ein Phänomen es wert war und ist, kommentiert zu werden, von Journalisten beachtet zu werden, auf Tonaufnahmen verewigt zu werden, warum sollte es dann nicht auch in einem Museum zu sehen sein? Ich kapiere nicht, wo da das Problem sein soll. Punk ist vierzig Jahre alt, das ist die Zeitspanne, die ein Erwachsener aktiv erlebt. Was soll denn in die Museen? SUPERTRAMP? Im Ernst, sich über so eine „Museumisierung“ aufzuregen, ist kompletter Schwachsinn. Okay, wenn junge Menschen dieser Meinung sein sollten, bitte schön. Aber wenn jemand meines Alters so was sagt, ist das armselig. Und es nervt mich einfach nur.

Dass so was medial und journalistisch thematisiert wird, hat wohl auch damit zu tun, dass nicht wenige Menschen im Medienbetrieb selbst eine Vergangenheit im Punk haben und sie das Thema offensichtlich nicht loslässt.

Nein, die meisten Medienmenschen waren bei Punk eben nicht dabei, und weil sie sich das eingestehen müssen, versuchen sie das zu überspielen, indem sie sich so albern in Szene setzen. „Ey, wir wollten dich nicht dabeihaben, weil du langweilig warst!“ Über Popkultur in Großbritannien zu schreiben, ist ein Minenfeld. Klar, das ist eines der wenigen spanenden Themen in diesem Land, und wenn jemand von außerhalb, aus Europa oder den USA, was zu diesem Thema schreibt, ist das willkommen. Aber wehe, wenn jemand von hier das tut, dann prügeln sie alle auf dich ein. Das passt wohl nicht in die bourgeoise Werte-Hierarchie. Damit habe ich mich in diesem Land noch nie wohlgefühlt – und deshalb lebe ich heute auch in Wales. Außerdem ist Punk immer noch ein kontroverses Thema. Punk wollte kontrovers sein, Punk musste kontrovers sein, und das ist es immer noch. Allerdings würde ich mir wünschen, dass die Leute bei der Wahl ihrer kontroversen Themen etwas intelligenter vorgehen würden.

Wie angenehm oder unangenehm sind dir Interviews wie dieses, wo es um ein Thema geht, das für dich vor vielen Jahren deines Lebens mal wichtig war, aber möglicherweise längst von wichtigeren Themen abgelöst wurde? Ganz losgelassen hat es dich offensichtlich nicht, wie die von dir mitkuratierten „Punk 45“-Compilations belegen.

Ich habe mit „England’s Dreaming“ ein sehr erfolgreiches Buch über Punk geschrieben, und entsprechend ist das mein „Greatest Hit“, mit dem ich eben auf Tour gehe, sinnbildlich gesprochen. Ich muss nur zusehen, dass das alles für mich selbst interessant bleibt. Viele Punk-Platten höre ich mir heute nicht mehr an, einige Punk-Scheiben aber schon. In meinem Leben gibt es also andere Themen als Punk, und von daher macht es mir nichts aus, darüber zu reden. Außerdem habe ich in der Zwischenzeit auch zwei andere Bücher über andere Themen veröffentlicht. Ich muss also niemandem mehr irgendwas beweisen. Ich habe das Buch vor vielen Jahren geschrieben und bin sehr stolz darauf, aber es bestimmt nicht mein Leben. Deshalb gehe ich mit dem Thema Punk entspannt um und rede gerne darüber, sofern man mir keine dummen Fragen stellt. Und nein, keine Sorge, dich meine ich damit nicht.

Jugendkulturen sind dein großes Thema, 2007 erschien „Teenage: The Creation of Youth Culture“, und kürzlich erschien „1966: The Year the Decade Exploded“.

Ja, das ist ganz frisch erschienen und beschäftigt mich derzeit – es wird aktuell an einem Film dazu gearbeitet. Außerdem arbeite ich an einigen Fotobüchern mit, darunter eines über die STOOGES. Dieses Jahr habe ich also genug zu tun, ein neues, großes Projekt steht nicht an.

Verfolgst du aktuelle Jugendbewegungen?

Nicht wirklich, aber ich versuche, einen Überblick zu behalten, was sich so tut. Immer wieder stoße ich auf etwas, das mir gefällt, und außerdem rede ich gerne mit Menschen, gerade auch mit Teenagern und solchen in den Zwanzigern. Was sie sagen, finde ich interessant, aber involviert in aktuelle Jugendkulturen bin ich natürlich nicht mehr. Und ich höre neue Musik, machen gelegentlich mal ein Interview mit jungen Musikern, zuletzt mit Kevin Parker von TAME IMPALA, und für eine richtig gute, junge walisische Punkband namens Y FFUG habe ich das Presseinfo geschrieben. Konzerte sind leider nichts mehr für mich, mein Gehör ist ruiniert ...

„England’s Dreaming“ konntest du aus eigenem Erleben heraus schreiben, du bist Jahrgang 1953. Wie war das bei „1966“?

Natürlich anders, da war ich ja erst 13. Ich bin kein großer Fan von autobiografischen Büchern, ich finde die langweilig. Ich war damals ein aufmerksamer Schüler und hörte begeistert Piratensender, die all die neue Musik spielten. Über die Musik, die Platten, über die ich im Buch schreibe, kann ich also aus eigener Erfahrung schreiben – eben aus der Perspektive eines Dreizehnjährigen, der Popmusik mag. Ich dachte natürlich nicht darüber nach, was da alles dahintersteckte. Ein gutes Beispiel ist der Song „Walking my cat named Dog“ von Norma Tanega. Beschäftigt man sich mal mit den Hintergründen, ist es absolut faszinierend, in welchem Kontext mein Einstieg in die Popkultur stattfand.

Hast du also durch die Arbeit an dem Buch auch etwas über deine eigene Biografie gelernt?

Nicht wirklich, und darum ging es mir auch nicht, wie auch bei meinem Buch „Teenage“, das im Jahr 1945 endet. Meine Position ist: Es ist möglich, Geschichtsbücher zu schreiben zu Themen, die nichts mit den eigenen Erfahrungen zu tun haben. Weshalb mir der gegenwärtige Trend im Musikjournalismus auch widerstrebt, dass alles auf persönlichen Erfahrungen basieren muss. Das ist so verdammt langweilig! Es ist mir egal, ob du bei dem THE CLASH-Konzert 1977 persönlich anwesend warst und den letzten Bus nach Hause verpasst hast und dann Tiggy und Twinkie kennen lerntest, bla bla bla. Fuck off! Who cares? Das ist die Nick Hornby-Schule ... Himmel, seit zwanzig Jahren hasse ich diesen Kerl. Wie kann man es nur schaffen, Popmusik so langweilig erscheinen zu lassen? In der Hinsicht hat er einen super Job gemacht. Popmusik darf und soll niemals langweilig sein!

Auch wenn man bei 1966 an Hippies denkt und das scheinbar noch sehr weit vom Punk des Jahres 1976 entfernt ist, so lief da schon viel, was später aufgegriffen wurde: MC5, THE SONICS, die Vorläufer der STOOGES ...

1966 steht für eine ganze Palette an Dingen. Damals gab es eine sehr aktive, spannende Popkultur, es wurde eine Menge Geld in diesen Bereich gepumpt, da lief enorm viel: Soul, Tamla Motown, Funk, Latin, Psychedelia, Mod Pop, Folk und Folk Rock und und und ... Für mich gab es immer schon die Verbindung zwischen 1966 und 1976, gerade wegen der Entwicklung zum Ende des Jahres ’66 hin. Damals bewegte sich das Pendel weg von London, hin zu Los Angeles und San Francisco. Los Angeles entwickelte sich in der Folge zu einem der Zentren der Popmusik, und das wichtige Album war „Good Vibrations“ von den BEACH BOYS, ein genauso positives wie seltsames Werk. In diesem Jahr erschienen all diese weißen, harten, nihilistischen Platten, etwa „Paint It Black“, die ROLLING STONES-Singles, die YARDBIRDS-Singles ... und das, was man später Garagepunk nannte, was damals aber nicht so hieß – die Leute wurden einfach nur „Rockers“ genannt. Damals erschienen die Hits von ? & THE MYSTERIANS, 13TH FLOOR ELEVATORS, „Dirty water“ von THE STANDELLS, „Psychotic reaction“ von COUNT FIVE und so weiter. All das waren fantastische Platten und die wurden von Lenny Kaye dann in den Siebzigern mittels seiner „Nuggets“-Compilations abgefeiert. Darüber wurde der Begriff „Punk“ erstmals von mehr Menschen in diesem Kontext wahrgenommen. Das macht „Nuggets“ zu so einer so wichtigen Compilation-Reihe, denn hier wurden die Ideen von Primitivismus und einer gewissen Grundhaltung gewissermaßen definiert. Auch die SEX PISTOLS hatten klare Verbindungen zu den Sixties, sie coverten „Understanding“ von den SMALL FACES und „Substitute“ von THE WHO, andere Punkbands coverten VELVET UNDERGROUND, die BUZZCOCKS coverten THE TROGGS mit „I can’t control myself“ – all die Verbindungen von 1976 zu 1966 bestanden. Aber jener Punkrock hatte eben auch viel vom Glamrock der Siebziger, besonders der London-Punk und britischer Punkrock generell. Und auch THE STOOGES griffen auf 1966 zurück, deren „I’m sick of you“ bezieht sich direkt auf „Happening“ von den YARDBIRDS, und von MC5 gibt es nicht ohne Grund eine Zusammenstellung namens „66 Breakout“, und so weiter ...

Punks hassen Hippies, heißt es immer ...

Hör auf, das ist langweilig! Dieses ganze Punk-gegen-Hippies-Ding war 1976 eigentlich eine kurzlebige Sache. Es ging nur darum, das Statement „Wir sind die neue Generation!“ zu machen. Musikalisch war 1976 nicht Hippie-Rock das Problem, sondern schreckliche Popmusik und die letzten Ausläufer von Prog und Glam. Aber das größte Problem in Großbritannien war schlechte Popmusik. Es gab damals ein paar Songs, die mich beinahe dazu gebracht hätten, jemanden umzubringen: „Fernando“ von ABBA – ich hasse es, wenn heute jemand sagt, die seien doch super, denn damals waren die der Feind –, und die verdammten CARPENTERS, schrecklich, und „Don’t go breaking my heart“ von Elton John und Kiki Dee, was für ein Haufen Mist. Und „I’ve got a brand new combine harvester“ von THE WURZELS, sowie, und das toppte alles, BROTHERHOOD OF MAN mit ihrem Grand-Prix-Beitrag „Save your kisses for me“. Das war ewig auf Nummer eins in den Charts, da wollte man sich direkt umbringen, wenn man das nur hören musste. Die BUZZCOCKS texteten in „Sixteen“: „How I hate modern music, Disco, Boogie and Pop, and how I wish it would stop“. Das zeigt für mich die wahre Motivation für Punk, das hatte nichts mit Hippies oder Progressive Rock zu tun.

Worum ging es dann?

Es ging um die schreckliche Popmusik jener Jahre. Popmusik, die zwanzig Jahre zuvor so eine Verheißung gewesen war, war zu einem großen Betrug geworden. Abgesehen davon waren viele Leute, die bei Punk involviert waren, selbst mal Hippies gewesen, also in den Siebzigern, als die echten Hippies der Sechziger schon lange Vergangenheit waren. Das waren Hippies der zweiten, dritten Generation, und die konnten auch ganz schön schrecklich sein. Die echten Hippies hingegen waren fantastisch, Leute wie Miles oder John Hopkins. Von denen hätten die Punks viel lernen können. Diese ganze Anti-Hippie-Rhetorik der Punks war eine böse Falle, denn die Hippies der Sechziger hatten eine Menge positiver Entwicklungen begründet und auch viel gute Musik geschaffen. Sich davon zu distanzieren, ohne stichhaltige Gründe, wie ich schon immer fand, war dumm, auch wenn ich natürlich verstand, dass es als symbolische Geste für den Moment Sinn machte. Aber als Dogma ist es dumm. Die Punks sagten sich so los von potenziell positiven Ideen, was zu Nihilismus und Zynismus in weiten Kreisen des Punk führte. Du merkst, bei dem Thema werde ich immer noch wütend. Es ist eine vierzig Jahre alte Polemik, die man endlich mal beerdigen sollte. Schon deshalb, weil sowieso unglaublich viel Mist über Punk erzählt wird und dann immer wieder dieses Hippie-Ding auftaucht. Wenn ich heutigen Jugendlichen einen Rat geben dürfte, wäre das, nichts über Punk zu lesen, sondern sich nur die Musik anzuhören und dann selbst zu entscheiden, ob sie einem gefällt oder nicht.

Letzte Frage: Bist du immer noch zufrieden mit „England’s Dreaming“?

Ja, ich bin glücklich damit. Ich habe es geschrieben, den Leuten gefiel es, und damit war das für mich abgeschlossen. Klar, ich würde heute manches anders schreiben, und ich wäre nicht so hart gegenüber THE JAM, haha.